Bloß nichts anbrennen lassen

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Obwohl die nationalen Trends alle in eine Richtung zeigen, gibt sich die CSV-Spitze demonstrativ bescheiden. Dass man aber mit schwerem Geschütz unterwegs ist, verdeutlicht Parteipräsident Marc Spautz (54).

„Wissen Sie, was sicher ist: Wenn ich gewählt werde und das Vertrauen der Schifflinger Bürger erhalte, würde ich gerne in den Gemeinderat einziehen. Und nicht nur in den Gemeinderat: Wenn wir in die Verantwortung kommen, würde ich auch in den Schöffenrat einziehen, um dort aktiv mitzuarbeiten.“

Lokal oder National?

Angriff ist die beste Verteidigung. Nachdem das Tageblatt zuletzt die lokalpolitischen Ambitionen des CSV-Mannes hinterfragt hatte, versucht Marc Spautz beim Hintergrundgespräch den Befreiungsschlag. Vorerst. Auf die Frage, wie er denn allen Ernstes seinen Schifflinger Wählern verkaufen wolle, nicht nur für Parteikollegen Pierrot Feiereisen Stimmen zu sammeln, folgt ein Rückzieher. Spautz weiß nur zu gut, dass jeder ihn als Politschwergewicht bei den Nationalwahlen für die CSV sieht.

„Was Sie andeuten, ist eine Frage, die sich vielleicht nächstes Jahr stellt. Wenn man aber die Umfragen betrachtet, die im Vorfeld der deutschen Bundestagswahlen durchgeführt wurden, und sie mit dem Wahlresultat vergleicht, zeigen sich zwei verschiedene Realitäten. Deswegen soll man respektieren, was der Wähler dieses und nächstes Jahr bei uns sagt und sich dann anschauen, was bei den Koalitionsverhandlungen herauskommt.“

Alle Türen offen

Wenn Politiker derart entspannt und allgemein antworten, ist eins klar: Spautz lässt sich alle Türen offen. Tatsächlich befindet sich die CSV in der bequemen Lage, einfach mal abwarten zu können. Denn niemand Geringeres als Vizepremier Etienne Schneider (LSAP) hatte auf Landesebene bereits angekündigt, eigentlich mit jedem zu können. Und für Premier Xavier Bettel (DP) muss es nächstes Jahr auch nicht mehr zwingend der Posten des Premierministers sein.

Bevor man sich also die Finger verbrennt und mögliche Koalitionspartner sowie Wähler verprellt, erinnert sich Spautz an andere Kollegen aus dem Politbetrieb: „Ich kenne viele Leute, die immer gesagt haben, ich mache jetzt das, dann das und dann das. Der Wähler hat sich dann aber ganz anders entschieden.“

Dass die CSV bei den Gemeindewahlen dennoch nichts anbrennen lassen will, steht außer Zweifel. Obwohl die LSAP auf Kommunalebene im Vergleich zur Landesebene besser abschneidet als die CSV, versucht man neue Kandidaten im ganzen Landen systematisch aufzubauen. Ähnlich wie bei der LSAP geschieht dies über Seminare: „Wir bieten Weiterbildungen an, die gut besucht sind: Wie wähle ich? Wie funktioniert die kommunale Gesetzgebung? Dadurch sollen die Kandidaten die Möglichkeit erhalten, direkt ins Tagesgeschäft einzusteigen.“

Viele Jungpolitiker

Spautz ist sich jedoch bewusst, dass viele lokale Politiker ähnlich wie bei der Konkurrenz unter großem Druck stehen. „Der ‚congé politique‘ hilft vor allem Menschen, die bereits in einem Gemeinderat sind, um von dieser Hilfe ein wenig zu profitieren. Es handelt sich um ganz motivierte Leute.“

Laut Spautz schwankt die Motivation jedoch je nach Region. „Es gibt Ortschaften mit zwei bis drei Listen und dann gibt es Ortschaften, wo man die Kandidatenlisten zusammenkratzen muss. Das hängt natürlich immer davon ab, wie aktiv die Sektion in der jeweiligen Ortschaft ist und ob man bereits selbst in einer Gemeinde in der Verantwortung steht.“ Man habe dafür aber in den Majorz- und Proporzgemeinden über 100 Jungpolitiker auf den Listen.

Dies sei das Resultat eines Jugendförderprogramms, das in die Wege geleitet worden sei und jetzt erste Früchte trage. Aber auch hier gilt das Kalkül auf Landesebene. „Bei den Kommunalwahlen kristallisieren sich jene jungen Politiker heraus, die das Format für die Chamberwahlen haben.“

Und der Parteipräsident?

Doch was ist mit dem Parteipräsidenten? Sollte er sein Wort nicht brechen, könnte er 2018 im Fall eines Wahlsiegs der CSV mehrere Ämter innehaben. „Wir sind der Meinung, dass man nicht daran vorbeikommt, Doppelmandate irgendwann abzuschaffen. Aber dann müsste man allgemein die Zahl der Gemeinden reduzieren, damit es zu einer stärkeren Professionalisierung kommt.“ Für Spautz liegt die Zahl idealerweise bei 60 Gemeinden. Dies würde es ermöglichen, den Beruf des Bürgermeisters zu professionalisieren.

„Dann kann man den Berufsbürgermeister einführen und die Bürgermeister in einer anderen Chamber vereinen, damit sie dort die Interessen der Gemeinden vertreten können.“ Spautz schwebt eine Art zweites Parlament vor. Doch dies bleibt in Luxemburg vorerst Zukunftsmusik. Es seien erhebliche Risiken damit verbunden. „Denn erstens geht Erfahrung verloren und zweitens kann man sich als Bürgermeister gar nicht in nationale Themen einbringen. Ob das überhaupt im Interesse der luxemburgischen Politik ist, sei dahingestellt.“

Allerdings versucht man bei der CSV, auch ohne zweite Chamber, den Gemeindewahlkampf zu professionalisieren. Man habe allen Sektionen die gleichen Wahlkampfgadgets angeboten. „Deswegen glaube ich, dass wir in diesem Wahlkampf eine gewisse Professionalisierung erreicht haben. Aber es gibt immer noch Gemeinden, die nicht beim ‚Corporate‘ mitmachen und ihren Weg alleine gehen.“ Dass Parteien nicht immer wie ein stramm geführtes Business funktionieren können, ist man sich in der CSV-Zentrale bewusst. Zu groß ist die Kakofonie im lokalen Dickicht. „Eine gemeinsame Linie bei 46 verschiedenen Sektionen zu finden, ist komplizierter als bei den Nationalwahlen.“

Veralteter Wahlkampf

Auch Spautz zweifelt wie LSAP-Parteipräsident Claude Haagen daran, dass der Wahlkampf in Luxemburg noch zeitgemäß sei. „Ich frage mich prinzipiell, ob das Wahlkampfsystem, wie es momentan funktioniert, noch das ist, was der Bürger will.“ Das Feedback aus dem Ausland bestätige seinen Eindruck. „In Deutschland und Frankreich sagen sie, dass Plakatierung nicht mehr das richtige Mittel ist, um die Menschen zu ergreifen. Aber es sei wichtig, um Wahlkampfstimmung zu machen. Man solle Plakatierung nicht über-, aber auch nicht unterbewerten.“

Spautz warnt deshalb davor, in Sachen Wahlkampftechnologie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. „Ich will keine Amerikanisierung des Wahlkampfs, aber es geht doch deutlich stärker Richtung soziale Medien. Allerdings wird man mittlerweile überschwemmt. Ich habe selbst keine Lust mehr, Facebook zu öffnen“, lacht der CSV-Politiker.

Auch die klassischen Wahlversammlungen hätten ausgedient. Man müsse neue Wege suchen, um mit Wählern zu diskutieren. Um diese Wege zu finden, erhält die CSV teilweise auf europäischer Ebene Hilfe. „Die Europäische Volkspartei (EVP) schickt uns bei den Europawahlen z.B. Themenvorschläge. Bei den nationalen Wahlen ist es jedoch noch immer die jeweilige Partei selbst, die sich um den Wahlkampf kümmert.“

PR im Fokus

Die Mutterpartei der europäischen Konservativen hat eine eigene Medien- und Wahlkampfgruppe. Ihre Vorschläge dienen als Inspirationsquelle. „Jede Partei muss aber am Ende in dem jeweiligen Land vor dem Hintergrund ihres Budgets und im Einklang mit den Vorstellungen ihrer Politiker entscheiden, ob ihr die Vorschläge gefallen oder nicht.“

In Osteuropa laufe der Wahlkampf zum Beispiel in den baltischen Republiken fast ausschließlich über soziale Netzwerke. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir in den EU-Gründungsmitgliedstaaten wie Luxemburg ab morgen einfach mit dem Papierwahlkampf aufhören und ausschließlich auf digital schalten. Dann würden wir viele Wähler nicht mehr erreichen.“

Dennoch ist die PR-Maschine der CSV nicht zu unterschätzen. Wer es wirklich wissen will, kann sich bei den Profis auf europäischer Ebene durchformatieren lassen. „Coachings, wie man Verhandlungen führt und auftritt, gibt es bei uns sehr viele.“ Es existiere eine sehr starke Kooperation innerhalb der EVP. Vor allem die christlich-demokratischen Parteien in der EVP tauschten sich untereinander aus. „Wie trete ich bei den Medien auf? Auf was muss ich aufpassen? Wie viel und was kann ich sagen?“