Bourscheid im Ausnahmezustand: Das großherzogliche Paar besucht die kleine Nord-Gemeinde

Bourscheid im Ausnahmezustand: Das großherzogliche Paar besucht die kleine Nord-Gemeinde

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40 Nationalfahnen entlang der Straße, alle 14 Gemeindemitarbeiter vor dem großen Ereignis rund um die Uhr im Einsatz und ein Budget von 75.000 Euro für den hohen Besuch und die anschließende Party: Das kleine Bourscheid im Norden war für den Besuch des großherzoglichen Paares am Samstag gerüstet.  

Zwischen all den elegant gekleideten Besuchern war ein sechsjähriges Mädchen besonders aufgeregt. Es war an Amelie Koob (6), der Großherzogin das obligatorische Blumenbouquet zu überreichen. 40 Jahre zuvor hatte ihre Mutter das bei einem offiziellen Besuch des damaligen Grand-Ducs Jean getan. „Ich habe es ihr es erst gestern Abend gesagt, um jegliches Gerede zu vermeiden“, sagt Mutter Claudine (48), „sie hat sich gefreut.“ Als der Auftrag erledigt ist, geht es mit einem großen Sprung in die Arme der Mutter.

Auch Bürgermeisterin Annie Nickels-Theis war anzumerken, dass dies ein besonderer Tag für die Gemeinde ist. „Noch nie war ein Mitglied der großherzoglichen Familie am Vorabend vor Nationalfeiertag bei uns. Es ist uns deshalb eine besondere Ehre.“ Mit diesen Worten leitete sie ihre Begrüßung ein – umringt von Einwohnern und Repräsentanten der umliegenden Gemeinden im Hof von Bourscheids Aushängeschild, der Burg.

Ein Besuch für die Geschichte

Das großherzogliche Paar erschien gut gelaunt, gab sich locker und durchbrach das Protokoll. Marco van Maris, der Schatzmeister der „Amis du chateau“ gab gleich zu Beginn der offiziellen Zeremonie Erklärungen zur Geschichte der Sehenswürdigkeit. Als er im Jahr 1443 angelangt, fasste Grande-Duchesse Maria Teresa die Bürgermeisterin an der Hand und lud sie ein, sich mit ihr zusammen zu setzen. Die Frauen – bis ins 20. Jahrhundert könnte es noch ein bisschen dauern – nahmen Platz auf dem, was der französische Schriftsteller Victor Hugo schon 1865 staunend erwähnt hatte. „Das sind enorme Ruinen aus Mauern und Türmen“, vertraute er damals bei seinem Besuch seinem Tagebuch an. Das erzählt der Audioguide, der die Touristen durch Bourscheids Aushängeschild führt.

Die 12.000 Quadratmeter große Anlage, die auf das Jahr 1.000 zurückgeht, ist in der Tat imposant. „Eines der wertvollsten geschichtlichen Bauwerke des Großherzogtums Luxemburg“, erklärt der Audioguide den Besuchern. Seit 1972 im Eigentum des Staates wurde die Burg mehrfach renoviert. Die letzte Sanierung ist gerade abgeschlossen und hat 3,4 Millionen Euro gekostet. Im „Stolzemburg Haus“ kann die Gemeinde nach sieben Jahren Bauzeit nun endlich wieder kulturelle Veranstaltungen organisieren.

Es war also kein Zufall, dass die kleine Nordgemeinde dieses Jahr für die Feierlichkeiten am Vorabend des Nationalfeiertags ausgewählt wurde. „Dieser Nationalfeiertag wird mir und allen Bürgern in Erinnerung bleiben.“ Mit diesen Worten schloss die Bürgermeisterin ihre Rede. Klingt verdächtig nach Einzug in die Annalen der Gemeinde.

Von Wiebke Trapp

 


Flächenmäßig die Größte: Die Bourscheider Burg

„Die Herren von Bourscheid waren gute Vasallen der Herren von Luxemburg. Und in Sachen Fläche ist Bourscheid die größte Burg Luxemburgs, größer als die Burg von Vianden“, erzählt John Zimmer. Der 77-Jährige ist so etwas wie der „Papst“ in Sachen Burgen und Schlösser, arbeitete er doch jahrelang beim „Service des sites et monuments nationaux“ und war dort zuständig für das „patrimoine féodal“. Interessant sei vor allem die Bauphase Mitte des 13. Jahrhunderts, die von der Gräfin Ermesinde finanziert wurde. Was aber noch bei Bourscheid ganz interessant ist, ist die Tatsache, dass die Burg aus dem 10. Jahrhundert stammt. „Und die erste war, die zudem ganz in Holz gebaut wurde. Das haben wir bei den Ausgrabungen feststellen können“, so Zimmer weiter. Zudem setzte sie sich aus den drei Bauelementen zusammen, die eine mittelalterliche Wohnburg ausmacht: den Wohnturm, die Aula sowie die Kapelle. Die beiden letzten Bauelemente stehen für das Weltliche und das Kirchliche.

Der erste Besitzer der Burg, Bertram, war kein Adeliger. Er war Untervogt in Echternach mit der Aufgabe, ein wachsames Auge auf die Abtei zu haben. „Er hat sich aber sehr ruppig benommen und dort beispielsweise mal eine Menge Geld mitgehen lassen“, so Zimmer weiter. Sein Nachfolger ließ dann die erste Steinburg bauen. All das passierte Ende des 10. bzw. Anfang des 11. Jahrhunderts. Einerseits ist dies gut dokumentiert und andererseits wird dies durch die Ausgrabungen und Funde auch bestätigt. Man kann davon ausgehen, dass die Bauzeit einer Steinburg, genauer gesagt der Bau der Unterburg des sogenannten „Stolzemburger Hauses“, das jetzt komplett renoviert wurde, sowie der Wehrmauer, rund zwei Jahre in Anspruch nahm.

Der letzte wichtige Ausbau datiert aus der Zeit des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648). Da wurde die Burg mit Artilleriebefestigungen ausgestattet, obwohl es in dem Zusammenhang hierzulande nie zu kriegerischen Handlungen kam. Im Jahr 1680 wurden noch zusätzliche Wohnungen gebaut, sodass die Burg die Silhouette annahm, die sie heute hat. „Dann fing der Verfall an. Sie war nicht mehr von Adeligen bewohnt, sondern von Verwaltern“, so Zimmer weiter, der noch darauf hinweist, dass die Burg während der Französischen Revolution versteigert wurde. „Ein Gerichtsvollzieher machte damals Inventar, ging durch die ganze Burg und stürzte dann durch eine der Decken, die bereits derart morsch waren.“

Von Laurent Graaff