Ein Streifzug durch den kulturellen Mittelpunkt der Oberstadt: „Groussen Theater an der Kapuzinergaass“

Ein Streifzug durch den kulturellen Mittelpunkt der Oberstadt: „Groussen Theater an der Kapuzinergaass“

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Die Tage des Kulturerbes 2019 finden zwischen dem 20. und 29. September statt. Thema des Jahres sind „Arts et divertissement“. Dann wird es auch 150 Jahre her sein, dass die Stadt Luxemburg der „Société de gymnastique“ die Genehmigung für ständige Theateraufführungen im ehemaligen Kapuzinerkloster erteilte.

Von Robert L. Philippart

Schauspielaufführungen gab es in Luxemburg indes schon bei weitem länger, denn seit dem 17. Jahrhundert haben die Jesuiten in regelmäßigen Abständen am Athenäum schauspielerische Darbietungen angeboten. Fremde Schauspieltruppen, die durch Luxemburg zogen, spielten in Kirchen oder auf Kirchenvorplätzen. Mit der Französischen Revolution wurde die Bindung zwischen Kirche und Theater allerdings aufgehoben.

Die Sankt-Michael-Kirche und die Kirche der Kongregationsschwestern – das heutige protestantisches Gotteshaus – dienten einst als Theatersäle. Daneben bestanden Privatsäle in Café-Häusern, das Militärkasino oder das Rathaus, die gelegentlich für Auftritte genutzt wurden. Erst 1820 wurde nach dem Bau eines eigenen Aufführungssaales verlangt. Da sich jedoch keine Lösung fand, um im ehemaligen Franziskanerkloster ein Theater einzurichten, blieb es bei der Nutzung der Säle am Krautmarkt (Haus Gilly), in der Seminargasse und im Athenäum.

Einst eine Garnisonsbäckerei

1855 entschied sich der Gemeinderat, den Aufführungssaal der „Société du cercle littéraire“ zu kaufen, um ihn der „Société de gymnastique“ zur Verfügung zu stellen. Das Lokal im Café „Rettel“ in der rue du Fossé genügte den Mitgliedern dieses Turn-, Schwimm-, Feuerwehr- und Theatervereins nicht mehr. Als das ehemalige Kapuzinerkloster nach Abzug der Garnison 1867 frei wurde, schlug die „Gym“ mit Ingenieur Oscar Bélanger an ihrer Spitze die Umnutzung dieser Gebäude als Schauspielhaus vor.

Das aus dem Jahr 1623 stammende Kapuzinerkloster, das bis 1867 zum Teil als Garnisonsbäckerei genutzt wurde, gehörte zu den Grundstücken, welche die Stadt für sich als Entschädigung für den Verlust der Garnison beanspruchen wollte. Der Antrag kam der Regierung gelegen, denn sie suchte eine wertvolle und dauerhafte Nutzung der ehemaligen Militärbauten und des Geländes. Das Gesetz vom 21. Mai 1867 ermöglichte die teilweise Abtretung des ehemaligen Kapuzinerklosters an die Gemeinde. Die Forderung, die ehemalige Kapuzinerkirche in eine Gewerbehalle zu verwandeln, wurde abgelehnt.

Da weder Staat noch Gemeinde das Schauspielhaus selbst herrichten wollten, kam es gelegen, dass die „amateurs du théâtre“ der „Société de gymnastique“ diese Aufgabe übernehmen wollten. Bereits im September 1868 waren erste Vermessungen vor Ort getätigt worden. Die „Gym“ nutzte die Gebäude ab Oktober 1868. Zur eigentlichen Einweihung kam es im Beisein des Prinzen Heinrich und der Prinzessin Amalia am 15.

Vereinbarung zur Nutzung der Räumlichkeiten

Februar 1869, obwohl nicht alle Bauarbeiten abgeschlossen waren. Erst am 25. September 1869 unterschrieb die Stadt mit der „Gym“ eine Vereinbarung zur Nutzung der Räumlichkeiten über 50 Jahre. Finanzminister Alexandre de Colnet d’Huart zeigte sich begeistert über das Luxemburger Theaterprojekt, welches „le sentiment du beau et du vrai“ und „la sociabilité“ fördern sollte, ohne jedoch die öffentliche Hand zu beanspruchen. Auflage des Vertrags war, das Gebäude als Schauspielhaus zu nutzen. Nur allmählich wurden öffentliche Aufführungen von der Gemeinde bezuschusst, ohne dabei ins Programm einzugreifen. Am 11. Oktober 1873 hatte sich die „Société du Théâtre de Luxembourg SA“ gegründet, mit zum Teil den gleichen Persönlichkeiten wie 1868.

Die private Gesellschaft übernahm die Führung des Schauspielhauses für 50 Jahre. Sie setzte auf Bildungstheater und bestellte Theatertruppen aus Metz, Trier und Namur nach Luxemburg. Erst als der Staat, aber auch der Prinz-Leutnant Henri, das Schauspielhaus bezuschusste, konnten hochkarätige Auftritte von Stars aus Paris, Brüssel und Lüttich in Luxemburg erfolgen. Inzwischen hatte sich jedoch auf privater Basis ein volkstümliches Variété-Theater aufgebaut. Festsäle wurden im Hôtel de Luxembourg, Hôtel de Cologne, Hôtel Brosius und in der Villa Louvigny eingerichtet.

Das Apollo-Theater am Bahnhof und der fest erbaute Zirkus am Glacis, das Bürger-Kasino und das Volkhaus schufen ein neues Angebot. Das Stadttheater reagierte ab 1905 mit „représentations populaires à prix réduits“, den „Volksvorstellungen“, wie sie ab 1912 offiziell bezeichnet wurden. Die Bezuschussung war auf ein verbilligtes Stuhlangebot ausgerichtet und betraf keineswegs die Künstlerhonorare, sodass nur durch Anhebung der Zahl der Sitzplätze Mehreinnahmen getätigt werden konnten.

Zuschauerraum im italienischen Stil

Als Gegenleistung für seine finanzielle Unterstützung verlangte Prinz Heinrich ab 1878 den Bau einer neuen Fürstenloge direkt am Proszenium. 1887 legte der Stadtarchitekt Antoine Luja Pläne zur Erweiterung des Schauspielhauses vor. Ein Rotunden-ähnliches Foyer mit Ehrentreppe wurde dem Theatersaal angeschlossen.

Ein Monumentalportal im Renaissance-Stil diente als neuer Eingang. Zur Ausführung dieser Pläne kam es jedoch erst 1894. Die „Buvette“ war sehr bescheiden, die „Studenteplazen um Juck“ boten hölzerne Sitzbänke mit schlechter Sicht auf die Bühne. Der im italienischen Stil mit Balkon und Logen ausgeführte Theatersaal verfügte über herrliche Stuckornamente, die jeder Aufdringlichkeit entbehrten.

Der Nachfrage nach mehr Sitzplätzen wurde erst im Winter 1920/21 nachgekommen. Das Stadttheater verfügte nun über eine Kapazität von 486 Zuschauern, nahezu die Hälfte des heutigen „Grand Théâtre“. 1923 war der Vertrag zwischen der „Société du théâtre“ und der Stadt Luxemburg abgelaufen.

Forderung nach einem Neubau

Nach Übernahme des Schauspielhauses durch die Stadt wurden aufwändige, doch ungenügende Renovierungen durchgeführt, sodass ab 1936 Forderungen nach einem Neubau laut wurden. Das neue Schauspielhaus „Théâtre du millénaire“ am Glacis öffnete jedoch erst im April 1964. Bis 1978 wurde es still, im „alen Theater“.

Dann begann eine neue Ära, mit großzügigen Umbauarbeiten durch Stadtarchitekt Jean Horger, bei denen das Tonnengewölbe und die „Salle à l’italienne“, das Foyer und das Renaissance-Portal verschwinden. Ein zeitgenössisches Theater und neue Wohnungen entstanden, um den Menschen wieder in den Mittelpunkt des Stadtgeschehens zu rücken. Seit seiner Eröffnung im August 1985 gilt das „Kapuzinertheater“ als kultureller Mittelpunkt der Oberstadt.