„Der Körper kann sich selbst heilen“ – Jo Buekens über die Entwicklung der Osteopathie

„Der Körper kann sich selbst heilen“ – Jo Buekens über die Entwicklung der Osteopathie

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Jo Buekens ist Osteopath aus Überzeugung. Dem Tageblatt erklärte er, was die Osteopathie eigentlich ist und welche Unterschiede zu anderen medizinischen Disziplinen bestehen.

Tageblatt: Was ist eigentlich Osteopathie?

Jo Buekens: Die Osteopathie ist eine bahnbrechende Entdeckung im 19. Jahrhundert im Bereich der Medizin. Ihre Geschichte ist komplex. Jeder hat seine eigene Definition davon und setzt andere Schwerpunkte. Dabei geht aber leider der ursprüngliche Ansatz des Gründervaters der Osteopathie, Dr. Andrew Taylor Still, oft verloren. Er definierte Osteopathie wie folgt: „Osteopathie ist zusammengesetzt aus den zwei Wörtern osteo, was Knochen, und pathos, was Leiden bedeutet. Meine Überlegung war, dass der Knochen, ‚Osteon‘, der Ausgangspunkt war, von dem aus ich die Ursache für pathologische Zustände feststellen konnte.“

Die Osteopathie behandelte am Anfang infektiöse Krankheiten. Es handelte sich um eine Weiterentwicklung der Medizin. Deshalb wurde Still 1905 auch für den Medizin-Nobelpreis nominiert. Er lehnte die Auszeichnung aber ab. Danach bekam Robert Koch sie. Der historische Kontext der Osteopathie wird noch oft unterschätzt. Bis zum Zweiten Weltkrieg war die Osteopathie eine Alternative zur sogenannten allopathischen Medizin. Ab den 1950er Jahren war sie Teil der Physiotherapie. Heutzutage ist sie eher eine Ergänzung der Schulmedizin. Ein Osteopath analysiert den Patienten in seiner Ganzheit. Das Ziel ist hierbei die Stimulierung des Immunsystems, um Krankheiten zu vermeiden oder zu heilen. Das unterscheidet die Osteopathie auch von anderen Disziplinen wie der Chiropraktik oder der Physiotherapie. Still war der Erste, der die Bedeutung des Immunsystems hervorhob, noch vor Paul Ehrlich, der 1889 seine Theorie der Immunologie vorstellte.

Das heißt, Sie setzen auf die Selbstheilungsfähigkeit des Körpers?

Genau. Still machte die Beobachtung, dass der menschliche Körper durch den Kontakt mit Krankheitserregern nicht grundsätzlich krank wurde. Er bemerkte zudem, dass verschiedene Leute nach dem Auftreten einer Krankheit für eine gewisse Zeit oder gar ein ganzes Leben lang dagegen resistent zu sein schienen. Daraus schlussfolgerte er, dass es einen natürlichen Widerstandsmechanismus geben müsse. Das Ziel der Behandlung ist, diesen zu unterstützen und zu aktivieren.

Und wie passiert das? Was sind die Grundlagen der Behandlung?

Über die zentrale Struktur der Wirbelsäule versuchen wir, das Immunsystem des Patienten zu stimulieren. Sie besitzt unter anderem blutbildende Eigenschaften. Das Alleinstellungsmerkmal der Osteopathie ist also der Knochen. Im Gegensatz zur Chiropraktik zum Beispiel fokussieren sich Osteopathen jedoch nicht auf die Gelenke, sondern bearbeiten die Teile dazwischen, die Knochenschafte oder Diaphysen. Diese sind spannungsregulierend. Studien belegen das. Alle Gewebe sind miteinander verbunden und haben direkt oder indirekt Kontakt zum Knochen. Wenn wir also den Knochen, das Grundgerüst unseres Körpers, behandeln, dann haben wir automatisch auch einen Einfluss auf alle anderen Gewebe.

Alle Stoffe, die im Blut vorhanden sind, wie Kalzium, Magnesium, Eisen, entzündungshemmender Zink usw., sind auch Bestandteil der Knochen. Es gibt kein Molekül oder Medikament, das wirklich neu ist. Die Mehrzahl der Medikamente sind synthetisch hergestellte „Kopien“ von körpereigenen Molekülen. In unseren Knochen werden so zum Beispiel ebenfalls Hormone produziert. Still nannte nicht umsonst den Körper „die Apotheke Gottes“. Es geht des Weiteren darum, den freien Fluss der Körperflüssigkeiten und hier insbesondere des arteriellen Bluts wiederherzustellen. Dann kann der Körper seine Gesundheit nämlich aufrechterhalten oder wieder herstellen.

Was kann durch die Osteopathie behandelt werden?

Eigentlich alles. Patienten, die unter Traumen leiden, benötigen oft nur wenige Sitzungen, ehe der Körper anfängt, sich selbst zu heilen. Es kommen aber auch Leute zu uns, die schon seit Jahren unter teilweise chronischen gesundheitlichen Problemen leiden, wie zum Beispiel Verdauungsstörungen, Gliederschmerzen, Verspannungen … Oft ist es das Resultat einer schlechten Haltung, von Stress oder einer falschen Ernährung. Die Behandlung kann hier länger dauern. Alles hängt vom Patienten ab. Manchmal schaffen wir es nur, die Symptome zu lindern, manchmal bleiben unsere Bemühungen gänzlich ohne Resultat. Global würde ich unsere Erfolgsquote aber als hoch einschätzen. In den meisten Fällen hilft auf jeden Fall eine Umstellung der Lebenshygiene. Das Ziel muss immer sein, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Man soll den Patienten auch immer klar sagen, ob und wie man ihnen helfen kann.

Wer sind Ihre Kunden?

Da gibt es keine spezielle Kategorie. Jede Altersklasse ist vertreten, Frauen, Männer, sämtliche Berufssparten. In unserer Praxis behandeln wir aber auch viele Säuglinge und Kleinkinder. In den ersten sechs Monaten nach der Geburt können durch die richtige Behandlung viele gesundheitliche Probleme vermieden werden.

Was hat Sie dazu bewogen, Osteopath zu werden?

Sie werden lachen. (grinst) Ich habe angefangen, Osteopathie zu studieren, weil ich nicht daran geglaubt habe. Davor hatte ich ein Physiotherapie-Studium erfolgreich abgeschlossen und auch während drei Jahren in diesem Bereich gearbeitet. Es gab mir aber keine Befriedigung. Die fand ich erst, als ich als Osteopath arbeitete. Heute bin ich von der Osteopathie überzeugt und möchte dabei helfen, diese medizinische Vorgehensweise zu fördern.

Was ist der schönste Moment Ihrer bisherigen Osteopathen-Karriere?

Da gibt es viele. Jeder Patientenbesuch ist ein Highlight. Wenn man einen Körper berührt und merkt, dass dieser anfängt, auf die Behandlung zu reagieren, ist das ein erhebender Moment. Auch die Zufriedenheit der Leute zu sehen, wenn ich ihnen helfen konnte, ist etwas sehr Schönes.

Sie geben auch Kurse an diversen Osteopathie-Schulen. Warum?

Die Kurse sollen helfen, die Undeutlichkeit zu beseitigen, die im Zusammenhang mit der Osteopathie noch besteht. Sie bringen mich außerdem dazu, mich permanent mit der Entwicklung meines Berufs auseinanderzusetzen. Bei der Behandlung der Leute stellt man sich immer die Fragen: „Warum mache ich das so?“, „Wie kann ich es besser machen?“, „Warum hat die Behandlung nichts gebracht?“… Durch die Kurse bin ich immer auf dem letzten Wissensstand. Das hilft mir bei der Ausübung des Berufs.

Dann gebe ich Kurse, um die Osteopathie weg vom Image des „Voodoo“ zu bringen. Es ist eine medizinische Disziplin, die inzwischen wissenschaftlich erforscht wird.

Ist in Luxemburg das Interesse an der Osteopathie groß?

Ja. Immer mehr Menschen entdecken sie. Ein Manko hierzulande ist aber das Fehlen einer Osteopathie-Schule. In Belgien, an der ULB („Université libre de Bruxelles“), gibt es zum Beispiel eine solche Schule, in der ein sechsjähriger Studiengang absolviert werden kann. Im Luxemburger Verband (ALDO) gibt es im Augenblick etwa 70 Osteopathen.

Was raten Sie jungen Menschen, die Osteopath werden wollen?

Vor dem Studium soll man in einer Praxis herausfinden, ob die Osteopathie wirklich der richtige Weg für einen ist. Wenn ja, soll man sofort und ausschließlich Osteopathie studieren. Das vereinfacht die Gedankengänge und die Anwendung des erlernten Wissens ungemein. Ein Osteopath muss zudem den Kontakt mit den Menschen lieben, neugierig sein, zuhören können – das ist enorm wichtig für die Anamnese (Erfragung von medizinisch relevanten Informationen) –, Ruhe ausstrahlen und bereit sein, sich neues Wissen anzueignen und sich weiterzuentwickeln. Die Fort- und Weiterbildung ist auch für uns wichtig. Für mich ist die Osteopathie auf jeden Fall mein Traumberuf.

Letzte Frage: Kann man von dem Beruf gut leben?

Ja. Man muss aber wissen, dass man als Selbstständiger viel arbeiten muss, um Geld zu verdienen. Aber das Einkommen ist nur ein Element. Die persönliche Zufriedenheit und die Zufriedenheit der Kunden sind mindestens genauso wichtig.

Astrolix
14. Dezember 2018 - 16.50

Schlechte Nachrichten für Globuli und Bachblütenverkäufer.