Claude Turmes: „Die Politik der kleinen Schritte hat Hulot nicht gereicht“

Claude Turmes: „Die Politik der kleinen Schritte hat Hulot nicht gereicht“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Claude Turmes nimmt Stellung zum Rücktritt des französischen Umweltministers Nicolas Hulot. Der Grünen-Politiker spricht vom mühsamen Kampf gegen Lobbyisten und von einer zugeknallten Tür nach einem Abendessen mit Macron und einem unerwarteten Gast.

Tageblatt: Der Rücktritt Nicolas Hulots hat nicht nur viele Franzosen überrascht. Bedeutet dieser Schritt auch einen Rückschlag für die europäische Umweltpolitik?

Claude Turmes: Nicolas Hulot ist vor allem in Frankreich bekannt. In Deutschland zum Beispiel kennt ihn kaum jemand. Persönlich habe ich Hulot bereits vor Jahren über Daniel Cohn-Bendit kennengelernt. Auf europäischer Ebene war Hulot für mich ein großer Verbündeter im Kampf um das neue Europäische Klimagesetz und damit für eine progressive europäische Umweltpolitik.

Frankreich hat sich international – auch als Gegenpol zu Trumps USA – als Verfechter des Klima- und Umweltschutzes dargestellt. Nun tritt der Ressortminister zurück mit der Begründung, es sei nicht möglich gewesen, die eigenen Vorstellungen zu verwirklichen.

War das also alles nur Fassade von Emmanuel Macrons Politik?

Da muss man abwarten und schauen, wen Macron zu Hulots Nachfolger macht. Es könnte ja ein anderer Grüner werden. Nach meinen Informationen ist Pascal Canfin im Gespräch, was eine gute Wahl wäre (Canfin war von 2009 bis 2012 Mitglied des Europäischen Parlaments und in der Regierung Ayrault beigeordneter Minister für Entwicklung, Anm. d. Red.). Kommt es so, wäre es zu früh, vom Ende der französischen Klimaschutzpolitik zu reden.

Aber Frankreichs Nuklearpolitik wird doch auch Ihnen ein Dorn im Auge bleiben, oder?

Der Dissens, was die französische Nuklearpolitik angeht, bleibt bestehen, ja. Das war ja auch einer der Punkte, die Hulot zum Rücktritt bewogen haben – und der uns Luxemburger wegen Cattenom besonders betrifft. Wobei aber noch nicht klar ist, ob Frankreich noch einmal neu in die Atomkraft investieren wird. Wie gesagt, da müssen wir erst einmal abwarten und schauen, wer sein Nachfolger wird.

Wissen Sie Näheres über die genauen Gründe für Hulots jetzigen, spontanen Rücktritt?

Meinen Informationen zufolge ist ein Arbeitsessen mit Macron am Montagabend extrem schlecht verlaufen. Hulot soll wütend gewesen sein und habe deswegen die Tür hinter sich zugeschlagen. Grund soll die Präsenz des und Zugeständnisse an den Cheflobbyisten des französischen Jägerverbandes gewesen sein, die mit Hulot wohl nicht abgesprochen waren. Der Rücktritt Hulots am Dienstagmorgen kam dann so überraschend, dass nicht einmal seine Kabinettsmitglieder eingeweiht waren.

Das kann aber kaum alles gewesen sein …

Nein, die Politik der kleinen Schritte hat Hulot nicht gereicht. Sein Präsident hatte ihm mehrmals Zusagen gegeben, die dann aber nicht eingehalten wurden. Das misslungene Abendessen, wo sich offensichtlich wieder einmal eine Lobby – in diesem Fall die der Jäger – durchsetzen konnte, muss das Fass zum Überlaufen gebracht haben.

Der Einfluss der Lobbyisten hat die Arbeit eines französischen Umweltministers also so unmöglich gemacht, dass dieser 14 Monate nach seiner Amtsübernahme hinschmeißt?

Wie ich das sehe, sind die meisten Bürger, was das Verständnis für die Dringlichkeit eines umfassenden Umwelt- und Klimaschutzes angeht, weiter als die Politiker. Der Grund dafür ist ein ganz einfacher: Es sind die Lobbyisten, die die Politiker in eine andere Richtung bearbeiten. Das geht mir ja nicht anders, ich sehe das bei meiner täglichen politischen Arbeit: Wenn ich für erneuerbare Energien eintrete, habe ich die Gas- und Ölmultis am Hals, wenn ich mich gegen Glyphosat wehre, habe ich es gleich mit Monsanto zu tun. Im Endeffekt stellt sich aber immer die Frage, was wichtiger ist – das Allgemeininteresse oder die Einzelinteressen verschiedener Industriezweige. Und leider lässt sich an vielen politischen Entscheidungen der Einfluss der Wirtschaftslobbyisten auf die Politik nachzeichnen. Das ist eine der grundlegenden Auseinandersetzungen in der Politik. Und Hulot scheint jetzt seine persönlichen Konsequenzen aus diesem Kampf gezogen haben.

Ist der Kampf für Umweltschutz damit ein Kampf auf verlorenem Posten?

Nein, man kann ebenso gewinnen. Dafür aber brauchen wir auch die Presse, die Lobby-Aktivitäten ans Licht bringt.

roger wohlfart
29. August 2018 - 19.10

Langer Rede, kurzer Sinn, Hulot ist ein echter Grüner, mit Leib und Seele. Er ist ein glaubwürdiger Kämpfer für die Umwelt und den Erhalt der Artenvielfalt. " C'est un homme du terrain ". Kein Technokrat oder Bürokrat. Übrigens ist mit der Politik der kleinen Schritte und der faulen Kompromisse der stark gefährdeten Umwelt nicht gedient. Die Zeit der grossen Sprüche dürfte endgültig vorbei sein! Aber das ist wohl Wunschdenken.

mobilité zéro
28. August 2018 - 22.03

Mag ja sein, dass Hulot ökologische Ziele umsetzen wollte, aber nur für die anderen, nicht für sich. Er besitzt 6 Autos, ein Motorboot, eine Luxusvilla und erstickt im Geld. Von seinen 6 Autos ist keines, (null,zéro, 0) ein Elektroauto. Diese Weinsäufer, die Wasser predigen... Ein Showman, wie er im Buche steht.