Das etwas andere Gespräch über RammsteinBierpreise, Transportchaos und brachialer Sound

Das etwas andere Gespräch über Rammstein / Bierpreise, Transportchaos und brachialer Sound

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Vor, während und nach dem Rammstein-Konzert wurde sich auf den üblichen Portalen sehr viel aufgeregt: Der blitzschnelle Ausverkauf verleitete zu Verschwörungstheorien, die Getränkepreise und Warteschlangen zu Frustausbrüchen – und das unendliche Warten auf den Busshuttle wirkte
fast wie ein kollektives Beckett-Theaterstück. Nur an der gut zweistündigen Show hatte fast niemand etwas auszusetzen. Der freie Mitarbeiter Sascha Dahm und Redakteur Jeff Schinker unterhalten sich über den Konzertabend.

Jeff Schinker: Wenn es einen Punkt gibt, über den wir uns sicherlich nicht streiten werden, ist es wohl leider die desolate Organisation: Für einmal scheinen die Hasstiraden auf Facebook irgendwie verständlich. Warteschlangen an den Getränkeständen von bis zu einer Stunde, ein Gelände, das so klein und unbeholfen aufgebaut ist, dass es zu Klaustrophobie-Anfällen hätte kommen können, Preise, die selbst für Atelier-Verhältnisse übertrieben wirken (6 Euro für eine „Mettwurscht“) – von der Hin- und (vor allem) Rückfahrt mal abgesehen, die anscheinend (ich hatte mich in weiser Voraussicht während des letzten Songs davongemacht) hochproblematisch war. Es wirkte auf jeden Fall so, als hätte das Atelier zum ersten Mal ein Konzert solchen Ausmaßes organisiert. Dabei waren hier bedeutend weniger Besucher als bei anderen Rammstein-Konzerten.

Sascha Dahm: Da muss ich dir leider zustimmen … Man fühlte sich teils wie in einer Sardinenbüchse gefangen und musste sich seinen eigenen Weg in die Freiheit erkämpfen. Ein einziger Ausgang für Tausende, hierzu erst nach Stunden eine Nachricht der Organisatoren, man würde sich um Busse bemühen, zeigen eine ungeahnte Überforderung seitens des Ateliers, das eigentlich das Herchesfeld bestens kennen müsste … An die Bierpreise hat man sich in Luxemburg bereits gewöhnt, Besucher aus dem nahen Ausland staunten allerdings nicht schlecht – 10 Euro für ein Bier samt Rammstein-Becher sind auch bei fast 30 Grad eine Hausnummer. Die Preise fürs Essen, wenn man dann etwas bestellen konnte, wirkten nur wie ein weiterer Tropfen auf den bereits heißen Stein …

Jeff Schinker: Es wirkt irgendwie rückständig, bedenkt man, dass das alles vor Jahren beim Rock-A-Field besser lief. Es scheint, als wäre man aus der Übung gekommen – wie wenn man nach jahrelangem Autofahren das rostige Fahrrad aus dem Keller holt und sich bei den ersten hundert Metern erst mal ordentlich hinlegt. Vor allem auch die Idee, einen „On-Site“-Parkplatz zu verkaufen (für 20 Euro), nur um dann trotzdem auf einen Shuttlebus zu warten, der, wie auf sozialen Netzwerken zu lesen war, unregelmäßiger auftauchte als der Bus, der die Besucher zum Park+Ride brachte, erscheint mir etwas dreist. Zudem waren zu Rock-A-Field-Zeiten die Busfahrten umsonst, was hier nicht der Fall war: Für die Fahrt zum „Bouillon“ blätterte man 5 Euro hin. Aber genug über die Organisation: Vom Konzert warst du als alter Rammstein-Fan sicherlich hellauf begeistert?

Sascha Dahm: Es ist verständlich, dass vielen die Extrakosten die Laune verdorben haben – aber wäre man dann wenigstens für sein Geld entlohnt worden, hätte man das noch irgendwie hingenommen … Vielen war aber bereits beim Warten in dem engen Waldweg klar, dass weder die eine noch die andere Buslinie schnell die Besucher an ihr Ziel bringen würde. Wäre es umsonst gewesen, wäre die Kritik wohl geringer … Das Konzert hat mich jedoch mehr als begeistert! Die imposante Bühnenstahlkonstruktion war schon seit Monaten bekannt. Steht man dann jedoch vor ihr, fühlt man etwas Ehrfurcht-Ähnliches. Die Show an sich kann nur in Superlativen beschrieben werden und wusste auch die acht Songs vom letzten, selbstbetitelten Album perfekt in Szene zu setzen. Und mit über zwei Stunden Spielzeit kann man wahrlich nicht unzufrieden sein.

Jeff Schinker: Was die aufwendige Bühnenkonstruktion anbelangt, kann ich dir nur zustimmen. Es wirkte, als hätte man einen der Hochöfen auf Belval in das Herchesfeld gepflanzt und visuell gehörig aufgemotzt. Hier machte auch dann der Begriff „Industrial Metal“ wirklich Sinn: Rammstein hat eine industrielle, unmenschlich wirkende Maschine gebaut, mitsamt Rauchschwaden und den üblichen Pyro-Effekten. Ob der Begriff „Ehrfurcht“ passt, weiß ich nicht: Manchmal war mir die Show dann doch zu hochtrabend, auch wenn genau dieses Hochtrabende Teil des Erfolgsrezeptes ist: Bei Rammstein wird das Industrielle zum Mystischen, Sänger Lindemann zelebriert eine Art musikalische Messe, in der die deutsche morbide Vergangenheit mal mit Humor, mal vulgär, mal energisch aufgearbeitet wird. Teilweise fand ich die textlichen Provokationen – bei „Mein Teil“ oder „Pussy“ – etwas abgenutzt und es nervt mich irgendwie dann trotzdem, dass die Band sich zwar vom rechten Ufer recht deutlich distanziert (siehe bspw. den Text von „Links 2 3 4“), vieles aber doch in einer solchen Zweideutigkeit beharren lässt, dass sie Fans anzieht, die keine solch nuancierte Herangehensweise zur Musik haben – und die Zeilen „Deutschland über allen“ wohl ohne die Ironie, die ihr innewohnen soll, mitgrölen …


Nebenschauplatz: Prominenter Besuch

Neben Lindemann war noch ein weiterer Star am Samstag auf dem Herchesfeld. Chris Martin, der Sänger und Frontmann von Coldplay, war extra für das Konzert angereist. Er soll mit dem Privatjet gekommen sein. 

 

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Sascha Dahm: Nun, Rammstein ist wohl der König der Provokation und Vermarktung: Während bei „Mutter“ ein toter Embryo zu sehen ist, mit dem der von dir angesprochene „Pussy“- Porno fast wieder salonfähig wurde, wurde mit dem „Deutschland“-Musikvideo und der Zeile „Deutschland über allen“ natürlich wieder ein immenser Hype entflammt, der vor allem im namensgebenden Land Dimensionen annahm, die diese Band nur noch unantastbarer machen. Die Show ist hochtrabend, sie ist überdimensional, sie ist laut, hat einen klar dezenten Hang zum Militärischen – das Intro zum Konzert mit der „Music for the Royal Fireworks“ von Handel –, und doch, in ganz bestimmten Momenten werden aus sechs Schauspielern, die eine Volksbühne-angelehnte Konstruktion bespielen, Menschen, die mit einem Schlauchboot über der Menge schweben und zum Greifen nah sind und doch wiederum unantastbar bleiben. Genau diese Wandelbarkeit macht diese Band so interessant. Und mag es einem Sorgen bereiten, dass auch Fans ohne Sinn für Doppeldeutigkeit dieses Konzert besuchen, so ist die Auseinandersetzung bei Rammstein auf jeden Fall größer als etwa bei einem „Volks“-Musiker wie Andreas Gabalier …

Jeff Schinker: Zumal die Schlauchboot-Episode – die Musiker gleiten, von den Zuschauern getragen, von der Inselbühne in der Mitte der Konzertwiese zur Hauptbühne, wo Lindemann sie mit einem „Willkommen“-Schild begrüßt – auch als deutliche Botschaft in der anhaltenden Debatte über die Aufnahme von Geflüchteten gelesen werden kann. Zugeben muss ich es: Ein Gespür für Dramaturgie hat die Band definitiv, auch wenn manches redundant ist und all dies für Menschen, die oft im Theater sind, etwas hölzern daherkommt. Die Schlauchboote, die akustische Version von „Engel“, das schwebende DJ-Mischpult für den „Deutschland“-Remix, der überdimensionierte Kinderwagen bei „Puppe“ – bei all dem Abwechslungsreichtum merkt man sogar kaum mehr, dass sich bei den Songs, die vom neuen Album gespielt wurden, einige vergleichsweise schwächere Stücke eingeschlichen haben – und dass nach 22 Tracks in meinen Augen die Rammstein-Formel mit ihren stampfenden Industrial-Riffs, den Synthies und Tills Schauermärchenonkel-Texten etwas ausgenutzt wirkt.

Sascha Dahm: Es mag sein, dass gerade für Theatergänger manches bereits bekannt wirkt, aber die Plurimedialität, wie du sie angeführt hast, als Open-Air-Konzerterlebnis zu sehen, dem muss Rechnung getragen werden. Klar mag der eine oder andere Song etwas schwächer wirken, aber als wandelbares Gesamtkunstwerk, das sich nicht scheut, Genregrenzen zu durchbrechen, intelligent zu provozieren und zudem noch Akustik und Visualität miteinander zu verschmelzen vermag, muss Rammstein als eine der „imposantesten“ Bands, in vielerlei Hinsicht, aller Zeiten angesehen werden.

Zahlen
22. Juli 2019 - 16.30

Mir krute leider kee Billjee. Mir si mam Auto op Helleng gefuer do an der City geparkt an no 5 Minutten Wee zu Fouss ware mer am Bësch virun der Bühn, mä hannerem Gelänner, ouni Billjee an eist Waasser hate mer mat. Fir d'Ouere war dat besser, wann och net vill, Stëpp huet een trotzdeem gebraucht. Ënnerwee hu mer e puer honnert Meter méi wäit ëm déi 200 Bussen an der Rei gesi waarden. Nom leschte Lidd si mer deeselwechte Wee zréck gaangen an no 5 Minutte ware mer erëm doheem zu Beetebuerg, wéi déi aner nach duerch de Bësch geiert sinn, wëll 19000 leit op engem Feldwee vun 2 Meter Breet geet net ganz gutt a scho guer net séier. Ech weess net wat den Atelier hätt kéinte maachen ausser de Bësch ofholzen. Wann ee kee Stadium huet muss een ebe kucke wéi een eens gëtt. Wann een hätt missen an d'Ausland fueren, dat hätt nach méi laang gedauert. Am beschten dir bleift déi nächste Kéier ewech, da kréie mir och e Billjee.?

De klenge Frechdachs
22. Juli 2019 - 16.27

Hei eng kléng Lösung fir den Här Loschetter: Wann an enger Kéier 15-18 dausend Léit mussen iwwert e Bëschwee vun 3-4 Meter breet 1 Kilometer duerch de Bësch wanderen, fir um Schluss erëm an zwee gedeelt ze ginn (PR Bouillon an On Site Parkplaz), wéi laang Parkplaz dauert et bis se all doheem sinn. Ech kann iech d'Äntwert ginn: 2.30h fir Leit déi es genuch haten an duerch de Bësch gaange sinn. +-4 Stonne fir déi aner gutt erzunne Leit, déi sech brav an d'Rei gestallt hunn. An d'Ambulanz war definitiv "NET" de Problem, wéi si dat op de Soziale Medien duerstellen. Ech hunn d'Ambulanz gesinn, an déi Leit déi se gebraucht hunn. Busse sinn zu all Moment normal weider gefuer. Awer alt ass erëm en anere Schold un allem, am Platz Gréisst ze weisen a soen "Jo, mir hunn e Feeler gemaach". Bravo Atelier!

Realist
22. Juli 2019 - 10.47

Im Westen nichts Neues. Hochprofessionnelle Künstler aus dem Ausland treffen auf die Organisationsmöglichkeiten der schlumpfigen Luxemburger Provinz. So nach dem Motto "Ein Konzert für 20.000, aber Parkplätze, Busse und Toiletten für gerade mal 200".

Muertzel
22. Juli 2019 - 8.19

Mir Letzebuerger wellen Alles erliewen awer naischt a Kaaf dofir huelen . Hei mierkt een dass weder d'Auteuren vum Artikel nach den Kommentar jeh emol en Feeling vun engem Festival oder en OpenAir -Concert ab enger gewëssener Gréisstenuerdnung materleift huet. Jo et ass net Alles riet gelaaf, Nee et wor net alles katastrophal. Ech hun och en puer mol an der Schlang gestaan, an ech wor no 10 min doduerch, wa fir mech normal ass, och am Ausland . Den Heemwee , net cool , jo , awer als Concertsgänger schonns oft erlieft , och am Ausland. Gitt Aer Concert fir 100 Léit an Rotondes , Kufa asw kucken wann der net gewinnt sidd aus Aerer Komfortzone erauszeklammen , ass dach lächerlech dat Gejéimers ...

ronald
21. Juli 2019 - 16.03

Wann een sech d'Méih mëcht an séch en bësschen schlau um Site vun der Réiser Gemeng mëcht, steet deen Schöfferot zimlech proper do, wat déi Organisatioun ugeet. Atelier als Organisateur ass global haftbar. Mais woren dann do keng Sëcherheetsbedenken wat eng eventuell Evakuatioun vun 19000 Leit ugeet? Wann een am Ausland Events vun bis zu 60000 Leit, dann sinn esou Sitten innerhalb vun enger Stonn eidel! Vum Catering guer net ze schwaetzen, mais d'Visitören huelen dat jo a Kaaf andeems se den Billet kaafen. Atelier ass definitiv fahrlässeg inkompetent. Haaptsaach d'Kees vum Här Loschetter rabbelt!