Bitches get things done

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Am Montagabend hatte "CID Fraen a Gender" zu einer Lesung der feministischen Autorin Laurie Penny in die Abtei Neimënster geladen.

Obwohl momentan eine erhöhte Aufmerksamkeit für feministische Belange vernehmbar ist (und sich innerhalb der letzten zwei Wochen in fast jeder Redaktion Luxemburgs erstaunlich viele Männer offenbar dazu berufen gefühlt haben, manchmal mehr und öfter weniger kompetent zur #metoo-Debatte Stellung zu beziehen), ist Feminismus noch längst nicht jedermanns oder gar jederfraus Sache. Während die einen sich in einer wenigstens halbwegs objektiven Kritik an dieser politischen Haltung üben, wählen andere den weitaus einfacheren Weg und behaupten, Feministinnen bräuchten lediglich mal richtig guten, harten Sex (mit Männern, versteht sich), damit sie endlich Ruhe geben.

Die britische Autorin und Aktivistin Laurie Penny kontert diesbezüglich: „Ich habe diese Hypothese empirisch überprüft, aber mein Forderungskatalog hat sich nicht verändert.“ Dieser Satz und vor allem der unschwer dahinter zu erkennende Humor fassen relativ gut zusammen, woran man mit der jungen, nicht streitsüchtigen, aber dafür diskussionsfreudigen Frau ist. Sie lässt sich den Mund nicht verbieten und spricht mit Vorliebe über das ach so Unbequeme, das einen harmlosen Smalltalk mit Stil, Pauken und Trompeten versauen kann.

Die Trump als gefährliche „Erektion mit Krawatte“ bezeichnende Kolumnistin hält beispielsweise Sexarbeit nicht a priori für verurteilenswert, rät Frauen, sich von Männern fernzuhalten, die neben ihrer Mutter keine andere Göttin dulden dürfen, und bricht eine Lanze für jene Damen, die ihrer Gebärfähigkeit nicht nachgeben möchten.

(Definitely not) Everybody’s darling

Derartige Gesprächsthemen und Standpunkte führen nicht selten dazu, dass einem der wenig deskriptive Titel „Bitch“ verliehen wird. Penny nimmt’s sportlich, gar kampfbereit und beansprucht den Namen selbstironisch für ihr neuestes Werk „Bitch Doctrine“ – einen Sammelband bestehend aus Essays der vergangenen drei Jahre. Eben diese Haltung stößt auf Zuspruch, davon zeugte nicht zuletzt auch der voll besetzte „Saal Krieps“ in der Abtei Neumünster am Montagabend, in der längst nicht nur Frauen gesichtet wurden.

Pennys Tonfall findet derzeit vor allem, aber nicht ausschließlich bei der Generation Y Gehör. Das Kecke und Freche in ihren Zeilen lässt sie wie eine Art Pippi Langstrumpf in der Villa Kunterbunt des Feminismus wirken. Sie hat etwas unbedarft Erfrischendes, das sie, wie die Süddeutsche Zeitung es kürzlich umschrieb, zu einer Pop-Aktivistin macht, die zwar „flapsig im Stil, aber immer verständlich“ daherkomme. Ihre Aussagen seien zwar oft redundant, aber dafür von bestechender Klarheit, heißt es weiter.

Eben diese Klarheit gehört für Laurie Penny zu ihrer Aufgabe dazu, die eben nicht darauf abziele, die üblichen Verdächtigen vom Handlungsbedarf in manchen Bereichen zu überzeugen, sondern eben jene, die noch nicht sensibilisiert wurden: „In allererster Linie bin ich Journalistin. Mein Job ist es, komplexe Ideen in eine verständliche Alltagssprache zu übersetzen. In diesem Feld geht es nicht um akademische Theorien. Auch wenn diese für mich selbst eine Rolle spielen, geht es mir darum, Inhalte so aufzubereiten, dass ein größeres Publikum sie versteht.“

Kein Kinderspiel

Wer jedoch mehrere Filterblasen gleichzeitig zum Platzen bringen möchte, der bewegt sich auf einem schmalen Grat und kann sich unverhofft auf jener von Minen gesäumten Spielwiese verirren, auf der sich derzeit Populisten (und Populistinnen) austoben. Ab dem Moment geht es dann nur um Vereinfachung, Parolen und undifferenzierte Standpunkte.

Laurie Penny ist sich dieser Gefahr durchaus bewusst: „Wenn du eine professionelle Ballerina bist, besteht auch das Risiko, geradewegs aufs Gesicht zu fallen. Das ist bei feministischen Journalistinnen nicht anders.“ Wichtig sei es dementsprechend, dass nicht schon die Grundbotschaft zu simplistisch, sondern lediglich die Sprache vereinfacht sei. Bei diesem Drahtseilakt seien jedoch leider schon einige Feministinnen in den letzten Jahrzehnten in die Tiefe gestürzt. Ein Beispiel hierfür sei bedauerlicherweise Alice Schwarzer.

Pennys Äußerung lässt unschwer erahnen, dass es sich beim Feminismus keineswegs um eine homogene Bewegung handelt, die sich durch flauschige Einigkeit auszeichnet. Davon zeugen die sogenannten „feminist sex wars“ zwischen sexpositiven und anti-pornografischen Feministinnen der 70er- und 80er-Jahre ebenso wie die aktuelle Debatten um den Fall Weinstein. Eben diese nicht abflauenden Grabenkämpfe sprach auch die Moderatorin des Abends, die Journalistin Ines Kurschat, an.

Sie wollte von Penny wissen, ob man sich nicht gerade durch derartige innere Konflikte selbst im Weg stehe. Daraufhin meinte Laurie Penny schmunzelnd: „Wenn wir wirklich darauf warten, dass sich alle einig sind, dann wird es wohl noch sehr, sehr lange dauern, bis wir auch etwas erreichen.“ Dass man sich aneinanderreibe, sei wichtig und die letzten Jahre hätten gezeigt, dass man trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Konfrontation vorangekommen sei.

Auf Konfrontationskurs

Ausschließlich konstruktiv verlaufen die Konfrontationen, denen sich die junge Schriftstellerin gegenübersieht, jedoch nicht. Eines ihrer vorherigen Werke trägt den Titel „Unspeakable Things“ und handelt von genau jenen Problemen, die (unter anderem) den Alltag von Frauen prägen, über die aber niemand zu sprechen wagt. Dass Penny dieses Wagnis trotzdem eingehen möchte, bedeutet nicht, dass sie nicht doch manchmal dazu aufgefordert wird, das zu sagen Nötige nicht auszusprechen: „Ich bin eine britische Journalistin, meine Arbeit findet im Kontext eines extrem restriktiven Systems statt, in dem es alles andere als einfach ist, auszudrücken, was du über Menschen denkst, die ausreichend Geld haben, um dich oder deine Zeitung zu verklagen.“

Im Rahmen ihrer Arbeit und ihres Engagements gehe es oft um Macht, unter anderem jene des Wortes, derer sich laut Penny viele im Namen der Meinungsfreiheit (der sie ein ganzes Kapitel in „Bitch Doctrine“ widmet) bemächtigen, ohne jedoch Verantwortung für die Folgen des Gesagten zu übernehmen. Sie spricht eben diese Zweckentfremder direkt an: „Wenn du Meinungsfreiheit nutzt, jedoch den Konsequenzen deiner Aussagen aus dem Weg gehst und verlangst, dass dir niemals jemand widerspricht oder versucht, mit dir zu diskutieren, ist das unglaublich feige.“ Sie akzeptiert, wenn auch nicht stillschweigend, dass ein Preis, den sie für ihre Meinungsäußerung bezahlt, das Lesen von Morddrohungen ist.

Eine immer wiederkehrende Forderung im Traktat-ähnlichen Werk „Bitch Doctrine“ ist jene nach neuen Narrativen. Hiermit spielt Laurie Penny nicht nur auf eine einseitige, viele Gruppen von Menschen ausschließende Geschichtsschreibung an, sondern auch darauf, dass das, was eigentlich im Kollektiv im Alltag erlebt wird, nur aus einer Perspektive beleuchtet wird. Diese ist nur in Ausnahmefällen jene beispielsweise weiblicher, homosexueller oder gar dunkelhäutiger Menschen. Viel eher komme es so rüber, als sei die Welt nur durch die Augen weißer, privilegierter Männer wahrnehmbar.

Penny plädiert dafür, endlich Abzweigungen von dieser Einbahnstraße abgehen zu lassen: „Wir brauchen viele Narrative, sonst besteht die Gefahr, viele Menschen in ein Korsett zu zwängen, in dem bereits vordefiniert ist, wie diese zu leben haben. Weitaus radikaler ist es, Menschen Werkzeuge in die Hand zu geben, mit denen sie ihre eigene Geschichte schreiben können.“

Obwohl Laurie Penny ihre eigenen Erfahrungen sehr (für manche sogar zu) stark in ihre Texte mit einfließen lässt, schreibt ironischerweise gerade sie ihre eigene Geschichte nicht ausschließlich selbst. Die junge Bloggerin wird vor allem außerhalb ihrer Heimat sowohl von Fans als auch Medien stark idolisiert. So schaukeln sich die Kinder gegenseitig hoch bis hin zu jenem Punkt, an dem sie als die Stimme des modernen Feminismus bezeichnet wird und quasi als dessen Personifizierung gilt.

Ende gut, nichts gut

Dass sie jedoch genau das Gegenteil beabsichtigt, macht die Journalistin eigentlich schon im Vorwort ihres neuen Werkes klar: „So this book, like any other book written by a white, middle-class author, cannot be universal.“ Gegenüber dem Tageblatt ergänzt sie zudem: „Ich merke immer häufiger, dass ich nicht unbedingt davon ausgehen kann, als nur eine von vielen Stimmen wahrgenommen zu werden. Im Feminismus sollte es aber nicht um derartige Heldinnenbilder gehen. Erst der Mix aus Stimmen macht es fassbar.“

In diesem Kontext fühlt man sich kurz an die zuvor erwähnte Schwarzer erinnert. Diese wurde bekanntermaßen lange und fälschlicherweise als die Inkarnation des Feminismus gesehen. Dies hatte zur Folge, dass später die Ablehnung der Frau auch mit einer Absage an die gesamte Bewegung einherging. Ein trauriger Trugschluss, welcher der Bewegung nicht guttat.

Doch wie stellt sich Laurie Penny die Zukunft vor? In ihrem Werk heißt es: „It’s a good time to gather our weapons. If it’s all going to end in ruins, let’s have them be beautiful ruins.“ In diesen Zeilen schwingt nicht nur ein leichter Hauch von Zerstörung mit. Das Gleiche gilt für ihre Behauptung, beim Feminismus habe man es nicht mit vereinzelten Wellen, sondern einem Tsunami zu tun.

Darauf angesprochen, ob man wirklich Gewalt und Zerstörung brauche, um als Bewegung weiterzukommen, antwortet sie prompt: „Beim Feminismus geht es nicht darum, die Welt zu zerstören, sondern darum, sie zu verbessern. Es handelt sich nicht um eine gewalttätige Bewegung, sondern sie richtet sich gegen Gewalt. Was der Feminismus zu zerstören versucht, ist die faule Unterwürfigkeit gegenüber einem als normal verstandenen unmenschlichen Zustand und angeblich gegebenen, nicht hinterfragten Wahrheiten. Diese gilt es zu brechen. In diesem Fall haben wir es also, meiner Meinung nach, mit kreativer Zerstörung zu tun. Und diese befürworte ich.“

Jeannosch
11. November 2017 - 8.29

Über Feminismus läßt sich diskutieren, allerdings steht man oft nichtkompromissbereiten Feministinnen gegenüber deren Standpunkt der einzig Wahre scheint.Dabei gäbe es noch soviele Probleme betreffend die Unterdrückung der Frauen in unserer Welt zu regeln.Ob dies die Rolle der Frauen in den von Religion geprägten Ländern ist oder in jenen Ländern wo der Wert einer Frau gleich Null ist.Diese wahren Probleme der Frauen weltweit umgeht man, erfindet immer neue Probleme /Aneckungen die unsere hiesigen Frauen in der freiheitlich, demokratischen Welt ihrer Rechte berauben .Trotzdem gutgeschriebener Artikel, Frau Schaaf.

Developper
11. November 2017 - 1.32

Fir "Bitches" werben a sech dann iwwer sexuell Belästegung bekloen.

ES
10. November 2017 - 15.08

Feminismus ist ein Teil der "Teile und herrsche" Agenda.