Übermenschlicher Humanist: Science-Fiction-Epos der Bobiverse-Buchreihe geht bald weiter

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Für seine Bobiverse-Buchreihe hat der kanadische Autor Dennis E. Taylor einen Protagonisten mit schier unglaublicher Macht ausgestattet. Und doch gelingt es Bob, sich meistens sehr menschlich und bescheiden zu benehmen. Derzeit arbeitet der Autor fieberhaft an der Veröffentlichung einer Fortsetzung.

Nachdem der Unternehmer Robert “Bob” Johansson seine Firma verkauft hat und zu Geld gekommen ist, schließt er einen Vertrag ab, um nach seinem Tot eingefroren zu werden. Am selben Tag noch wird er überfahren. Als Bob hundert Jahre später aufwacht, muss er feststellen, dass er nicht wie erwartet einen neuen Körper erhalten hat, sondern nur noch als Computerprogramm existiert. Die USA sind außerdem eine Theokratie und die Welt befindet sich am Rande eines Krieges. Seine Aufgabe sei es, so wird ihm erklärt, eine nur mit seinem Programm bemannte Sonde durch das Universum zu steuern, sich mithilfe von 3D-Druckern zu kopieren und nach neuen bewohnbaren Planeten zu suchen – eine Aufgabe, die dem Science-Fiction-Fan Bob trotz der widrigen Umstände sehr zusagt.

Als Raumsonde ist Bob mit unglaublicher Macht ausgestattet. Mit den erforderlichen Ressourcen und der nötigen Zeit ist er dazu in der Lage, eine ganze Flotte mächtiger Raumschiffe zu bauen und Planeten zu terraformen. Ein zentrales Element in Bobs Charakter – und das ihn von anderen Sci-Fi-Protagonisten unterscheidet – ist, dass er auch als mächtiges Maschinenwesen seine Menschlichkeit nicht verliert und wie in seinem früheren Leben ein ausgesprochener Humanist bleibt. Indem Bob Gewalt ablehnt und nur im Notfall einsetzt, sich weigert, hohe politische Ämter anzunehmen, ohne Gegenleistung Hilfestellung leistet und versucht, den Kontakt zu seinen “Mitmenschen” nicht abbrechen zu lassen, beweist die “Maschine” Bob oft mehr Menschlichkeit als manche kohlenstoffbasierte Wesen um ihn herum. Bob glaubt an den Fortschritt und daran, dass Probleme mithilfe von Gehirnschmalz und Wissenschaft gelöst werden können.

Die neue Daseinsform, mit der sich der Protagonist zurechtfinden muss, erlaubt es ihm und damit dem Autor, darüber zu sinnieren, was den Menschen und was das Leben ausmacht. Von einem Leser nach seiner Meinung zu Religion gefragt, meinte Taylor in seinem Blog: “Meine Einstellung zur Religion ist nicht der springende Punkt. Die Geschichte verlangte, dass Bob ein Humanist ist, um nicht von der Frage nach einer Seele verdreht und verbogen zu werden. Und sie verlangte aus den gleichen Gründen, dass die Regierung das Gegenstück dazu ist.”

Not So Hard Science Fiction

Taylors Romane werden in der Regel als „Hard Science Fiction“ bezeichnet. Das bedeutet, dass der Autor in der Gestaltung seiner Welt viel Wert auf Logik und wissenschaftliche Genauigkeit legt. In seinen Romanen verzichtet Taylor etwa auf Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit. Trotzdem gelingt es ihm, den Leser nicht mit technischem Jargon zu erschlagen. Zur Leichtigkeit der Erzählung trägt auch bei, dass der Protagonist ursprünglich ein Science-Fiction-Fan (und Nerd) aus der Gegenwart ist. Die Bücher sind gespickt mit zahlreichen popkulturellen Referenzen. Bob benennt etwa Planeten, die er entdeckt nach Welten aus dem Star-Trek-Universum. Auch Personen erhalten meist Namen, die auf Science-Fiction-Serien oder Zeichentrick-Serien Bezug nehmen.

Taylor arbeitet derzeit laut eigenen Angaben “wie verrückt” an einer Fortsetzung seiner Serie. Geplant sind zwei Bücher. Ein Datum für die Veröffentlichungen steht noch nicht fest. Ende August gab der Autor an, das erste Buch sei so gut wie fertig und sei Testlesern vorgelegt worden. Auch die Hauptgeschichte des zweiten Buches sei bereits geschrieben. Beide Bücher sollen im Abstand von wenigen Monaten erscheinen.


Spoilerwarnung: Ab dieser Stelle werden konkrete Inhalte der Buchreihe thematisiert. Wenn Sie glauben, dadurch könnte Ihnen das Vergnügen, die Bücher zu lesen, genommen werden, sollten Sie nicht weiterlesen.


In seinen Romanen zeichnet Taylor eine Zukunft, in der zwar nicht alles gut, aber beileibe nicht alles schlecht ist. Bob, seine Klone und viele andere Charaktere sind stets bemüht, das Richtige zu tun und empathisch zu handeln. Die „Maschine“ Bob versucht permanent, nicht ihre Menschlichkeit zu verlieren. Das zeigt sich u.a. dann, wenn Bob selbst in schwierigen Situationen seine Emotionen nicht kontrolliert, obwohl er dazu technisch in der Lage wäre. Einige der Bob-Klone gehen so weit, dass sie einen dem ursprünglichen Bob nachempfundenen Androiden benutzen und diesen sogar in die Lage versetzen zu weinen. Einige Klone schließen Freundschaften, haben ein Familienleben und halten Kontakt zu den verbleibenden Nachfahren von Bobs Schwester.

Als Bob und seine Mitstreiter die Erde evakuieren müssen, weil sie sich nach und nach in einen Schneeball verwandelt, hadern sie mit der Tatsache, dass ihnen nicht genug Ressourcen und Zeit zur Verfügung stehen, um alle Menschen zu retten, weswegen sie oft harte Entscheidungen treffen müssen. Als die Menschen selbst in dieser Notsituation nicht an einem Strang ziehen wollen und sich darum streiten, welche Enklave bei der Evakuierung prioritär behandelt werden soll – Politik ist wohl eine Universalkonstante – respektieren die Bobs jede Entscheidung der wiederbelebten Vereinten Nationen und halten sich freiwillig mehr oder weniger an die Abmachungen mit dem Rat, obwohl nichts sie davon abhalten würde, der Erde den Rücken zu kehren.

Das Bobiversum hat Elemente einer Utopie, ohne aber wirklich eine zu sein. Bob und seine gegen Ende des dritten Bandes Hunderte Klone, treffen sich in einem virtuellen Pub, um ihre Konferenzen abzuhalten und Beschlüsse zu treffen. Mehr als ein paar informelle Regeln sind dazu nicht notwendig. Die „Bobs“ funktionieren als Kollektiv, in dem jeder ein Individuum ist, niemand zu etwas verpflichtet ist, in dem aber Kooperation großgeschrieben wird.

Fast-Utopien

Für ihre Schützlinge (und Freunde) terraformen die Bobs Planeten und unterstützen sie beim Aufbau von Kolonien – natürlich immer mit dem Hinweis, dass die Kolonie irgendwann ohne sie zurechtkommen muss. Auf die Spitze getrieben wird das Bild der Utopie durch die schwebenden Städte, die Bob-Klon Marcus 2215 als Reaktion auf das autoritäre Regime des Planeten Poseiden konstruiert. Die freiheitsliebenden Bewohner dieser Städte verbringen ihren Tag draußen in Sonnenliegen, von wo aus sie mittels Tablet-Computer ihre Arbeit fernsteuern oder einfach nur den Tag genießen, während Marcus und seine Mitstreiter in ebendieser Manier eine Revolution gegen die Regierung leiten.

Gestört werden die Menschen und Bobs bei ihrer friedlichen Expansion vor allem von „den anderen“ – einer außerirdischen Spezies, die von Sternensystem zu Sternensystem zieht, um diese zu plündern, um Nahrung und Ressourcen für ihre Dyson-Sphäre zu sammeln. Taylor greift hier auf ein klassisches und leider wenig innovatives Motiv der Science-Fiction zurück: die Bedrohung von außen, durch unbekannte Aliens. Allerdings beendet die erste Begegnung mit den anderen jegliches aufkommende Gefühl, der Protagonist könnte eine „Mary Sue“ sein, eine Romanfigur, die mit jeder Herausforderung, mit der sie konfrontiert ist, ein wenig zu leicht fertig wird.

Kopierte Individuen

Ein wichtiges Element dessen, was die Bobs zu Menschen macht (und sie z.B. von einem Borg unterscheidet), ist ihre Individualität. Jede Kopie des ursprünglichen Bobs und jede Kopie darüber hinaus teilt sich zwar Erinnerungen mit ihrem Vorgänger, entwickelt aber besondere Vorlieben und Charaktereigenschaften. Das wird dadurch vermittelt, dass alle Klone den virtuellen Raum, in dem sie sich aufhalten, anders einrichten und ihren Alltag individuell gestalten. Während manche auf Wanderschaft gehen und von Stern zu Stern fliegen, bleiben andere sehr in der menschlichen Gemeinschaft verwurzelt, erforschen Planeten und fremde Kulturen oder treiben die Forschung voran. Erklärt werden diese unterschiedlichen Interessen mit „Unterschieden in der Hardware“, „Quanteneffekten“ und einem Augenzwinkern des Autors.

Trotz der Menschlichkeit, die die synthetischen Protagonisten in Taylors Romanen besitzen, behauptet der Autor nicht, dass es keine Unterschiede zwischen biologischen und synthetischen Menschen gibt. Besonders die Langlebigkeit der Bobs und die Kurzlebigkeit der Menschen unterscheiden sie. Obwohl Bobs Klone einigen Menschen anbieten, ihnen die Unsterblichkeit zu schenken, nimmt fast niemand das Angebot an – sodass die synthetischen Wesen an mehreren Beerdigungen von Freunden oder Familienmitgliedern teilnehmen müssen. Eine Tatsache, die den Protagonisten zwar traurig stimmt, die er allerdings respektiert.

Über den Inhalt der Fortsetzung ist bislang wenig bekannt, außer der Arbeitstitel: „The Search for Bender“. Nachdem die Trilogie inhaltlich einen Abschluss gefunden hatte, scheinen sich die Figuren nun auf die Suche nach ihrem alten Klon Bender zu machen, der die Einflusssphäre der Bobs verlassen hatte, um das Weltall zu erkunden.


Bislang erschienene Bücher der Bobiverse-Reihe:

„Ich bin viele“ (Originaltitel: „We Are Legion“)
„Wir sind Götter“ (Originaltitel: „For We Are Many“)
„Alle diese Welten“ (Originaltitel: „All These Worlds“)
Alle bisher erschienenen Romane sind außerdem als Hörbuch in englischer und deutscher Sprache erhältlich.