Bauern kämpfen um Anerkennung: „Die Menschen haben nicht mehr den Bezug zur Landwirtschaft“

Bauern kämpfen um Anerkennung: „Die Menschen haben nicht mehr den Bezug zur Landwirtschaft“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Marc Roeder (28) ist Jungbauer in Tandel. Der Hof bewirtschaftet 110 Hektar, es gibt 150 Rinder, davon 60 Milchkühe. Seit 2016 ist er zudem Präsident der „Lëtzebuerger Landjugend a Jongbaueren“. Ein Gespräch über die Aktion „Fro de Bauer“, Supermärkte und fehlende Wertschätzung.

Tageblatt: „Fro de Bauer“, das mache ich jetzt mal. Warum sind Sie hier? Mitten in der Stadt?

Marc Roeder: Der erste Kaffee morgens kommt von einem Bauern, die Milch für hinein bis hin zum Brot. Es geht weiter mit Fleisch, Eiern, Käse, Gemüse: Alles wird von Bauern produziert. Aber die Menschen haben nicht mehr den Bezug zur Landwirtschaft. Das war früher anders, deshalb die Aktion.

Wie war es denn früher?

Damals gab es viel, viel mehr Betriebe als heute im Land. Jeder hatte einen Bauern in der Familie. Der Kirchberg wurde früher rein landwirtschaftlich genutzt. Wir wollen den Kontakt zu dem, was jeder isst, wieder stärken. Die Menschen haben einen starken Bezug zum Essen, aber nicht zu den Produzenten.

Sind wir alle „degenerierte Supermarkt-Tiger“?

Die Menschen wissen nicht mehr, wie etwas produziert wird. Das ist ein Problem der Wertschätzung. Heute bekommt man im Supermarkt für wenig Geld alles. Und es ist immer alles da. Es gibt so viele Länder in der Welt, wo das nicht so ist. Wir wollen den Menschen mit dieser Aktion mitgeben, dass es nicht „nichts“ ist, was wir machen. Die luxemburgische Landwirtschaft darf nicht austauschbar mit der aus dem Ausland sein.

Haben die Bauern ein Imageproblem?

Nein, wir haben kein Imageproblem, wir haben das Problem, dass der Otto Normalverbraucher die moderne Landwirtschaft nicht versteht. Wir werden rein politisch gesteuert und machen genau das, was die Politik uns vorgibt. Unser Geld kommt über die „Gemeinsame Europäische Agrarpolitik“ (GAP). Die Förderung der GAP ist das, was beim Bauern hängen bleibt. Dessen Betrieb war immer auf Produktion getrimmt. Es muss immer genug von allem da sein und um den Rest kümmert sich keiner.

In Luxemburg sind viele Bauernbetriebe klein. Die GAP subventioniert aber großflächige Betriebe …

Noch. Es soll ja das „Capping-System“ kommen, eine Obergrenze für große Betriebe. Sie liegt bei 100.000 Euro. Egal, wie viel Land die Bauern mehr bewirtschaften, mehr Geld gibt es dann nicht. Es ist ziemlich sicher, dass das auf EU-Ebene kommt. Wir Jungbauern begrüßen das.

Macht Sinn. Luxemburg wächst unaufhörlich …

Dadurch verlieren wir Land. Man muss wissen, dass die Bauern viel Land hinzupachten und es bewirtschaften. Sie haben dann keinen Einfluss darauf, ob der Besitzer irgendwann verkauft und verbaut. Dadurch werden die Betriebe kleiner. Das ist ein viel größeres Problem mittlerweile, als dass die Betriebe hier sowieso schon kleiner sind als anderswo.

Jetzt kommen auch noch die Wasserschutzzonen hinzu …

Stimmt. Da geht es bei manchen Betrieben schon um Existenzen.

Wird man heute noch Bauer, weil es in der Familie schon immer so war?

Nein. Bauer sein ist eine Leidenschaft und wenn man die nicht hat, lässt man es besser. Dafür muss man viel zu viel arbeiten. Außerdem haben viele junge Bauern heutzutage einen akademischen Abschluss und könnten damit genauso gut wenn nicht noch mehr verdienen als als Bauer im eigenen Betrieb.

Gibt es einen „Exportschlager“ der luxemburgischen Landwirtschaft?

Milch. Luxemburg ist ein Milchstandort, da kommt die meiste Wertschöpfung her. Exportiert wird nach Deutschland und Frankreich.

Massentierhaltung?

Gibt es nicht in Luxemburg.

Wo steht die luxemburgische Landwirtschaft in zehn Jahren?

Es wird noch weniger Betriebe geben. Und es kommt zu einer Verschiebung der Landwirtschaft vom Süden in den Norden. Im Süden wird es wahrscheinlich irgendwann fast keine Landwirtschaft mehr geben, weil alles verbaut ist.


Bauernbetriebe in Luxemburg

Die Anzahl der Bauernhöfe ist seit Jahrzehnten rückläufig im Land. Laut Statec gab es 1907 in der Gruppe der Höfe mit weniger als zwei Hektar 24.820 Betriebe, 1970 waren es noch 1.175. 2016, das ist die letzte verfügbare Zahl beim Statistischen Amt, gab es nur noch 172 Höfe. In der Kategorie der Betriebe, die mehr als zwei Hektar bewirtschaften, stellen die Höfe mit zwischen zwei und fünf Hektar die größte Gruppe. Etwas mehr als 7.000 Höfe gibt es in dieser Größenordnung 1907, knapp 70 Jahre später sind es nur noch 975 und 2016 existieren in dieser Größenordnung gerade mal noch 135.

Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die mehr als 100 Hektar bewirtschaften, geht in der gleichen Zeitspanne hingegen kontinuierlich nach oben. 1907 existieren gar keine Bauernhöfe in der Größenordnung. 1980 sind es 43 und 2016 gibt es 482 Betriebe mit über 100 bewirtschafteten Hektar. Bei diesen Angaben unterscheidet Statec nicht zwischen Landwirtschafts- und Winzerbetrieben.