Das explosive italienische Experiment

Das explosive italienische Experiment

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Eigentlich war das Projekt schon beerdigt: Nun könnte Italien doch noch die erste anti-europäische Regierung bekommen, die sich um politische Spielregeln wenig schert. Aber erst mal wird um den wichtigsten Posten geschachert.

Es ist ein noch nie da gewesenes Experiment, das im italienischen Labor derzeit vorbereitet wird. Ein Experiment, dessen Zutaten in letzter Sekunde gemischt werden. Ein Experiment auch für Europa: Zwei populistische Parteien mit vollkommen unterschiedlichem Profil raufen sich nun vermutlich doch noch zusammen und wollen gemeinsam an die Macht.

Die Chancen, dass Italien eine Regierung aus der fremdenfeindlichen Lega und der Fünf-Sterne-Protestbewegung bekommt, standen seit der Wahl vor rund zwei Monaten noch nie so gut – auch wenn noch unklar ist, wer überhaupt den Regierungschef machen soll.

Es ist ein ungleiches Paar, das da versucht, erstmals gemeinsame Sache zu machen. Auf der einen Seite der polternde Mailänder Matteo Salvini, der die Lega von einer Abspaltungsbewegung des reichen Nordens zu einer nationalen, fremdenfeindlichen Partei gemacht hat.

Auf der anderen Seite der „Softie“ aus einem Vorort von Neapel: Der erst 31-jährige Luigi Di Maio, der versucht, die Fünf-Sterne-Partei von einer „Leck-mich“-Anti-Establishment-Bewegung (so das Motto von Parteigründer Beppe Grillo) in eine gemäßigte Kraft vor allem für die ärmeren Italiener zu verwandeln. Und der die Bewegung, die die Revolte von unten und Demokratie via Internet propagiert, erstmals in eine nationale Regierung führen würde.

Spekuliert wird, dass ein dritter Kandidat den Posten des Premiers übernimmt, Salvini ins Innenministerium und Di Maio ins Außenamt zieht. Sollten sie es nun wirklich schaffen, ein Abkommen zu finden, droht weiter Ungemach. Gut möglich ist, dass das populistische Experiment am Ende in die Luft fliegt.

Denn die Lega muss ihre Anhängerschaft im Norden bedienen: Das sind vor allem kleinere und größere Unternehmer. Ihr Herzensprojekt ist daher die „Flat Tax“, die die Steuerlast in Italien drücken soll. Die Sterne hingegen sind die Partei des „abgehängten“ Südens. Ihre Wähler wollen nun das im Wahlkampf versprochene Mindesteinkommen für alle umgesetzt sehen.

Außenpolitisch hat sich die Lega unter Salvini mitten in der EU- und Flüchtlingskrise einen europa- und fremdenfeindlichen Anstrich gegeben. Arbeitsplätze zurück nach Italien holen, italienische Produkte für Italiener, Italien von den Brüssler Machthabern befreien: So seine Rhetorik. Er will einen Stopp aller Migrantenankünfte in Italien. Sollte er wirklich Innenminister werden, dann wird er beweisen müssen, dass er nicht nur Parolen auf Twitter kann, sondern auch regieren.

Die Fünf Sterne haben in Fragen der Migration hingegen überhaupt kein klares Profil, schließlich finden sich in der Bewegung auch traditionelle Linke, aber auch Rechtswähler. Europapolitisch lauern auch Fallstricke. Während Salvini auf Konfrontationskurs mit Brüssel ist, fuhr Di Maio zuletzt einen Schmusekurs. Ein Referendum über den Euro legte er zu den Akten – auch wenn Parteigründer Grillo erst letzte Woche ein solches wieder ins Gespräch brachte.

Doch ein Italien mit populistischer Regierung ist für viele eine bessere Option als ein Italien mit gar keiner Regierung, das sich in einen Strudel von Neuwahlen begibt. „Viele Investoren haben unmissverständlich klar gemacht, dass irgendeine Regierung – auch eine populistische – immer noch besser ist als ständig unklare Wahlen“, sagte Francesco Galietti von der Denkfabrik Policy Sonar.

Italien kann sich als hoch verschuldetes Land und Sorgenkind Europas kein politisches Theater erlauben. Fraglich ist jedoch, wie Lega und Sterne ihre vollmundigen Wahlversprechen von Steuererleichterungen und Mindesteinkommen auf dem riesigen Schuldenberg umsetzen wollen. Finanziellen Spielraum hat Italien nicht und wird von Brüssel streng bewacht.

Am Ende hofft einer auf das schnelle Ende der populistischen Ehe: Silvio Berlusconi. Der Ex-Ministerpräsident machte mit seinem überraschenden Rückzug die neuen Verhandlungen überhaupt erst möglich. Sollte die Regierung nicht aus der Taufe gehoben werden, sollte ihn niemand als „Alibi“ für das Scheitern benutzen, teilt er mit – und das nicht ohne List. Sollte eine Lega-Sterne-Regierung schon bald wieder kollabieren und im nächsten Jahr neu gewählt werden: Dann wäre Berlusconi zwar schon 82 Jahre alt, aber er dürfte nach einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung wieder kandidieren.

Norbert Muhlenbach
10. Mai 2018 - 18.51

Es gibt wenigstens eine Regierung. Es wird schon werden, einmal an der macht wird das Anti Geschrei schon weniger.

collarini edouard
10. Mai 2018 - 18.45

wenn Matteo Renzi seine Hausaufgaben gemacht hätte als er noch premier Minister war danngäbe es keine lega fïnf Sterne etc. denn er hat dsich einen kehrricht gescherrt was die Probleme des einfachen volkes sind deshalb bekommt er nun die Quittung Italien entwickelt sich immer mehr in ein drittwelt land für die armen leute Vox populi rächt sich für das versäumte

Peter Mutschke
10. Mai 2018 - 15.30

Dann geht Italien ganz den Bach hinunter.Die 'Leck mich'-Parolen eines Beppo Grillo und fremdenfeindliche Parolen mögen bei gewissen Schichten gut ankommen sind jedoch keine Antwort auf die Probleme des Landes.

Don Corleone
10. Mai 2018 - 15.14

" Nach seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung wieder kandidieren..." man glaubt es nicht. Das geht nur in Italien...