Der gescheiterte Traum: Vor 100 Jahren wurde das erste Jugoslawien gegründet

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Die Webfehler des ersten gemeinsamen Staats der Südslawen bedingten dessen Scheitern: Der Misserfolg des vor hundert Jahren gegründeten Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen sollte sich auch für das zweite sozialistische Jugoslawien als Hypothek erweisen.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Selbst die sonst so mitteilungsfreudigen Würdenträger im zerfallenen ex-jugoslawischen Vielvölkerreich üben sich in ungewöhnlicher Enthaltsamkeit. Ob im serbischen Belgrad oder kroatischen Zagreb, ob im slowenischen Ljubljana, bosnischen Sarajevo oder mazedonischen Skopje: Zum 100jährigen Jubiläum des ersten gemeinsamen Staats der Südslawen glänzen die sonst so streitbaren Strippenzieher durch ungewohnt einträchtiges Schweigen. Beim Jahrhundertgeburtstag des ersten Jugoslawiens (dt: „Südslawien“) haben eher die Historiker das Wort – und kommt grenzüberschreitend kaum Feststimmung auf: Eher distanziert blicken die Ex-Brudervölker auf die Staatsgeburt zurück.

Auf den Trümmerfeldern des ersten Weltkriegs wurde das damalige Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen am 1.Dezember 1918 aus der Taufe gehoben. Zwar hatte sich schon im 19. Jahrhundert eine erste panjugoslawische Bewegung geregt. Heterogen war der Staatsneuling schon bei seiner Gründung aber keineswegs. Als unabhängige Staaten hatten vor dem Ersten Weltkrieg relativ kurz nur Montenegro und Serbien existiert. Die neuen Brudervölker hatten im zerfallenen Osmanen- und Habsburgerreich politisch, wirtschaftlich und kulturell völlig unterschiedliche Sozialisationen und Entwicklungsprozesse durchlaufen: Nicht nur wegen der mangelhaften Infrastruktur waren der Zusammenhalt und das Wissen um die Brudervölker der neuen Nation sehr schwach entwickelt.

Eine Vereinigung aller Serben

Zwar hatte der panjugoslawische Aktivist Gavrilo Princip mit dem Attentat von Sarajevo 1914 den Ersten Weltkrieg mit ausgelöst. Doch der gemeinsame Staat fiel den Südslawen als Folge der Neuordnung des Kontinents nach Kriegsende praktisch in den Schoß. Selbst für nationalistische Kräfte in Belgrad, Ljubljana oder Zagreb lag die Gründung des gemeinsamen Königreichs zunächst dennoch durchaus im gemeinsamen Interesse. Weltkriegsgewinner Serbien strebte vor allem die Vereinigung aller Serben an – und versprach sich international ein größeres Gewicht mit dem größeren Staat. Kroaten und Slowenen hofften, mit der Notlösung des neuen Königreichs die territorialen Ansprüche Italiens parieren zu können.

Doch während Kroaten und Slowenen ein föderales Staatsmodell vorschwebte, setzte Belgrad auf einen zentralistisch geführten Staat. Vor allem die Kroaten fühlten sich von Serbien benachteiligt, Albaner und Mazedonier ohnehin eher von Belgrad kolonisiert statt am neuen Staat beteiligt. Die Webfehler und fehlende Verständigung über den Staatsaufbau bedingten das Scheitern des ab 1929 als Königreich Jugoslawien firmierenden Königsdiktatur.

Der Misserfolg des ersten Staats der Südslawen sollte sich auch als Hypothek für das zweite Jugoslawien erweisen. Obwohl dem aus der Partisanenbewegung entstandene sozialistischen Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg die Integration der Minderheiten in einem föderativen System gleichberechtigter Bruderrepubliken wesentlich besser gelang, erwiesen sich die die Zentrifugalkräfte im Vielvölkerstaat nach dem Tod des präsidialen Übervaters Josip Broz Tito stärker als der Zusammenhalt. Auch bei den Debatten um die 100 Jahrfeier Jugoslawiens steht vor allem dessen Ende zentral. Ob positiv oder negativ: Nur noch die Erinnerung an den gemeinsamen Staat lebt in den früheren Landesteilen noch immer fort.

Vert solitaire
3. Dezember 2018 - 10.29

So wie in Jugoslawien verschiedenste Völker unter einselbes Dach gezwungen wurden, um wenig später in Blut und Tränen auseinander ze gehen, so riskiert auch die eu zu zerfallen. Und die Anzeichen sind da. So gibt es mehr als nur ein Beispiel in der Geschichte!