Damit kein Kind unbehütet aufwachsen muss, hilft SOS-Kinderdorf – seit (fast) 45 Jahren auch in Luxemburg

Damit kein Kind unbehütet aufwachsen muss, hilft SOS-Kinderdorf – seit (fast) 45 Jahren auch in Luxemburg

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am 10. Oktober 2019 feiert das Luxemburger SOS Kinderdorf („SOS Villages d’enfants“) sein 45. Jubiläum. Ein Jahr vor dem Stichdatum fand in Luxemburg der Start der Feierlichkeiten statt. Wir sprachen zu diesem Anlass mit der Direktorin von „SOS Villages d’enfants Luxemburg“, Sophie Glesener.

Von René Hoffmann

„Das Jubiläumsprogramm wird gut gefüllt sein“, beteuerte Sophie Glesener mit einem breiten Lächeln, als wir uns im Atelier des bekannten Luxemburger Künstlers Jacques Schneider in Luxemburg-Stadt treffen. Der sympathische Kunstschaffende entwarf extra für den Geburtstag eine T-Shirt-Kollektion. „Die Kleidungsstücke wurden nicht durch Kinderarbeit hergestellt. Zudem sind sie aus Bio-Baumwolle“, erklärt er.

Magali Maillot (2.v.l., mit ihren zwei Söhnen) reist regelmäßig in Länder,
wo SOS-Kinderdörfer angesiedelt sind

Die Träger der T-Shirts sollen zu Botschaftern der SOS-Kinderdörfer werden und helfen, die Werte der Organisation („home, village, solidarité, éducation“) zu verbreiten. Die Idee hierfür hatte seine Schwester.“Das Jubiläumsprogramm wird gut gefüllt sein“, beteuerte Sophie Glesener mit einem breiten Lächeln, als wir uns im Atelier des bekannten Luxemburger Künstlers Jacques Schneider in Luxemburg-Stadt trafen. Der symphatische Kunstschaffende entwarf extra für den Geburtstag eine T-Shirt-Kollektion.

„Die Kleidungsstücke wurden nicht durch Kinderarbeit hergestellt. Zudem sind sie aus Bio-Baumwolle“, erklärte er. Die Träger der T-Shirts sollen zu Botschaftern der SOS-Kinderdörfer werden und helfen, die Werte der Organisation („home, village, solidarité, éducation“) zu verbreiten. Die Idee hierfür hatte seine Schwester.“Der Verkaufspreis liegt bei 35 Euro. Die Herstellungskosten belaufen sich auf nur 10 Euro. 25 Euro werden also in die Kasse von SOS Villages d’enfants überwiesen“, so Schneider, der daran erinnert, dass man durch sein Konsumverhalten etwas zu einer besseren Welt beitragen kann. „Es muss ein Umdenken stattfinden.

Das ist auch im Interesse der Kinder, denn die Armut ist oft der Grund für ihre Misere“, so der Künstler. Kaufen kann man die Jubiläums-T-Shirts auf der Internetseite von „SOS Villages d’enfants“ und in der Kritzelfabrik (3, rue Jean Origer in Luxemburg-Stadt).“Es ist eine lockere und moderne Art und Weise, auf die Bedürfnisse der Kinder hinzuweisen“, ergänzt Sophie Glesener und erklärt weiter: „Das ganze Jahr über soll informiert und sensibilisiert werden. Es werden viele Aktionen und Events stattfinden.“So ist am 13. Dezember ein großes Weihnachtskonzert in der hauptstädtischen Philharmonie mit dem Philharmonischen Orchester Luxemburgs geplant. Das großherzogliche Paar hätte seine Anwesenheit bereits angekündigt, so die sichtlich stolze Direktorin.

Die NGO ist überall dort aktiv, wo Armut und Kinder in Not sind.

Ein anderes Highlight dürfte das Benefizkonzert mit dem bekannten Luxemburger Komponisten Pascal Schumacher sein. Er ist Luxemburgs SOS-Kinderdorf-Botschafter (siehe Extra).

Zur Autonomie erziehen

„An Arbeit fehlt es uns auf jeden Fall nicht“, erläutert Sophie Glesener mit einem Schmunzeln. Und betont anschließend, dass der Großteil dieser Arbeit jedoch von den „Helfern“ in den Kinderdörfern geleistet wird. Bei ihren Reisen in die Zielländer der Luxemburger Hilfe habe sie teilweise dramatische Szenen erlebt, „die auch Jahre danach noch an einem nagen und eine entschlossene Reaktion notwendig machen“.

Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen hier immer die Kinder, die aus dem Elend befreit werden und in den Dörfern zu autonomen Erwachsenen „erzogen“ werden.Viel Wert legen die Luxemburger Verantwortlichen der Kinderdörfer aber auch auf die sogenannten „Programmes communautaires“, bei denen Familien, ja ganze Dörfer betreut und begleitet werden. Auch hier liegt der Fokus stets auf dem Wohlergehen und der Zukunft der Kinder. „Das Ziel der Aktionen ist es, die Autonomie der Leute zu verbessern. Sie sollen lernen, alleine für sich und ihre Familien zu sorgen. Parallel führen wir den Kampf gegen u.a. die Kinderarbeit und gezwungene Hochzeiten mit Minderjährigen weiter“, erklärt die Direktorin, macht dabei aber eine besorgte Miene.Als wir sie darauf ansprechen, sagt sie, dass dies leider ein ewiger Kampf sei. Die SOS-Kinderdörfer würden den Akzent auf vier Punkte setzen, egal wo die Organisation aktiv sei: der Kampf gegen Gewalt, gegen Ausbeutung, gegen sexuelle Übergriffe und gegen Vernachlässigung.

„Kein Kind soll unbehütet aufwachsen“, erläutert Sophie Glesener mit Nachdruck.“Die Tatsache, dass wir seit vielen Jahren in vielen Ländern, quer über den Globus, aktiv sind, vereinfacht unsere Arbeit. Man weiß, dass uns nur das Wohl der Kinder am Herzen liegt und wir uns nicht in einen etwaigen Konflikt einmischen“, erörtert Sophie Glesener anschließend und nickt, um dieser Aussage von Neutralität und Unabhängigkeit mehr Gewicht zu verleihen.Die Luxemburger Filiale der NGO arbeitet eng mit der Regierung zusammen. Diese Kooperation sieht regelmäßige Besuche in den Zielländern vor. Zwei Mitarbeiter der Organisation machen so zwei bis vier Reisen im Jahr.

Sie sind etwa 70 Tage unterwegs, so die Direktorin, die selbst mindestens zweimal im Jahr „auf dem Terrain“ ist, das letzte Mal vor erst ein paar Wochen, als sie einige Tage in den Senegal reiste. Aber nicht nur die Mitarbeiter von „SOS Villages d’enfants“ sind viel unterwegs. Auch die Paten und Patinnen sitzen öfters im Flugzeug, um „ihre“ Kinder zu besuchen.Im Großherzogtum gibt es etwa 4.800 solcher Paten, rechnet Sophie Glesener stolz vor. Dabei gibt es mehrere Formen: Durch die Überweisung von 20 Euro monatlich kann man Pate eines Dorfes werden. Für 30 Euro kann man Pate eines einzelnen Kindes werden. Man wird dann regelmäßig über die Entwicklung des Kindes auf dem Laufenden gehalten. „In der Regel wird es bis zum Erwachsenenalter unterstützt“, so Glesener. Und aus genau diesem Grund sei die Hilfe der Spender wichtig.

Sie gebe den Empfängern eine Perspektive, eine Zukunft.Durch die Solidarität der Geldgeber und dem Engagement wurde bereits vielen Kindern auf der ganzen Welt geholfen. „Wir sind auf einem guten Weg, dürfen bei unseren Anstrengungen aber nicht nachlassen“, so Glesener. Denn einen Traum haben die Verantwortlichen der SOS-Kinderdörfer, egal ob im Ausland oder in Luxemburg noch: Einmal Friedensnobelpreisträger sein. Die Organisation war bereits 14-mal nominiert, schaffte es aber bislang nicht, den prestigeträchtigen Preis zu gewinnen. „Es wird Zeit, dass das langjährige Engagement endlich belohnt wird“, insistiert die Chefin der Luxemburger Filiale der NGO.


In Luxemburg

SOS-Kinderdorf ist seit Mitte der 1960er Jahre in Luxemburg tätig, um Kindern in Not zu helfen. Der Gründervater hierzulande heißt Marcel Nilles. Die ersten Kinder ohne elterliche Fürsorge bezogen im Jahr 1968 ihr neues Zuhause. Das SOS-Kinderdorf bietet in Luxemburg eine ganze Reihe von Programmen an. So können die Kinder in Kindertagesstätten betreut werden, wenn die Eltern arbeiten oder an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen. Die SOS-Sozialzentren bieten Familien Unterstützung in Krisensituationen an. Das Ziel ist hier immer, dass die Kinder bei ihren Eltern bleiben können. Wenn Familien aber nicht mehr für den Nachwuchs sorgen können, springen sogenannte SOS-Familien in die Bresche.

Junge Menschen indes werden auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit in speziellen Unterkünften von ausgebildeten Fachkräften betreut. Sie haben auch die Möglichkeit, das SOS-Berufsbildungszentrum zu besuchen. Im Jahr 1974 wurde der Förderverein SOS-Interfonds asbl. (heute „SOS Villages d’enfants monde asbl. Luxembourg“) gegründet.
Insgesamt werden hierzulande etwa 100 Kinder und Jugendliche Tag und Nacht in SOS-Kinderdorf-Familien, Kinder-/Jugendwohngruppen und Jugendeinrichtungen betreut. Außerdem begleitet „SOS Villages d’enfants Luxembourg“ ungefähr 200 Kinder oder Familien in ambulanten Projekten.

Diese Hilfe ist nur möglich durch die Spenden. Im letzten Jahr wurden über sechs Millionen Euro gesammelt. Tendenz steigend. Mit dem Geld wurden 24 Projekte in 14 Ländern unterstützt und insgesamt 20.000 Menschen wurde geholfen. Etwa ein Dutzend Personen sind im Büro von „SOS Villages d’enfants Luxembourg“ angestellt. Im einzigen Kinderdorf des Landes, in Mersch, arbeiten indes zwischen 200 und 300 Menschen.


EXTRA: „Eine gute Gelegenheit zur Selbstreflexion“

Pascal Schumacher ist ein bekannter Musiker – und Luxemburger Botschafter der SOS-Kinderdörfer. „Es gab zwei Momente, die mich überzeugt haben, diese Aufgabe anzunehmen“, sagt der 39-Jährige. „Hier in Luxemburg ist man sich oft nicht bewusst, wie gut es einem eigentlich geht. Wenn man jung ist, denkt man nicht daran, dass es auch Menschen und insbesondere Kinder gibt, die arm sind, unter Gewalt leiden usw. Auch ich habe dieses Bewusstsein erst im Erwachsenenalter bekommen und wollte etwas zu einer besseren Welt beitragen.“

Die Chefin der Luxemburger SOS-Kinderdörfer, Sophie Kieffer, spielte aber auch eine Rolle bei der Entscheidung. „Ich kannte sie von meinen Konzerten her. Eines Tages lud sie mich in ihr Büro ein. Dort hingen überall Fotos von Kindern der SOS-Kinderdörfer. Ich war überrascht und beeindruckt von der Freude und dem Glück, die diese Kleinen auf den Bildern ausstrahlten. Zu jeder Aufnahme wurde eine Geschichte erzählt. Da bin ich dahingeschmolzen und konnte nicht anders, als die Einladungen von Sophie anzunehmen, Botschafter der Organisation zu werden“, erzählt der Komponist.

Er stellt als Botschafter sein Gesicht und seinen Namen der Organisation für Werbezwecke zur Verfügung. Auch werden bei seinen Konzerten Spenden für das Hilfsnetzwerk gesammelt. Aber auch seine Anwesenheit vor Ort, in den Zielländern von SOS Villages d’enfants, sei wichtig, so Schumacher. „Durch unsere Präsenz würdigen wir die Arbeit der Leute vor Ort und zeigen der Bevölkerung, dass sie uns nicht egal ist. Unser Besuch im Senegal war meine erste Reise als Botschafter. Es war für die Kinder ein Highlight. Ich habe aber leider auch gemerkt, dass in den SOS-Kinderdörfern nur einem ganz kleinen Teil der Notleidenden geholfen werden kann. Deshalb begrüße ich die Projekte der NGO, die als Ziel haben, ganzen Dörfern oder Regionen zu helfen“, verrät der Luxemburger Bandleader. Die Reise sei überdies eine gute Gelegenheit zur Selbstreflexion gewesen. „Wenn man die Not sieht und entdeckt, dass die Menschen trotzdem zufrieden sind, wird man bescheiden und weiß plötzlich wieder, wo man steht.“

In diesem Zusammenhang unterstützt er auch das luxemburgische SOS-Kinderdorf in Mersch. „Die soziale und wirtschaftliche Lage ist hierzulande eine andere. Aber auch hier gibt es Kinder in Not, denen unbedingt geholfen werden muss“, unterstreicht der Botschafter. Er schließt auch weitere Besuche in SOS-Kinderdörfern nicht aus. „Der Terminkalender muss es aber zulassen, und das ist nicht immer einfach“, lacht der Jazz-Vibrafonist.


„Es ist eine Herzensangelegenheit“

Magali Maillot ist Patin. Schon vor zwölf Jahren wurde sie, damals gemeinsam mit ihren Arbeitskollegen von „Lombard Assurances“, Patin der kleinen Renata aus Kolumbien. Vor sechs Jahren, als sie die Firma verließ, nahm sie die Patenschaft sozusagen einfach mit. „Wir wollten damals etwas Gutes tun und entschieden uns in diesem Zusammenhang für ‚SOS Villages d’enfants‘, weil die Vereinigung eine lange Tradition und einen guten Ruf hat“, erklärt Magali Maillot.

Inzwischen ist das Mädchen eine erwachsene Frau und braucht keine Unterstützung mehr. Von der Arbeit der SOS-Kinderdörfer aber überzeugt, akzeptierte die zweifache Mutter eine neue Patenschaft, dieses Mal in Ekuador.

„Es ist eine Herzensangelegenheit. Hippolito ist inzwischen 15 und im selben Jahr und Monat geboren wie mein ältester Sohn“, so die Personalchefin von Allen & Overy, die noch einen elfjährigen Sohn hat.

Neben Hippolito unterstützt Magali Maillot auch die dreijährige Angèle aus Bali (Indonesien). Eine vierte Patenschaft schließt sie nicht aus. „Die Kinder werden erwachsen und brauchen nach einiger Zeit unsere Unterstützung nicht mehr. Dann wird es Zeit, einem weiteren Menschen zu helfen.“

Ihre Patenkinder besucht hat die Französin, die seit 18 Jahren in Luxemburg lebt und arbeitet, ebenfalls. „Meine Kinder und ich machen gerne Fernreisen. Deshalb kam die Frage auf: ‚Warum nicht dorthin, wo meine Patenkinder sind, und in Länder, wo sich SOS-Kinderdörfer befinden?“ Sie hat schon mehrmals u.a. die Hilfseinrichtungen in Bali und Sri Lanka besichtigt – und war immer überrascht von den stabilen Verhältnissen, die dort herrschen. „Die Kinder und Jugendlichen wachsen dort wirklich behütet auf. Im Dorf gibt es eine Kinderdorfmutter. Die Kinder hängen an der Frau und bauen eine langfristige emotionale Bindung zu ihr auf, ebenso wie zu ihren ‚Geschwistern‘ im Dorf. Hier gibt es viel Liebe und Zärtlichkeit, etwas, das die Kinder woanders häufig nicht bekommen haben und auch nicht bekommen würden.“

Eine enge Bindung zu den Paten und Patinnen sei aber nicht erwünscht, auch wenn ein regelmäßiger Kontakt besteht und die Paten mindestens zweimal im Jahr über die Entwicklung des Kindes informiert werden. „Eine zu intensive emotionale Bindung erschwert laut Verantwortlichen der SOS-Kinderdörfer die Entwicklung des Kindes zu einem verantwortungsvollen, autonomen Erwachsenen“, erörtert Magali Maillot.

DanV
16. November 2018 - 11.07

@ Jak Waisenkinder wird es leider immer geben, in reichen wie in armen Ländern. Es gibt ja auch ein Kannerduerf in Luxemburg. Und die Ursachen sind hier wie im Ausland so breitgefächert, dass es sinnvoller ist, gleich den Kindern zu helfen (Unfall, Krankheit, schwierige Verhältnisse, ...),

Jak
15. November 2018 - 22.58

Respekt für ihre Arbeit.Aber sie bekämpfen die Folgen,nicht die Ursachen.