Das Schattenregister: Eine Datenbank, die nicht existieren darf

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Seit Jahrzehnten führt die Polizei eine Datenbank. Das Register, dessen Schaffung als umstritten gilt, hat heute keine legale Basis mehr – und bringt die Regierung in Erklärungsnot.

Von Pol Schock und Nicolas Wildschutz

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Nicolas Wildschutz

Ein junger Mann sitzt in einem Büro der Staatsanwaltschaft. Er hat sich für einen Job beworben und führt gerade sein Bewerbungsgespräch, als ihm unerwartet zwei Ereignisse aus seiner Jugend vorgeworfen werden: Beamtenbeleidigung und Körperverletzung. Für nichts von beidem wurde er verurteilt. Sein Strafregister ist leer. Die Informationen stammen aus einem Polizeiregister. Einer Datenbank, die von der Polizei geführt wird und nach Recherchen des Tageblatt eigentlich gar nicht existieren dürfte. Für das Register gibt es keine legale Basis.

Der junge Mann nimmt sich einen Anwalt. Als der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar in einer parlamentarischen Anfrage die Regierung mit dem Polizeiregister konfrontiert, erreicht der Vorfall die Öffentlichkeit. In einem offenen Brief erhebt der Anwalt Gaston Vogel schwere Vorwürfe und spricht von der Existenz eines „geheimen Registers“. Die Geschichte hat sich mittlerweile zu einem Politikum entwickelt. Nach einer ersten ausweichenden Antwort auf die parlamentarische Anfrage der Christsozialen hat François Bausch („déi gréng“), Minister für innere Sicherheit, eine weitere Erklärung für das „geheime Register“ nachgeschoben: Die Polizei berufe sich auf ein „Gesetz“ von 1992, das man heute möglicherweise überarbeiten müsse. Das Problem: Bei diesem „Gesetz“ handelt es sich lediglich um eine zeitlich begrenzte Verordnung, die seit Juni 2018 gar nicht mehr greift.

Lückenhafte Geschichte einer Verordnung

Tatsächlich war im Oktober 1992 eine rechtliche Grundlage für das Polizeiregister geschaffen worden. Es handelt sich dabei um eine großherzogliche Verordnung. Das heißt, der Text ist von der damaligen Regierung verabschiedet worden ohne Zustimmung des Parlaments. Die Unterzeichner: Jacques Poos, Minister für Polizei und Armee (LSAP), Marc Fischbach, Justizminister (CSV), sowie Alex Bodry, damaliger Kommunikationsminister und heutiger LSAP-Fraktionspräsident. Laut Bodry war die Verordnung verabschiedet worden, um die Anwendung des Datenschutzgesetzes von 1979 zu klären. Sie erteilt der Polizei dabei große Befugnisse, um personenbezogene Daten zu sammeln zur Vorbeugung, der Untersuchung und der Verfolgung von Straftaten: Zeugenaussagen, Strafdelikte, Ordnungswidrigkeit, aber auch Anschuldigungen, die sich im Laufe von Ermittlungen als unhaltbar erweisen. Kurz: So ziemlich alles, was die Polizei über die Bürger sammelt, befindet sich in dieser Datenbank. Die Nutzung des Registers untersteht der Staatsanwaltschaft.

Die legale Basis der Datenbank war auf eine Dauer von fünf Jahren begrenzt – bis Oktober 1997. Laut Bodry sei man damals davon ausgegangen, dass bald ein neues Datenschutzgesetz die Verordnung hinfällig machen würde. Doch die weitere Geschichte des Polizeiregisters ist lückenhaft und zeigt Unstimmigkeiten. Obwohl die Genehmigung eigentlich 1997 abgelaufen war, wurde die Verordnung erst 2004 von den beiden CSV-Ministern Michel Wolter und François Biltgen um einen Zeitraum von anderthalb Jahren verlängert. Gestört daran hat sich offenbar niemand, jedenfalls lassen sich keine Belege in der Presse dafür finden. Anschließend ist die Verordnung noch um weitere zehn Mal verlängert worden, von Ministern unterschiedlicher Couleur. Zuletzt bis zum Juni 2018 von Kommunikationsminister Xavier Bettel (DP) und Etienne Schneider (LSAP), Minister für innere Sicherheit. Die legale Basis ist seitdem nicht mehr gegeben.

Prinzipiell rechtswidrig

Der Professor für Strafrecht an der Universität Luxemburg Stefan Braum hält die Grundlage der Datenbank dabei prinzipiell für rechtswidrig. „Ein solch wesentlicher Eingriff ins Datenschutzrecht muss der Gesetzgeber regeln und nicht die Exekutive“, so der Juraprofessor. Eine polizeiliche Datenbank ohne parlamentarisches Gesetz sei demnach höchst bedenklich. „Das ist sonnenklar, dafür benötigt auch niemand ein weiteres Gutachten.“ Zudem widerspreche die umfassende Erfassung von persönlichen Daten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es gehe überhaupt nicht klar hervor, zu welchem Zweck die Daten gesammelt werden. Und, was für den Juristen weitaus schlimmer wiegt: Die Verordnung schweigt über justizielle Kontrolle und Überprüfbarkeit. Weder ermöglicht die Verordnung den Bürgern Einblicke in ihr Register, noch untersteht dieses einer gerichtlichen Kontrolle. Für den Juraprofessor war die Grundlage der Datenbank demnach von Beginn an rechtlich zweifelhaft.

Spätestens seit der neuen Datenschutzverordnung stehe sie jedoch im klaren Widerspruch zum europäischen Recht. Im Mai 2018 ist eine neue Datenschutzverordnung in der Europäischen Union in Kraft getreten: die DSGVO. Sie soll die Privatsphäre der Bürger wahren und schützen. Die EU arbeitet auch eine Richtlinie aus, die den Umgang der Sicherheitskräfte mit personenbezogenen Daten regelt. Diese Richtlinie tritt – im Gegensatz zu einer EU-Verordnung – nicht sofort in Kraft. Die Mitgliedsländer müssen entsprechende Gesetze verabschieden. So auch Luxemburg. Doch das ausgearbeitete Gesetz enthält Ungenauigkeiten. Viele Abschnitte, in denen die EU die Klärung der Details den Staaten überlässt, wurden einfach abgeschrieben. Die Schaffung eines Polizeiregisters, wie das luxemburgische Recht es bis dahin ermöglichte, ist in der EU-Richtlinie nicht vorgesehen. Auch im neuen luxemburgischen Gesetz ist nirgendwo die Rede von einem solchen Register.

Opposition verlangt Aufklärung

LSAP-Fraktionschef Alex Bodry findet das unproblematisch. Er bestätigt, dass die Verordnung von 1992, auf die sich Bausch beruft, nicht mehr rechtskräftig ist. Allerdings ist er der Meinung, dass das neue Gesetz eine indirekte Erlaubnis erteilt, ein solches Polizeiregister zu führen. Eine direkte Erlaubnis sei nicht notwendig, „da jede Verwaltung und jede Gemeinde Datenbanken erstellt“. Es liege nun vielmehr an der Polizei, sich innere Richtlinien zu geben, die klären, wie das Gesetz zu interpretieren sei.

Nicht alle Abgeordneten sind der gleichen Auffassung. DP-Fraktionspräsident Eugène Berger teilt die Lesart des Juristen Stefan Braum, wonach es ohne rechtliche Basis kein Strafregister geben darf. Und allein auf Basis des neuen Gesetzes sei diese nicht gegeben. Einer der zuständigen Minister, François Bausch, will sich nun erst einmal mithilfe der IGP und der Datenschutzkommission CNPD einen Überblick verschaffen. „Ich blicke noch nicht genau durch“, sagt er gegenüber dem Tageblatt. Er wolle prüfen, ob das Register noch zeitgemäß ist. „Ich könnte mir es ja leicht machen und mit dem Finger auf meine Vorgänger zeigen“, meint er. Aber er wolle keine Schuldzuweisung, es gehe ihm vielmehr um die Sache. Der zweite Zuständige, Justizminister Félix Braz, hüllt sich derweil in Schweigen: Das Tageblatt konnte ihn für eine Stellungnahme nicht erreichen.

Die Opposition macht überdies Druck. Sie fordert Aufklärung; sowohl im spezifischen Fall des jungen Mannes, der den Posten bei der Staatsanwaltschaft nicht erhielt, als auch bei der Frage nach der Existenz dieses Polizeiregisters. Die ADR erwägt sogar, eine parlamentarische Kontrollkommission einzusetzen.

J.C.KEMP
19. Juni 2019 - 13.41

Der andere Skandal ist, dass einige Register, die anonym geführt werden müsste, mit anderen verlinkt werden können, und wegen der geringen Anzahl von Datensätzen, die Anonymisierung de facto aufgehoben ist.

Jek Hyde
14. Juni 2019 - 16.13

De Justizminister an de Polizeiminister zesummen e staaaarekt Team. Oh my God wou geet et hin mat esou Politiker ... ?

Zahlen
14. Juni 2019 - 16.09

Ech huelen un, do kënnen d'Polizisten all Beschass aginn déi se wëllen, fir echt oder agebilte 'Géigner' ze schueden. Fiert ëmmer mat der Panz voll, ass Republikaner an net gutt op den Haff ze schwätzen, hunn en am Verdacht Drogen ze huelen asw. Stasi eben.

DanV
14. Juni 2019 - 11.28

Meines Erachtens wird mit der Diskussion über diese interne Datenbank an dem wirklichen Missstand vorbeigeredet. Es gibt in der Luxemburger Justiz und Exekutive eine Tendenz, Verdächtige automatisch zu Schuldigen zu erklären, nach dem Motto: wo Rauch ist, ist auch Feuer. Und es gibt einen zweiten Missstand: unvollständige Datenbanken. Ich nenne nur ein paar bekannte: Sterbeursachenregister, Krebsregister (das ja nun endlich seriöser geführt wird), medizinische Register, Verkehrsunfallregister, usw. Nun kommt dieses Polizeiregister dazu. Denn eigentlich ist die Existenz dieser Datenbank nicht das Problem, sondern dass Einträge, die keinen juristischen Wert haben und dazu noch lückenhaft sind, dazu benutzt werden, einen Kandidaten plötzlich zu einem Schuldigen machen. Das ist der echte Skandal.

Hubertus
13. Juni 2019 - 18.17

Und Justizminister Braz beschäftigt sich mit Militariasammlern ! Er sollte sich lieber um seine uniformierten Datensammler kümmern !! Ein Justitzminister ohne Jura-Abschluss ist wie ein Transportminister ohne Führerschein.

Kimihiko Masaki
13. Juni 2019 - 17.29

"Vertrau der Politik" hun se gesot.

Le républicain zu London
13. Juni 2019 - 16.05

Falls also diese Datenbank keine Rechtsgrundlage hat, dann kann man ja einen Strafanzeige machen, nur bei wem: der Polizei, der Polizeiminister ist da gefragt, bei der Staatsanwaltschaft der Justizminister ist da gefragt, also ein Witz, vielleicht muss man nach Straßburg gehen, um diesem Unsinn ein Ende zu machen.....

Nomi
13. Juni 2019 - 12.52

Hat frei'er mol ee Bekannten bei der Police . Deen huet och mol munsch skuriles aus der Police erzielt !

Grober J-P.
13. Juni 2019 - 10.51

Wenn das so ist, erinnert mich das an Stasi!

Grober J-P.
13. Juni 2019 - 10.51

Bemerkenswert, dass der Herr Vogel davon nichts wusste! Steht was drin über den Bommeléer?

collarini edouard
13. Juni 2019 - 10.34

ich kann davon ein Lied singen denn ein zivilangestellter der Polizei von Esch hat meinem Nacbar privates von mir erzählt was einer wissen kann der in meinen veschlüsselten akten die bei meinem früheren Arbeitgeber aufbewahrt werden ich habe daraufhin Klagen bei der Polizei gemacht undnmeinem Anwalt dies mitheteilt denn da hat einer groben amtsmissbrauch mit meinen daten gemacht was sehr schlimm ist