Der Kaiser lebt – und er kommt aus Luxemburg

Der Kaiser lebt – und er kommt aus Luxemburg

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Gérard N. Fritz, 64, ist der Kaiser-Darsteller. Zumindest beim Veranstaltungsreigen im österreichischen Bad Ischl anlässlich des Geburtstages von Kaiser Franz Joseph I., der dieser Tage groß in dem 14.000 Einwohner fassenden Kurort im Salzkammergut gefeiert wird. Wir haben den gebürtigen Escher, der die Sommermonate in Österreich verbringt, getroffen und interviewt.

Tageblatt: Wie kommt man dazu, den Kaiser zu spielen?

Zur Person

Gérard N. Fritz, 64, stammt aus Esch und betrieb lange Zeit gemeinsam mit seiner Ehefrau Françoise Zirves, der Tochter des ehemaligen Rümelinger „Député-Maire“ André Zirves, die „Pharmacie du Lion“ in Echternach. Seit 2018 lebt das Ehepaar in Mersch.

Gérard N. Fritz: Moment mal! Hier stellt nur einer die Fragen. Und das ist der Kaiser. (lacht) Spaß beiseite … Das ist eine lange Geschichte und auch der Zufall hatte dabei seine Hände im Spiel. Als meine Ehefrau und ich 2012 in Rente gingen, wollte sie eigentlich, dass wir ein Haus am Meer kaufen. Südfrankreich, Spanien oder Madeira.

Ein Freund von uns wohnt am Chiemsee in Bayern. Ich habe mich dann dort, aber auch in Österreich, genauer in Weyregg am Attersee, umgeschaut und ein Haus gefunden, das auch meiner Frau auf Anhieb gefiel. Seitdem verbringen wir hier gemeinsam die Sommermonate.

Aber wo ist da der Bezug zu der Figur von Kaiser Franz Joseph I.?

Ich besaß eine große Sammlung an historischen Uniformen. Über 200 Exemplare sowie einen großen Militaria-Fundus mit über 10.000 Artefakten. Kurz: Ich hatte so ein richtiges kleines Museum. Und meine Lieblingsuniform war die von Kaiser Franz Joseph I. Aus Platzgründen habe ich mich von vielem mittlerweile getrennt. Leider, denn diese Leidenschaft hat mir gefehlt. Hier in Österreich gibt es indes eine Reihe von Verbänden, die die ganze Tradition um den Kaiser aufrechterhalten. Und ich dachte mir, dass ich dort auf ein paar Gleichgesinnte treffen würde. So kam es dann auch.

Wann hatten Sie Ihren ersten Auftritt?

Das war an und für sich vor sechs Jahren, als meine Ehefrau und ich erstmals an der „Fête impériale“, dem Sommerball in der Spanischen Hofreitschule in Wien, teilnahmen. Dabei trug ich die Gala-Ausgehuniform eines k.u.k. Generals und sorgte für reichlich Aufsehen. Als wir mit der Kutsche vor der Hofburg vorfuhren und über den roten Teppich schritten, erfolgte ein regelrechtes Blitzlichtgewitter. Unzählige Fotografen und Kameraleute standen da Spalier. Die Uniformierten schlugen an und die Menge raunte: „Der Kaiser kommt.“ Es war ein unglaubliches Erlebnis. Irgendwann im Verlauf des Abends fragte man mich dann, ob ich mir solche Auftritte öfters vorstellen könnte. So fing das dann an. Zumal als aus Altersgründen Ersatz gesucht wurde für den Kaiser in Bad Ischl.

Und die Tatsache, dass Sie Luxemburger sind, spielte dabei keine Rolle?

Nein, ganz und gar nicht. Ganz im Gegenteil. Die Mitglieder des Kaiserzug-Vereins sowie die Verantwortlichen des lokalen Tourismusverbandes von Bad Ischl waren gleich Feuer und Flamme. Im Sommer 2014 war ich dann erstmals bei den Feierlichkeiten dabei, hielt mich aber noch im Schatten des damaligen Kaisers. Ich war sozusagen der Kaiser in Reserve. Ab und an schlüpfte ich da aber schon in seine Rolle und löste ihn ab. Aus Spaß sage ich immer, dass wir ja in den 90ern mit dem Adoptivluxemburger Marc Girardelli einen Österreicher hatten, der im Ski-Zirkus für Furore sorgte. Und jetzt zahlt das Großherzogtum mit mir als Kaiser dies eben zurück.

Was ist mit dem Bart?

Ui! Das ist ein heikles Thema. Ich hatte immer einen Bart, allerdings keinen Kaiser-Bart. Die Pflege gestaltet sich etwas schwierig. Der Bart muss tagtäglich gewaschen und gekämmt werden. Hier in Österreich habe ich eine Friseuse, die sich damit gut auskennt. In Luxemburg ist das etwas schwieriger wegen der speziellen Form des Bartes.

Was bedeutet es für Sie, in diese Rolle zu schlüpfen?

Das ist eine gute Frage. Ich gehe in dieser Rolle auf. Zumindest sagt meine Ehefrau das immer. Sie hilft mir beim Anlegen der Uniform und ist der Ansicht, dass ich mit jedem Kleidungsstück da reinwachse. Man muss aber stets wissen, wen man verkörpert. Ich gebe mir sehr viel Mühe und investiere reichlich Geld und Zeit in diese Auftritte. Wenn ich die Uniform wieder ablege, dann bin ich wieder der Alte. Ich empfinde es allerdings als große Ehre, in diese Rolle zu schlüpfen. Es bereitet mir zudem riesigen Spaß.

Was haben Sie eigentlich gemeinsam mit dem Kaiser?

Besser wäre es, die Frage andersrum zu stellen: Was haben Sie nicht gemeinsam mit dem Kaiser? Ich fühle mich wohl in dieser Rolle. Aber mit dem frühen Zubettgehen und dem frühen Aufstehen damit komme ich nicht zurecht. Und zweitens ist da eine Differenz von 30 kg. Der Kaiser war klein und schmächtig. Was die Kopfform, die Ohren, die Nase betrifft, gibt es derweil schon eine große Ähnlichkeit.

Wie viele Auftritte haben Sie im Jahr?

Etwa 20. Der Höhepunkt spielt sich natürlich dieser Tage in Bad Ischl ab. 20.000 Zuschauer stehen dann da in Bad Ischl Spalier und rufen „Hoch lebe der Kaiser“, wenn ich in der Kutsche vorbeifahre. Das ist Gänsehaut pur! „Gebucht“ werde ich in der Regel aber auch für Events in Wien, Linz, Steyr, in der Steiermark sowie in Mödling und am Neusiedler See.

Gibt es einen Agenten?

Nein, ich mache das alles in Eigenregie und nehme keine Gage. Wenn ich eine Gage nehmen würde, gäbe es erstens Probleme mit der Steuerverwaltung. Zweitens bin ich so keinem etwas schuldig und bin so auch zeitlich nicht gebunden. Ich nehme auch nur an offiziellen Anlässen teil. Es ist also nicht so, dass ich bei Zeltfesten auftrete und mich da zum Hanswurst machen lasse.

Und die Reaktion Ihrer Freunde und Bekannten?

„Typisch Gérard“, lautete der Tenor. „Der war noch immer ein bisschen verrückt“ (lacht). Ich bin halt ein Paradiesvogel.

Fast 68 Jahre lang Kaiser

Als er geboren wurde, fuhren noch keine Eisenbahnen. Als er starb, war die Welt völlig aus den Fugen geraten. Franz Joseph I. (18.8.1830 – 21.11.1916), auch Erzherzog Franz Joseph Karl von Österreich aus dem Haus Habsburg-Lothringen, war vom 2. Dezember 1848 bis zu seinem Tod Kaiser von Österreich.

Mit einer Amtszeit von nahezu 68 Jahren übertraf er jeden anderen Regenten seiner Dynastie und stellte eine Art Rekord auf.

Nach den revolutionären Erhebungen von 1848 war sein Onkel Ferdinand I. als Kaiser nach Meinung der Dynastie zu schwach, um die Regierung fortzusetzen. Franz Josephs Vater verzichtete auf die Nachfolge. Daher trat der erst 18-jährige Franz Joseph am 2. Dezember 1848 auf Wunsch seiner Familie die Nachfolge als Kaiser von Österreich an. Franz Joseph I., der bereits zu seinen Lebzeiten eine Legende war, regierte ab 1851 absolutistisch und zentralistisch.

Die Niederlagen im Sardinischen Krieg (1859) und im Deutschen Krieg (1866) zwangen ihn zur Verständigung mit Ungarn und zur Umwandlung des einheitlichen Kaisertums Österreich in zwei konstitutionelle Monarchien. So entstand die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, auch noch k.u.k. Doppelmonarchie genannt, als Union zweier Staaten. Die anhaltenden Spannungen auf dem Balkan und die Überschätzung von Österreich-Ungarns militärischen Möglichkeiten mündeten 1914 in Franz Josephs Kriegserklärung an Serbien. Die Folge war der Erste Weltkrieg.

Der Tod Franz Josephs am 21. November 1916 leitete die Auflösung Österreich-Ungarns ein, die im Herbst 1918 stattfand. An seinen Todestag wurde der fiebernde Monarch auf ärztliches Anraten gegen 18 Uhr zu Bett gebracht.

Seine letzten Worte waren: „Bitte, mich morgen um halb vier wecken. Ich bin mit meiner Arbeit nicht fertig geworden.“ Kurz nach 21 Uhr verstarb der Kaiser, eine halbe Stunde nachdem er die letzte Ölung erhalten hatte.