Bericht des CNFP: Staatsschulden für Stoiker

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Wenn sich nichts ändert, laufen die Staatsschulden aus dem Ruder. Viel sachlicher drückt es der Nationale Rat für öffentliche Finanzen aus.

Yves Nosbusch ist berühmt-berüchtigt für seine Art, die volkswirtschaftliche Lage zu analysieren. Von ihm darf man sich keinen Kommentar erwarten. Er ist ein Mann der Fakten und Statistiken – sei es als Volkswirt im Finanzbereich oder als Präsident des „Conseil national des finances publiques“ (CNFP). Politik machen andere. Das gilt auch dann, wenn Nosbusch in seiner Funktion als oberster Vertreter des CNFP die Finanzen des Staates analysiert. Keine Gardinenpredigt, kein Lob, kein Pathos, keine Namen, keine Parteien. Nur Statistiken, Vorhersagen, Grafiken und Tabellen.

Dabei böte das, was Nosbusch im Rahmen der schon traditionellen Bewertung der Staatsfinanzen durch den CNFP am Freitag vortrug, eigentlich Stoff für eine politische Auseinandersetzung erster Güte. Es geht darum, wie stark die Verschuldung des Luxemburger Staates in den kommenden Jahren steigen wird. In dem Fall, dass sich die Politik nicht verändert, überschreitet die Verschuldung ab 2041 die Marke von 30 Prozent der Wirtschaftsleistung, errechnet sich der CNFP. Die 60 Prozent würden 2048 überschritten. Gefolgt von 156 Prozent 2060 und 286 Prozent 2070. Eine Verschuldungsquote, die laut CNFP nicht nachhaltig ist.

Neue Bevölkerungsprognosen

Diese Zahlen sind andere als die, die der CNFP im letzten Herbst vorgestellt hat. Der Grund für diesen Unterschied ist bei der Europäischen Kommission zu suchen. In einem neuen Bericht hat diese ihre Vorhersagen über die Entwicklung der Population auf den neuesten Stand gebracht. Demnach werden 2060 in Luxemburg nicht wie vorher gedacht 1,1 Millionen Menschen, sondern „nur“ 0,99 Millionen leben. Außerdem blickt die Kommission nun weiter in die Zukunft. 2070 sollen 1,04 Millionen Menschen im Großherzogtum der nicht so fernen Zukunft leben.

Ein wichtiges Element der Analyse ist der „Indikator S2“ der Europäischen Kommission. Er sagt, um wie viel das Primärsaldo des Staates (das Saldo ohne Schuldendienst für bestehende Kredite) mindestens steigen müsste, um die öffentliche Verschuldung des Staates langfristig zu stabilisieren. Bevor die neuen demografischen Daten veröffentlicht wurden, lag dieser S2-Indikator bei 5,7 Prozentpunkten des BIP. Damit lag er nur ganz knapp unter der Marke von sechs Prozentpunkten, ab der die Europäische Kommission von einem erhöhten Risiko spricht.

Je früher, desto besser

Nach Veröffentlichung der neuen demografischen Daten liegt dieser Indikator nun aber bei 8,4 Prozentpunkten. Damit ist die Grenze, ab der die Kommission eine Gefahr sieht, definitiv überschritten. Schlüsselbereiche in dieser Rechnung sind die Pflegeversicherung und die Renten, da der S2-Indikator eine alternde Bevölkerung in seine Berechung mit einschließt. Zur Erinnerung: Diese Vorhersage ist an eine ganze Reihe Annahmen und an die Prämisse, dass sich die Politik nicht groß verändert, geknüpft. Auf Nachfrage hin sagte Nosbusch, ohne dabei kommentierend zu werden: „Je früher Anpassungen gemacht werden, desto kleiner können sie ausfallen.“

Gänzlich unironisch legte der CNFP am Freitag einen zweiten Bericht vor. Dieser analysiert, wie verlässlich Vorhersagen über die Volkswirtschaft und über den Haushalt sind. Daneben testete der CNFP, ob die statistischen Modelle, die vom Statec und anderen genutzt werden, etwas taugen oder ob man gar mit viel einfacheren Methoden (einem autoregressiven Modell) eine Vorhersage berechnen kann, die genauso gut ist. Die gute Nachricht: Die Modelle, die Statec und Co. benutzen, sind in den meisten Fällen besser als die einfacheren Modelle und haben somit eine Daseinsberechtigung. Die „schlechte“ Nachricht: Zwei wichtige Indikatoren für die Wirtschaft und die Politik werden in Luxemburg konstant unterschätzt.

Unterschätzt

Zum einen handelt es sich um die Beschäftigungsquote, die in dem untersuchten Zeitraum zwischen 1996 und 2016 ständig höher ausfiel als erwartet. Zum anderen lag zwischen 2006 und 2016 das Haushaltssaldo in fast allen Fällen am Ende höher als vorhergesagt. Ausgerechnet bei diesem wichtigen Wert scheitert auch noch die angewandte Methode gegen das „simple“ Verfahren. Dass gerade diese beiden prominenten Zahlen regelmäßig unterschätzt werden, lässt aufhorchen. Immerhin ist es nie eine schlechte Nachricht, wenn Politiker verkünden können, dass mehr Menschen in Lohn und Brot gekommen sind als erwartet oder dass das Saldo des Staates besser ausgefallen ist, als zuerst erwartet wurde.

Auf Nachfrage hin erklärt Nosbusch, die erste Zahl komme vom Statec. „Und die sind unabhängig.“ Allerdings habe das Statec bereits seine eigenen Indikatoren untersucht und sei zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Das Problem ist der Statistikbehörde demnach bekannt. Die Haushaltsvorhersagen werden hingegen vom „Comité économique et financier national“ getroffen. In diesem Gremium ist zwar die nationale Statistikbehörde vertreten, allerdings nicht allein. Mit am Tisch sitzen auch Menschen aus den Ministerien. Auch hier: kein Kommentar, keine Spitze, keine Spekulation. Nur eine Feststellung. Stoisch präsentierte und erklärte Nosbusch seine Zahlen, seine Statistiken und seine Vorhersagen.

Ouni Neid
17. Juni 2018 - 19.28

Stimmt, hätte meinen Sätzen weniger verschachtelt schreiben sollen....

Carl Hebichon
17. Juni 2018 - 17.02

Meiner Meinung nach stellt der IFO-Geschäftsklimaindex keine Prognose dar. Er fasst lediglich in einer Zahl zusammen was eine grosse Zahl Firmen von der aktuellen und erwarteten Geschäftslage denken. Das IFO erstellt also keine Prognose sondern resümiert nur die Stimmungslage wichtiger Teile der deutschen Wirtschaft. „Experten-bashing“ ist viel zu oft unbegründet, denke ich.

L.Marx
17. Juni 2018 - 14.38

Ziemlich kompliziert und etwas polemisch ausgedrückt aber vom Prinzip her haben Sie Recht. Je mehr die Politik die Wirtschaft schwächt, um so höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Bevölkerungswachstum verlangsamen wird. MIt eben den Konsequenzen, die auf das CNFP hinweist. Hinzu kommt eine derzeit grassierende Phobie vor weiterem Wirtschaftswachstum (cf. Dossiers Fage, Google, Knauf ...)

Ouni Neid
17. Juni 2018 - 13.07

Wir brauchen ein neues Wahlgesetz. So geht es nicht weiter. Gambia hat das richtig erkannt. Womöglich falsch verkauft. Wenn bei jedes Pipapöchen bei der Luxemburger Wählerschaft gleich mit Geschenken geschmissen werden soll, (und zwar zu Last der Ausländischen Mitbürgern, weil zu Last der Wirtschaft, die von denen befeuert wird) dann liegt die Schlussfolgerung doch nahe? Einsicht eines Luxemburgers, der den Kopf nicht im Sande steckt....

René Charles
17. Juni 2018 - 11.33

All Joer kommen ca. 10 000 meeschtens Europäer heihinner, awer och Leit aus nët-EU-Länner setzen sech legal hei néier. Méiglech as also virauszegesinn dass mir an 3 Joer mindestens 30 000 Leit méi hei wunnen hun. Wien elo behaapt op GUER KEE FALL den Tarif vu Pensio'uns- a Krankekees an der nächster Legislaturperiod eropzesetzen as nët nëmmen en Dreamer, mee och ee Populist. Gehéiert op guer kee Fall an d'Chamber oder Regierung.

Zenon
17. Juni 2018 - 8.54

Vorhersagen über 50 Jahre hinweg. Das ist ja schon Zukunftsforschung. Was wird in 15 oder 20 Jahren sein. Niemand kann das vorhersagen.Mit Statistik kann man alles beweisen,sogar das Gegenteil. Wer kann denn sagen,dass in 20 Jahren "nur" 0,99 (!) Millionen Menschen in Luxemburg leben werden und nicht etwa 1,66? Kennen sie den Ifo-Geschäftsklimaindex in der BRD? Nein? Das ist eine Organisation die errät die zu erwartende Wirtschaftsentwicklung in Deutschland über die nächsten Jahre. Und wissen sie was-in den letzten 40 Jahren haben die Prognosen dieser Spezialisten noch nicht ein einziges Mal gestimmt. Aber wir Luxemburger sind ja schon von Herrn Juncker gewohnt-erstmal Angstmache,dann kommen die da draußen nicht auf dumme Gedanken. Also " Carpe Diem"

BillieTH
17. Juni 2018 - 8.10

Et cela alors ce n'est que sous le prochain gouvernement qu'on va commencer a voir l'impact sur les finances publics de l'operation BEPS qui a ete trop legerement negociee. si on commence a implementer des mesures hybrides meme 1 an avant qu'il faut (selon la communique de presse du gouvernement de vendredi il y a deja des mesures anti-hybrides alors selon les directives europeenes on pouvait attendre encore un an) ce n'est pas comme ca que la place financier va inspirer de la confiance et credibilite vers le monde (et ce n'est pas l'OECD qui va venir payer l'accord avec le CGFP).