CGDIS-Generaldirektor Paul Schroeder im Interview (Teil 2): Der Tornado als Feuertaufe

CGDIS-Generaldirektor Paul Schroeder im Interview (Teil 2): Der Tornado als Feuertaufe

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Seit dem 1. Juli 2018 ist das „Centre grand-ducal d’incendie et de secours“ (CGDIS) im Einsatz. Der Großeinsatz nach dem Tornado am 9. August war der bisher größte gemeinsame Einsatz, seit es das CGDIS gibt. Im zweiten Teil des Interviews mit dem Tageblatt erzählt Generaldirektor Paul Schroeder, wie die Tornado- Katastrophe bewältigt wurde und was die nächsten Schritte des CGDIS sind.

Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews. Darin geht Generaldirektor Paul Schroeder auf die anfänglichen Unzufriedenheiten innerhalb des CGDIS ein und schildert, wie diese sich entwickelt haben.

Tageblatt: Der Tornado war der größte und auch der längste Einsatz, seit es das CGDIS gibt. Wie sah es an dem Tag in der Notrufzentrale aus?

Paul Schroeder: Es ist kaum vorstellbar, was in einer solchen Situation beim 112, also in der Notrufzentrale, los ist. Während und nach dem Tornado gingen in den ersten drei Stunden 1.000 Anrufe ein – die Telefone sind regelrecht heißgelaufen. Am Anfang war es sehr schwer, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Über das Internet, die sozialen Medien und die Presseorgane haben wir neben den ganzen Anrufen sehr viele Eindrücke bekommen, die wir einordnen mussten. In der Zentrale mussten wir zuerst auf die Rückmeldungen der Einsatzkräfte vor Ort warten. Bis wir einen guten Überblick über die Situation hatten, sind drei Stunden vergangen.

Gibt es Neuerungen in der Notrufzentrale, die beim Tornado-Einsatz angewandt wurden?

Wir haben zwei neue Dinge beim 112 eingeführt. Einerseits das „Centre de gestion des opérations“, kurz CGO, ich nenne das immer das Back-Office der Einsatzcrew. Bei so einem großen Einsatz ist dessen Aufgabe, sich einen Überblick zu verschaffen, die Situation zu beschreiben, die nötigen Materialien und das gebrauchte Personal zu mobilisieren und dem Einsatzleiter dabei zu helfen, vor Ort die richtigen Prioritäten zu setzen. In dem Raum arbeiten ein Dutzend Helfer. Braucht der Einsatzleiter mehr Leitern, besorgt das CGO sie für ihn. Früher musste sich der Einsatzleiter selbst darum kümmern. Der 112 war damals nur eine Alarmstelle, die den Einsatzkräften Bescheid sagte.

Was war die zweite Neuerung?

Die zweite Neuerung, die hier zum Einsatz kam, war die sogenannte „Salle de débordement“. Sie können sich vorstellen, dass 1.000 Anrufe in drei Stunden – also ein Anruf alle 10 Sekunden – nicht von fünf Personen in der Notrufzentrale entgegengenommen werden können. Gibt es Unwetterwarnungen, wissen wir, dass es zu vermehrten Anrufen kommen kann, und bereiten die „Salle de débordement“ vor. Dabei handelt es sich um einen Raum mit 25 Telefonen. Wir bitten Mitarbeiter und Freiwillige darum, mitzuhelfen. Sie halten sich dann bereit, um Anrufe entgegenzunehmen. Alle Informationen, die zum Tornado reinkommen, werden von ihnen gesammelt, ins Einsatzleitsystem eingetragen und an den Einsatzleiter vor Ort sowie das CGO weitergeleitet.

Was war mit den Anrufen, die nichts mit dem Tornado zu tun hatten?

Im Rest des Landes ging das Leben ja weiter. Hätte also beispielsweise eine Frau aus Diekirch angerufen, deren Mann einen Herzinfarkt hat, wäre der Anruf sofort an eine der fünf Personen in der Notrufzentrale weitergeleitet worden. Von da aus wäre ein Rettungswagen losgeschickt worden. Der Fall wird dann behandelt wie ein normaler Notruf zu einer normalen Zeit. Bevor der CGDIS in Kraft getreten ist, wäre ein solcher Anruf in einer ähnlichen Situation untergegangen. Die Frau hätte minutenlang warten müssen. Durch die „Salle de débordement“ konnte die Wartezeit deutlich verringert werden.

Wie hätte der Rettungseinsatz nach dem Tornado ohne CGDIS ausgesehen?

Ohne CGDIS hätte es auch geklappt, ohne Frage. Ein wichtiger Punkt ist aber: Wenn wir vorher eine Einheit geschickt haben, ist die komplett zum Einsatz gefahren. An dem anderen Ort war dann niemand mehr. Ohne CGDIS wäre während des Tornado-Einsatzes also niemand mehr in Esch gewesen, alle Zentren im Süden wären leer gewesen, weil jeder in Petingen und Bascharage gewesen wären. Das ist inzwischen anders. Ein Teil des Teams bleibt vor Ort und hält die Stellung, falls etwas anderes passiert. Vor der Schaffung des CGDIS wären die Rettungskräfte zudem deutlich länger im Einsatz gewesen. Sie wären erst nach Hause geschickt worden, wenn alles erledigt gewesen wäre. Jetzt haben wir darauf geachtet, die Teams im Acht-Stunden-Rhythmus auszutauschen.

Haben Sie beim Tornado Dinge festgestellt, die noch verbessert werden müssen?

Das Zusammenspiel zwischen der Gemeindeverwaltung und dem CGDIS hat in den ersten Stunden nicht so gut funktioniert. Die beiden Einheiten haben am Anfang etwas nebeneinander statt zusammengearbeitet. Die Gewohnheit ist natürlich auch nicht da – und ich hoffe, wir kriegen diese Gewohnheit nie. Für die Zukunft werden wir jedoch einen besseren Plan mit den Gemeinden ausarbeiten, wie lokale Krisenzellen in Zusammenarbeit mit dem CGDIS aussehen könnten.

Wie weit sind eigentlich die Konventionen für Materialien wie Löschfahrzeuge und Leitern zwischen CGDIS und den einzelnen Gemeinden vorangeschritten?

Im Gesetz steht geschrieben, dass die Gemeinden uns die Materialien zur Verfügung stellen. Dazu wird eine Konvention mit den Kommunen ausgearbeitet, in denen festgelegt wird, was sie dem CGDIS übergeben. Da gibt es an sich keine Probleme, weil die Gemeinden meistens keine Verwendung für die Fahrzeuge haben. Wir haben zwei Jahre Zeit, diese Konventionen umzusetzen – davon ist inzwischen eins vorbei. Dieses haben wir genutzt, um die „Réglements grand-ducaux“ diesbezüglich fertigzustellen und eine „Convention type“ auszuarbeiten, die auch schon vom Verwaltungsrat angenommen wurde.
Unterschrieben und unter Dach und Fach ist bisher allerdings nur eine, und zwar die mit der Stadt Luxemburg. Damit haben wir bewusst angefangen, weil es das größte Zentrum im Land ist.

Wir haben die meisten Fragen, die sich stellen können, vorgefunden. Dadurch haben wir Erfahrungen gesammelt, die wir nutzen können, wenn wir zu den anderen Gemeinden gehen. Unsere Zonen-Chefs sind jetzt dabei, Kontakt mit diesen aufzunehmen. Das nächste Jahr wird sportlich, wenn wir diese Konventionen alle durchbekommen wollen. Die ersten Rückmeldungen sind jedoch positiv und ich denke, wir werden das hinkriegen.

Welche Schritte stehen jetzt noch an?

Auf politischer Seite muss der „Plan national des organisations de secours“ fertiggestellt werden. Darin definieren wir, wo es welche Risiken gibt und wo welches Material und Personal gebraucht wird, um diese Risiken abzudecken. Dieses politische Dokument wird unter der Führung von Innenministerin Taina Bofferding ausgearbeitet. Hierzu wird auch ein Austausch mit den Gemeinden stattfinden. Das Dokument soll bis zum Ende des Jahres fertig sein, damit die Diskussionen beginnen können. Ein weiteres großes Projekt ist es, die Informatik abzuschließen. Das sogenannte „Portail CGDIS“, wo der Freiwillige später auf einer Plattform Zugang zu allen relevanten Informationen hat. Unser Ziel ist es, alle Zentren des Landes schnellstmöglich in dieses Portal zu integrieren.

Dann steht noch ein großer Umzug bevor.

Genau. Die Arbeiten am „Centre national de l’incendie et de secours“ am Kreisverkehr Gluck schreiten im Moment so voran, wie es geplant ist. Wir gehen davon aus, dass Ende 2020 die ersten Abteilungen umziehen können. Dort werden die Direktion des CGDIS, die Feuerwehr der Stadt Luxemburg, die Feuerwehrschule sowie die Notrufzentrale einziehen. Der Umzug wird in verschiedenen Phasen ablaufen. Zuerst wird die Direktion umziehen, weil das Gebäude, in dem wir jetzt sind, nur gemietet ist und dessen Abriss bereits geplant ist. Der Schulbetrieb wird dann wechseln, später die Kaserne des „CIS Lëtzebuerg“ und am Ende die Notrufzentrale. Beim 112 muss vor dem Umzug alles minutiös funktionieren, es darf keine Sekunde eine Unterbrechung geben. Nachdem alles getestet wurde, wird in der rue Robert Stümper alles abgeschaltet und gleichzeitig im neuen Gebäude alles eingeschaltet, damit das nahtlos übergeht und jeder Anruf angenommen werden kann.