Das „Musée rural et artisanal“ in Peppingen: Wissen, wo der Bauer den Most holt

Das „Musée rural et artisanal“ in Peppingen: Wissen, wo der Bauer den Most holt

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Wer sich dafür interessiert, wie es sich im 19. Jahrhundert auf dem Land im Hause eines wohlhabenden Bauern lebte, der ist in Peppingen genau richtig. Es ist nicht die große Geschichte, die hier im Vordergrund steht, sondern die kleinen Geschichten des Alltags.

„Lee mol een Zant zou“: Den Ausdruck, mit dem man sein Gegenüber dazu auffordert, eine Tätigkeit schneller zu verrichten, kennt wohl jeder. Aber womöglich weiß nicht jeder, woher dieser eigentlich seinen Ursprung hat. Der Spruch war schon im Mittelalter bekannt und stammt von der mit Zacken versehenen Stange eines Kesselhakens, mit dem ein Kochtopf über dem Feuer hing. Einen Zahn zulegen hieß, den Kessel tiefer – also näher zum Feuer – zu hängen. Damit wurde der Kochvorgang beschleunigt. Eine solche Kochecke sieht man in dem Bauernhaus in Peppingen.

Dies ist nur eine der Geschichten, die der Direktionsbeauftragte des „Musée rural et artisanal“ in Peppingen, Percy Lallemang, seinen Besuchern zu erzählen weiß. Zu allen Aspekten des ländlichen Lebens und zu vielen ausgestellten Objekten kennt er eine Geschichte. So erzählt er den Besuchern, warum es in dem Haus, das offensichtlich einem wohlhabenderen Bauern gehörte, nur in den Schlafzimmern richtige Tapeten gibt und in den beiden Wohnzimmern – eines für sonntags („die gute Stube“) und eines für werktags – ein Muster mit einer Rolle einfach auf die Wand gemalt wurde. Erklärung: Eine richtige Tapete sei zu teuer gewesen; der Bauer habe bevorzugt, sein Geld in nützlichere Sachen zu investieren.

In dem 1999 eröffneten Museum erhält der Besucher in 23 Abteilungen einen Einblick in das Leben auf dem Land vergangener Jahrhunderte, z.B. dass einmal die Woche Brot gebacken wurde, dass das Eis in dem Eisschrank (dem Kühlschrank von damals) mindestens einmal pro Woche erneuert werden musste oder dass in der „guten Stube“ nur an Sonn- und Feiertagen gegessen wurde – oder dann, wenn Besuch da war. Auf dem Speicher stehen noch Utensilien zur Herstellung von Leinenkleidung – vom Riffeln der Leinsamen-Ähren bis zum Spinnen des Gewebes. Drei Schlafzimmer gibt es im Haus, davon eines für die Eltern und ein anderes für die zahlreichen Kinder. In einem Bett schliefen bis zu sechs Kinder. Ein drittes Zimmer wurde, wie früher üblich, vermietet.

Zu dem Leben auf dem Lande gehören ebenfalls Aspekte wie die Tiermedizin, die Jagd oder die Kirche. Für die Ausstellungsobjekte religiöser Volkskunst gebe es Pläne für ein gesondertes Museum, sagt Percy Lallemang. In dem Bauerngarten werden noch heute Gemüse und Gewürze angebaut, die entweder im Restaurant des Museums verarbeitet oder an eine „Epicerie sociale“ gegeben werden. Angegliedert an das „Musée rural“ sind das Kutschenmuseum Grande-Duchesse Charlotte und eine alte Schmiede, in der man den einzigen hydraulischen Schmiedehammer in Luxemburg sehen kann. Der letzte dieser Art war hierzulande bis 1932 in Rümelingen in Betrieb. Im „Genoeserbusch bei Peppingen wurde übrigens die größte mittelalterliche Ansammlung von Eisenhütten in Europa gefunden.

Das Museum bietet regelmäßig Workshops zu Themen wie Brotbacken, Textilkunst oder Feld- und Gartenarbeit an. Nähere Infos gibt es auf der Webseite www.musee-rural.lu.

roger wohlfart
16. August 2018 - 14.07

Sehr interessant! Eine begrüssenswerte Initiative. Habe schon einiger solcher Museen im Ausland besucht. Ein konkreter historischer Anschauungsunterricht, der Einblick in eine Vergangenheit gibt, in der unsere Gross- und Urgrosseltern lebten. Und wir stellen erstaunt fest, mit wie wenig unsere Vorfahren auskamen. So ein empfehlenswerter Besuch bietet Gelegenheit um zu entschleunigen, wenn auch nur für kurze Zeit.