Der Berg kreißte und gebar eine Maus – Fallbeispiel einer Pressekonferenz in Luxemburg

Der Berg kreißte und gebar eine Maus – Fallbeispiel einer Pressekonferenz in Luxemburg

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Pressekonferenzen gehören bisweilen noch zum Tagesgeschäft von Journalisten, jedoch nimmt ihre Relevanz immer mehr ab. Warum? Ein Beispiel.

Pressekonferenzen gehören bisweilen noch zum Tagesgeschäft von Journalisten, jedoch nimmt ihre Relevanz immer mehr ab. Die Inhalte, die bei derartigen Zusammenkünften angeschnitten oder extrem breitgetreten werden, kann man oft zeitsparender dem Pressekommuniqué entnehmen. Verpassen tut man nur den scheinbar aus Spaß an der Freude ausgeschenkten „Ehrenwein“, der nicht selten bereits vor Mittag serviert wird. Anbei nun ein paar persönliche (und alkoholfreie) Eindrücke von einem derartigen Spektakel.

Sie sind so sicher wie das Amen in der Kirche: „Integration“, „Inklusion“ und „Demokratisierung der Kultur“. Also Begriffe, ohne deren Erwähnung scheinbar niemand auskommt, wenn es darum geht, eine Großveranstaltung in Luxemburg zu bewerben, bei der das Kulturministerium mitmischt. (Was sie wirklich bedeuten, wird selten diskutiert, vielmehr gehört es sich wohl bei dem schönen Wetter, leere Worthülsen rauszuhängen. Zum Lüften.)

17 Orte sprechen die „Universalsprache“

So fielen benannte Ausdrücke also auch auf der Pressekonferenz zur 17. „Fête de la musique“ in Luxemburg. Einem Konzept, das Anfang der 80er Jahre in Frankreich entstand und sich mittlerweile auf mehr als 20 Länder ausgeweitet hat. Bald ist dann auch wieder im Großherzogtum landesweite musikalische Reizüberflutung angesagt. Vom 15. bis zum 21. Juni. Dieses Jahr in rund 17 Ortschaften/Ortsteilen.

Der Staatssekretär für Kultur Guy Arendt behauptete bei seiner Rede, Musik sei eine Universalsprache, welcher man auch mächtig sein könne, ohne das „Conservatoire“ besucht zu haben, um sich dann in der Folge bei allen im Raum Anwesenden zu entschuldigen, die Musikkurse belegt haben. Seinen kurzen, von vielen Danksagungen (die auch in den folgenden 30 Minuten bei anderen Rednern nicht abklingen sollten) gespickten Monolog abschließend, meinte er, es bleibe ihm nur noch schönes Wetter zu wünschen, dies könne er leider nicht beeinflussen, da er keinen direkten Draht „nach oben“ habe. (Und das im Land der kurzen Wege.) Koordinatorin Séverine Zimmer betonte danach, dass man darum bemüht sei, von der „Bühne herunterzusteigen“, um auch jene Orte und Menschen zu bespielen, die sonst nicht direkt mit Musik in Kontakt kämen.

Freuen sich die Obdachlosen, dass vor ihrer „Tür“ etwas los ist?

Es war nicht sofort klar, ob sie den Kirchberg meinte oder doch eher die sozialen Brennpunkte im Land. Fest steht lediglich, dass sich obdachlose Personen (die keine Erwähnungen in den Ausführungen fanden) potenziell darüber freuen können, dass direkt vor ihrer „Tür“ etwas los ist. Vielleicht sind sie auch einfach nur genervt, weil sie in ihren (nun von der Sonne beheizten) Freiluftsuiten um ihren Schlaf gebracht werden.

Gefreut haben sich zumindest die Organisatoren allemal. Unter anderem über die neu gewonnene Visibilität, da neben CFL neuerdings auch Luxtram Werbung in seinen fahrbaren Untersätzen schaltet. Es bleibt zu hoffen, dass der öffentliche Transport nach diesem feuchtfröhlichen Fest auch genutzt wird, statt dass die Polizei wieder einmal Führerscheine wie Panini-Aufkleber sammeln darf. Zumindest kümmert sich beispielsweise Steinfort, wie ein Vertreter der Gemeinde freudig mitteilte, darum, dass von „Bistro zu Bistro gependelt“ werden kann.

Weniger ist mehr

Berufen wird sich bei der „Fête de la musique“ übrigens auf drei Grundprinzipien, zu denen sich der zuständige luxemburgische Verein seit seiner Gründung 2001 verpflichtet hat: An vorderster Front stünde der Wille, heißt es, ein Fest aller Musikgenres zu machen, das aktuelle Strömungen beachte, aber gleichzeitig der Tradition Rechnung trage.

Dieser Ankündigung wirklich gerecht zu werden, ist quasi unmöglich. Mit ihr lässt sich indes leichter vermeiden, irgendjemandem auf die Füße zu treten, denn so kann zumindest keiner behaupten, es sei nicht „für jeden etwas dabei“. Mancherorts wird das musikalische Konzept mit der Pfadfinderkirmes gekoppelt, anderweitig findet praktischerweise zeitgleich noch ein Sportevent statt. Die vom Kulturminister propagierte „Kultur für alle“ findet hier sicherlich ihren Platz. Eben weil sie alles andere als greifbar ist. Die luxemburgische Version dieses Festes ist weder Fisch noch Fleisch, was die Angriffsfläche dahingehend vermindert, dass wer unscharf sieht, schlechter trifft beim Schießen.

Sarrazin kommt wohl nicht

Zweitens soll „allen Musikern“ eine Bühne gegeben werden. Als die zuständige Verantwortliche aus Echternach betonte, man gebe im Osten auch jenen eine Plattform, die sonst keine bekämen, war man kurz dazu geneigt, sich zu fragen, ob Thilo Sarrazin auch noch ein Instrument spielen kann, aber als dann verlautbart wurde, dass die Gäste „eine große Party“ erwarte, war klar, dass der deutsche Partycrasher wohl eher nicht mit von der Partie sein würde.

An dritter Stelle steht die Pflicht, dass das Event gratis sein muss, sozusagen als Symbol. Dies ist zwar ein mögliches Werkzeug, um weniger gut Betuchten eine Tür zu öffnen, jedoch ändert es nichts daran, dass auch die zahlreichen Besserverdiener den hiesigen Kulturinstitutionen nicht unbedingt die Bude einrennen. Brei mundet nicht mehr, nur weil er nichts kostet. Unabhängig davon, ob man Geld hat oder nicht. Jemandem die Speisekarte etwas engagierter zu erklären, könnte Abhilfe schaffen, aber dafür müsste man ja miteinander reden.

Keine klare Linie

Die „Fête de la musique“ ist an und für sich eine Veranstaltung, bei der man nicht zu Schaden kommt, eher im Gegenteil. Dass jedoch im Gegensatz zu anderen Ländern in Luxemburg auf ein Hauptthema verzichtet wird, lässt viel, vielleicht zu viel Spielraum. Man vermisst eine klare Linie, die nicht nur die einzelnen Organisatoren, sondern auch die Besucher selbst enger miteinander verbinden könnte.

Wie so oft wäre weniger einfach mehr. Auch ein Demokratisierungsprozess der Kultur (es wäre spannend, zu wissen, was Herr Arendt im Detail darunter versteht) bedarf einer kompetenten Begleitung, eines Rahmens und nicht nur großer Worte. Mit Letzteren allein wollen und dürfen wir als Journalisten keine Seiten füllen.

collarini edouard
29. Mai 2018 - 22.38

bravo sie schreiben mir aus der seele und dem bauch weiter so

Serge Molitor
29. Mai 2018 - 21.39

Dat as emol e gudden Artikel mat Pepp, Verstand a Witz! Merci

Yuppi
29. Mai 2018 - 19.30

Madame Schaaf Bravo een richteg gudden erfreschenden Artikel Merci