Brexit: In der EU wird am vorliegenden Austrittsabkommen festgehalten

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Nach dem „Nein“ zum Brexit-Deal hat Brüssel die Briten aufgefordert, eine Alternative vorzulegen. Dabei hat die EU selbst keinen Plan. Kommissionschef Juncker will einfach am gescheiterten Abkommen festhalten.

Von unserem Korrespondenten Eric Bonse

Der Brexit-Deal ist tot, hoch lebe der Brexit-Deal: Nach dem überraschend klaren Scheitern des EU-Austrittsvertrags im britischen Unterhaus fällt es den Europäern schwer, sich auf die neue Lage einzustellen. Es dauerte zwar nur wenige Minuten, bis die ersten offiziellen EU-Reaktionen auf das Abstimmungs-Debakel eingingen. „Ich nehme das Ergebnis bedauernd zu Kenntnis“, erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wie aus der Pistole geschossen. „Wenn ein Deal unmöglich ist, und niemand einen No-Deal will, dann muss endlich einer den Mut haben zu sagen, was die Lösung wäre“, twitterte Ratspräsident Donald Tusk in Windeseile. Der Ball liegt im britischen Feld, so die unmissverständliche Botschaft.

Doch was die krachende Abstimmungsniederlage für die EU bedeutet und wie es nun weitergeht, blieb auch am Tag nach der historischen Entscheidung offen. Nach Gründen für die lahme Reaktion muss man nicht lange suchen: Die Europäer sind ratlos und wütend. Zwei Jahre nach Beginn der Verhandlungen mit der britischen Premierministerin Theresa May wissen sie immer noch nicht, woran sie sind. Am prägnantesten fasste es Liberalen-Chef Guy Verhofstadt zusammen. „Das britische Parlament hat gesagt, was es nicht will. Jetzt ist es höchste Zeit zu klären, was die britischen Abgeordneten wirklich wollen.“ In dasselbe Horn stieß der konservative Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber: „Bitte, bitte, bitte sagt uns endlich, was ihr erreichen wollt“, flehte der EVP-Politiker.

Juncker: „Der Deal wird nicht aufgeschnürt“

Die Lösung liegt in London – da sind sich alle einig. Doch schon bei der Frage, ob der Scheidungsvertrag durch das britische „No“ hinfällig geworden ist, oder ob der Deal weiter gilt, gehen die Meinungen auseinander. Das Europaparlament will die Ratifizierung fortsetzen, als wenn nichts geschehen wäre. Der Brexit-Deal werde nicht geändert, erklärte der EVP-Abgeordnete Elmar Brok. Auch Kommissionschef Juncker hält am „bestmöglichen Deal“ fest. Man habe „enorme Zeit und Mühe“ in die Verhandlungen gesteckt und sei nicht bereit, wieder von vorn anzufangen. „Der Deal wird nicht aufgeschnürt“, betonte Junckers Sprecher. Doch ausgerechnet bei Chefunterhändler Michel Barnier klang es am gestrigen Mittwoch etwas anders.

Der Franzose ließ durchblicken, dass die EU doch zu Nachbesserungen bereit sein könnte, zumindest bei der „Politischen Erklärung“ über die künftigen Beziehungen. Voraussetzung sei aber, dass die Briten ihre „roten Linien“ ändern würden, sagte Barnier. Außerdem müsse eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindert werden.

Späteres Austrittsdatum juristisch und technisch möglich

Damit beharrte Barnier in einem zentralen Streitpunkt auf der EU-Position – dem sogenannten Backstop. Neue Töne kamen dagegen aus Frankreich. Eine Verschiebung des offiziellen Brexit-Datums am 29. März sei „juristisch und technisch möglich“, sagte Europaministerin Nathalie Loiseau. Allerdings müsse dazu eine entsprechende Anfrage aus London kommen – und die liege noch nicht vor. Gleichwohl rechnet man in Paris damit, dass die Briten nachverhandeln und dann erneut im Parlament abstimmen wollen.

Damit es zu einer Verlängerung kommt, müssten allerdings alle 27 EU-Staaten einer Verschiebung des Brexit-Termins zustimmen. Denkbar sei dies nur, wenn es Neuwahlen in Großbritannien gebe oder ein zweites BrexitReferendum angesetzt werde, meint EVP-Parlamentarier Brok. Doch selbst dann ist nicht klar, ob es grünes Licht aus Brüssel geben wird. Schließlich würden neue Wahlen oder Abstimmungen die Unsicherheit weiter erhöhen.
Und so wartet man weiter ab. „Wait and see“ ist das neue, sehr britische Motto in Brüssel. In der Zwischenzeit wurden alle Mitgliedstaaten aufgefordert, sich mehr denn je auf einen „harten Brexit“ vorzubereiten. Das Risiko eines Brexits ohne EU-Abkommen sei „so hoch wie nie“, warnte Barnier. Eine Krisensitzung wurde deshalb aber nicht einberufen. Auch die Vorbereitung auf den „Worst Case“ hat keine Eile.