Ziehen Banker in Luxemburgs Rotlichtbezirk?

Ziehen Banker in Luxemburgs Rotlichtbezirk?
Ein luxuriöses Projekt namens „Soho“ entsteht in der Umgebung der rue de Strasbourg. Foto: Bloomberg

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Das Großherzogtum wirbt – ebenso wie Frankfurt oder Paris – um Firmen aus dem Finanzsektor, die nach dem Brexit einen Sitz auf dem Kontinent anstreben. Mit ihnen werden Scharen von Mitarbeitern erwartet, die auf den Wohnungsmarkt drängen. Doch bezahlbare Wohnungen und Häuser sind rar. Selbst relativ bescheidene Familienhäuser kosten bereits mehr als eine Million Euro. Daher geraten nun auch Gegenden ins Visier der Immobilienentwickler und Makler, die kein gutes Ansehen haben.

„In diesen Tagen werden alle Viertel in Luxemburg in Betracht gezogen“, sagt Julien Pillot von der Immobilienagentur Inowai. Das schließt den zwielichtigen Bereich der Stadt ein, der im Volksmund die Antwort der Stadt auf die New Yorker Bronx genannt wird. Ein luxuriöses Projekt namens „Soho“ entsteht um die rue de Strasbourg, die langsam ihren früheren Ruf als durch und durch von Drogenschiebern und Zuhältern bevölkerte, gefährliche No-Go-Gegend verliert.

Luxus in einer No-Go-Gegend

Bei dem Projekt sollen 57 von insgesamt 150 Wohnungen noch vor dem Sommer fertiggestellt werden, wie der Webseite zu entnehmen ist. Auf dieser werden geschäftige junge Leute gezeigt, die mit ihren Kindern und anderen Leuten unterwegs sind und Autos der Luxus-Marken Lexus, BMW und Mercedes fahren. Etwa 70 Prozent der Wohnungen im ersten Projekt sind bereits reserviert, ein paar mit zwei oder drei Schlafzimmern noch für zwischen 566.814 Euro und 869.734 Euro zu haben.

Gleich um die Ecke hat die ING Luxembourg kürzlich den größten Teil der Büroräume in einem anderen Großprojekt direkt gegenüber dem Bahnhof bezogen, das 2017 fertiggestellt wurde. Es umfasst 31 Wohnungen, in denen ein Teil der Mitarbeiter untergebracht wird.

Luxemburg ist bereits die bevorzugte Wahl für mehrere Versicherer, Fonds und Banken, die im Zuge des Brexit aus Großbritannien wegziehen. Der Versicherungsriese American International Group, der US-Versicherer FM Global, die RSA Insurance Group und der Lloyd’s-of-London-Versicherer Hiscox sowie die Private-Equity-Firma Blackstone und Vermögensverwalter wie M&G Investments haben Luxemburg als neuen Standort in der Europäischen Union gewählt. JPMorgan Chase & Co. plant ebenfalls, einige in London ansässige Banker nach Luxemburg zu verlegen.

3.000 neue Arbeitsplätze

Insgesamt könnte der Brexit weitere 3.000 Arbeitsplätze im Großherzogtum schaffen – was die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen weiter erhöht. Wem es nicht zusagt, die Straßen mit Drogenhändlern und Zuhältern zu teilen, für den gibt es andere Möglichkeiten in der Stadt. Aber keine hiervon ist billig.

Die begehrtesten und teuersten Viertel der Stadt Luxemburg sind Belair, Limpertsberg, Merl und Kirchberg – nur eine Fahrradtour oder sogar einen Spaziergang von den meisten Büros, Geschäften und Restaurants entfernt. Häuser, auch eine „Maison de maître“, ein Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert, können leicht mehr als zwei Millionen Euro für mindestens vier Schlafzimmer kosten.

„Die Preise steigen weiter“

„Die Preise steigen weiter“, sagt Angelique Sabron vom Makler JLL Residential. Eine Million Euro könnten gerade ausreichen, um ein neues Haus in der Nähe des Stadtzentrums zu kaufen, und in den begehrtesten Gegenden der Stadt wird es höchstens für eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern reichen, sagen Makler. Der Aufwärtstrend in Luxemburg steht im Gegensatz zu London, das durch den Brexit einen Rückgang bei den extrem hohen Mieten und Immobilienpreisen erlebt.

Die Immobilienpreise im Großherzogtum stiegen im letzten Quartal 2017 um 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie aus im Februar veröffentlichten Zahlen des luxemburgischen Statistikamtes hervorgeht. Der Durchschnittspreis für ein Haus liegt bei knapp 650.000 Euro. Für ein Haus in der Mitte des Landes müssen etwa eine Million Euro berappt werden – etwa doppelt so viel wie ein Haus im Norden kostet.

Der Trend treibt immer mehr Menschen aus der Stadt, auch über die Grenze in das nahe Frankreich und Deutschland hinein, wo immer noch billigere und geräumigere Wohnungen zur Verfügung stehen. Der Preis dafür ist ein albtraumhaftes Pendlerdasein.

13.000 Einwohner mehr pro Jahr

Während das luxemburgische Wohnungsbauministerium von einer Immobilienkrise nichts wissen will, erkennt es den wachsenden Preisdruck aufgrund der attraktiven Position des Landes als Finanzdienstleistungszentrum doch an. Laut Jean-Paul Marc, Erster Regierungsberater des Wohnungsministeriums, wächst die Nettozahl der Menschen, die nach Luxemburg ziehen, jährlich um 13.000. „Das entspricht ungefähr 6.000 neuen Wohnungen, die wir pro Jahr benötigen, und wir sind im Begriff, das aufzuholen“, sagt Marc.

Luxemburg hat langfristige Pläne für seine Innenstadt – wo die größten Herausforderungen im Wohnungsbereich gesehen werden –, um das Leben angenehmer zu machen. Das Bahnhofsgebiet wird als Teil dieses Sanierungsplans genannt, mit Zonen, in denen „dringender Handlungsbedarf“ bestehe.

Andere Orte etwas außerhalb der Innenstadt sind ebenfalls teurer geworden, zumal neue Schulen errichtet wurden und es dort die Möglichkeit gibt, ein Haus mit einem kleinen Garten zu bekommen.

Ein Haus mit vier Schlafzimmern in Strassen wird typischerweise für 1,3 Millionen Euro angeboten, verglichen mit einem Durchschnitt von 1,2 Millionen Euro in der Innenstadt, wie das Luxemburger Institut für sozioökonomische Forschung ermittelt hat. „Solche Gegenden sind sehr gefragt, weil sie alles bieten, wonach eine Familie sucht: Geschäfte in der Nähe, eine gute Qualität der Schulen, gute Verkehrsanbindungen und die Nähe zum Arbeitsplatz“, sagt Elodie Gesquiere-Rouyer, Kundenbetreuerin bei JLL.

„Merkwürdige Leute“ in der rue de Strasbourg

Zurück in der Innenstadt hat die örtliche Polizei ein paar beruhigende Worte parat für mögliche neue Bewohner der rue de Strasbourg – einer Straße, die trotz einer großen Auswahl an Schnellimbissen und Bars immer noch ein Magnet für Drogenabhängige und Männer ist, die auf der Suche nach Prostituierten sind.

Es könnte sich mit der Zeit ändern, sagt Marc Schroeder, stellvertretender Gruppenleiter der etwa 30 Polizisten in der Gegend. „Es ist nicht so, dass es gefährlich ist, man muss nur vorsichtig sein“, meint er. „Aber es stimmt, dass man hier merkwürdige Leute findet.“

Von Stephanie Bodoni/Bloomberg