Bankenplatz in der Defensive: Serge de Cillia, Direktor der Bankenvereinigung ABBL, im Gespräch

Bankenplatz in der Defensive: Serge de Cillia, Direktor der Bankenvereinigung ABBL, im Gespräch

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Für den Bankensektor, das langjährige Zugpferd der Luxemburger Wirtschaft, ist das Umfeld schwierig. Seit nunmehr sieben Quartalen ist der Gewinn vor Provisionen und Steuern am Einbrechen, sagt Serge de Cillia, Direktor des Luxemburger Bankenverbandes ABBL, gegenüber dem Tageblatt.

Tageblatt: Wie geht es dem Finanzplatz?

Serge de Cillia: Seit 2014 müssen Banken mit Negativzinsen leben. Das wirkt sich zunehmend belastend auf die Ertragslage Luxemburger Kreditinstitute aus. Das ganze Ausmaß der Einbußen im Zinsertragsbereich wird erst richtig ersichtlich werden, wenn große Kreditportfolios aus der Vergangenheit auslaufen. Jetzt schon hat rund die Hälfte der Luxemburger Banken eine negative Zinsmarge. Sie verlieren also Geld mit dem klassischen Bankengeschäft. Diese europaweite Entwicklung ist zutiefst beunruhigend.

Was das Geschäft mit Kommissionseinnahmen angeht, so war der Jahresbeginn gut – das letzte Quartal 2018 jedoch sehr schwach.In diesem Umfeld sinkender bzw. volatiler Erträge steigen im Gegenzug die Kosten kontinuierlich Jahr pro Jahr. 2018 um 6,5 Prozent. Personalkosten haben um 3 Prozent zugelegt. Die mit dem Verwaltungsaufwand verbundene Kosten um stolze 9,1 Prozent. Diese sind vor allem auf die Umsetzung von neuen Regeln und Gesetzen zurückzuführen. Das kostet Geld, bringt aber keine Einnahmen. Das erklärt, warum der erwirtschaftete Gewinn vor Provisionen und Steuern Luxemburger Banken um 8,1 Prozent eingebrochen ist. Diese Entwicklung erstreckt sich schon über sieben Quartale.

Die Banken investieren doch auch in ihre Zukunft …

Im Bereich der Digitalisierung gibt es noch viel zu tun. Der Kunde will digitale Lösungen. Meine Kinder etwa gehen nie in eine Bankfiliale. Das Smartphone ist ihre Schalterbank. Die Banken müssen in dem Sinne noch viel investieren. Das Problem ist, dass sie eine kritische Masse an Geschäftsvolumen brauchen, um das stemmen zu können. Und gerade in der Vermögensverwaltung wird immer mehr „verwaltetes Vermögen“ benötigt, um die Fixkosten zu decken. Die Konsequenz ist, dass Banken entweder verkauft werden oder fusionieren. Viele kämpfen noch ein, zwei oder drei Jahre lang. Spätestens dann wird ihr Mutterhaus sagen: verkaufen oder abwickeln.

Wie wichtig ist das Thema Brexit für die Luxemburger Banken?

Der Finanzsektor war bereits pünktlich zur Deadline im März vorbereitet. Innerhalb der letzten zwei Jahre sind viele neue Investmentfonds, Vermögensverwalter und Versicherungen ins Land gekommen. Auch Banken haben ihren Standort Luxemburg teilweise massiv ausgebaut – neue sind bis jetzt jedoch nicht gekommen. Nun warten wir wieder einmal auf die Entscheidungen der britischen Regierung.

Der Finanzplatz Luxemburg steigt ab. Laut dem Ranking GFCI (Global Financial Centres Index) ist Luxemburg auf den 30. Platz weltweit und auf den sechsten in Europa abgerutscht.

Ja, das ist nicht gut, ist aber auch nicht überzubewerten. Wenn Investoren einen Standort suchen, dann veranstalten sie normalerweise erst eine Art Schönheitswettbewerb. Sie informieren sich über die Verfügbarkeit von Fachkräften, den Regulierer, das Arbeitsrecht usw. Sie vergleichen das Umfeld in Luxemburg, mit dem anderer Finanzplätze. Der Faktor Stabilität ist beispielsweise für Asiaten sehr wichtig. Hier steht Luxemburg glänzend da. Die Kosten und eine Reihe weiterer Faktoren und Kriterien geben dann den Ausschlag für den einen oder den anderen Finanzplatz.Die neuesten Banken, die nach Luxemburg kamen, waren vor allem chinesische. Auch die Schweizer Banken haben ihre Präsenz in Luxemburg ausgebaut. Genutzt wird dann der EU-Pass für Finanzprodukte. Teilweise werden auch Tochtergesellschaften in anderen Teilen der EU aufgemacht.

Wir sind das ideale europäische Zentrum für global agierende Finanzinstitute. Wir haben Punkte verloren. Das ist weiter nicht dramatisch, vorausgesetzt, man setzt sich mit diesem Ergebnis auseinander und bereinigt die Schwachstellen. Welche Kriterien haben dazu geführt. Beginnen wir, zu teuer zu werden? Was kosten hierzulande die Mieten im Vergleich zu anderen Finanzzentren?

Auch in Frankfurt steigen die Preise. Die Stadt hat Luxemburg im Ranking aber mittlerweile überholt …

Das ist ein gutes Beispiel, warum solche direkten Vergleiche nicht immer zielführend sind. Frankfurt beispielsweise hatte schon vorher mehr Banken. Auch ist das Geschäftsmodell ein anderes. Investmentbanking ist in Frankfurt auch wesentlich ausgeprägter. Wir haben darin keine Tradition. Auch gibt es dort die Nähe zur Europäischen Zentralbank und zur EZB-Bankenaufsicht (SSM). Wenn die Investoren aber einen weltweit hervorragend vernetzten Finanzplatz für grenzüberschreitende Finanztransaktionen suchen, ist Luxemburg ideal positioniert.

Wie können die Schwierigkeiten gelöst und Luxemburg wieder attraktiver werden?

Vor allem müssen wir die Kosten unter Kontrolle bekommen. Ich plädiere für eine Bündelung der Kräfte in einigen gezielten Bereichen. So könnten beispielsweise die 135 Banken am Platz – jede für sich oder alle gemeinsam – in neue Technologien investieren. Wie z.B. die Anfang der 70er Jahre von Luxemburger Banken gegründete Cedel, der heutigen Clearstream, oder die 1985 von einem Bankenkonsortium gegründete Cetrel, geschaffen, um im elektronischen Zahlungsverkehr gemeinsame Lösungen zu nutzen. Im KYC- (Know your Customer, „kenne deinen Kunden“) Bereich beispielsweise gibt es für Banken erhebliches Wachstumspotenzial. (Red.: Hier hat der Gesetzgeber heute viel höhere Anforderungen an die Banken als früher.)

In Luxemburg legt der Sektor der Investmentfonds zu … und die Banken verlieren?

Der Vergleich Banken versus Fonds hinkt, weil sie einander benötigen: Jeder Fonds braucht eine Depotbank. Wenn der Investmentfondssektor zulegt, ist das also auch gut für die Banken. Unser Finanzökosystem ist sehr diversifiziert. Banken in Luxemburg agieren im Depotgeschäft, im Corporate Banking, im Kunden- und Privatkundengeschäft oder auch im Pfandbriefbereich. Dazu gibt es eine Vielzahl von anderen Akteuren wie z.B. Versicherungen, Vermögensverwalter, Anwälte, Berater, Technologiefirmen usw. All diese Akteure sind Teil des Finanzplatzes, der für ein Drittel der nationalen Wirtschaftsleistung steht.

Wie gut entwickelt sich dann der Finanzplatz innerhalb der nationalen Wirtschaft?

Beim Geschäft der Finanzierung der Haushalte und der Unternehmen erfüllen die Akteure ihre Aufgaben. Banken finanzieren die Luxemburger Wirtschaft und die der Großregion. Dabei darf man nicht vergessen, dass sich in Europa 80 Prozent der Unternehmen über Bankkredite finanzieren – in den USA zu 80 Prozent über die Börsen. Die Banken beschäftigen rund 26.000 Mitarbeiter, der Finanzplatz 40.000. Zudem zahlt er hohe Steuern.

Ist der Finanzplatz immer noch ein Wachstumssektor?

Ja. Aber anders. Es geht heute um neue innovative Aktivitäten für morgen. Wir sind innovativ, etwa in den Bereichen „grüne Finanzen“ und Fintech. Und wir sind flexibel. In einigen Jahren werden wir alle Finanzprodukte und Dienstleistungen nutzen, die wir heute noch gar nicht kennen. Der gesamte Sektor wird sich neu erfinden und der Luxemburger Sektor ist innovativ genug.

Was bedeutet das für die Zahl der Mitarbeiter?

Derzeit stagniert die Zahl der Mitarbeiter bei den Banken, langfristig wird sie aber wohl fallen. Bei den Versicherungen ist sie am Steigen – wegen des Brexit. Auch die Investmentfonds benötigen laut den neuen Regeln mehr Substanz und somit mehr Mitarbeiter. Die Fonds haben aber das gleiche Problem mit der „kritischen Masse“ wie die Banken. Kleine Fonds mit einer großen Kostenstruktur werden schließen oder fusionieren müssen.

Im Jahre 1994 zählte Luxemburg 222 Banken … heute noch 135. Das sind fast 100 Banken weniger …

Das ist ein europäisches Phänomen. Es gibt zu viele Banken in Europa. Und die Konsolidierung wird noch weitergehen. Parallel dazu werden aber weiter neue Banken nach Luxemburg kommen. Doch auch Fusionen und Schließungen werden sich fortsetzen. Europaweit wird die Zahl der Banken weiter schrumpfen. Der Trend wird weitergehen und ein Ende ist nicht absehbar.

Das klingt ja nicht erfreulich für die Banken …

… und kurzfristig kommt die Konkurrenz durch die Fintechs hinzu. Die haben eine ganz andere Kostenstruktur und keine Schalterfilialen. Neue europäische Regeln machen im Bereich Zahlungsdienstleistungen nun die Türen auf. Die neuen Wettbewerber sind nicht mehr andere Banken, sondern neue Akteure.

Die Bankenrettungen im Rahmen der großen Finanzkrise haben letztes Jahr ihren zehnten Geburtstag gefeiert …

Das war ein gutes Geschäft für den Luxemburger Staat. Er hat viel Geld verdient. Kosten verursacht haben einzig die isländischen Banken – und diese wurden von der Solidarität der Banken und des Finanzplatzes getragen.

Thema Europäische Bankenunion …

Damit eine Bankenunion funktioniert, sind drei Elemente nötig: die Überwachung, die Einlagensicherung (Absichern vom Vermögen der Bankkunden) und eine Institution zur Abwicklung von in Schieflage geratenen Kreditinstituten. Die europäische Einlagensicherung fehlt aber immer noch. Einige Länder sind gegen eine „Transferunion“. Sie sind nicht bereit, für marode Banken in Italien, Spanien oder Griechenland zu zahlen. Deren Bilanzen sind immer noch nicht vollständig bereinigt und enthalten noch zu viele faule Kredite. Nur langsam wird es besser. Die Situation ist verfahren. Wir warten auf die nächste EU-Kommission und ihre Vorschläge in diesen Bereichen.

Sind Sie zufrieden mit der Bankenunion?

Die ABBL war von Anfang an für eine europäische Lösung. Als kleines Land mit einem großen Finanzplatz sind europäische Lösungen immer von Vorteil. Wir haben hierzulande viele Filialen von internationalen Banken. Und gerade im Rahmen der Finanzkrise haben wir gelernt, dass Risiken übersehen werden können, wenn Mutter und Tochter nicht gemeinsam unter die Lupe genommen werden. Das vorherige Modell, wo in jedem Land nur die dortigen Aktivitäten analysiert wurden, hat nicht funktioniert. Eine Finanzgruppe muss als Ganzes gesehen werden. Kosten der EZB-Bankenaufsicht in Frankfurt müssen jedoch die Banken selber tragen. Was die Kosten weiter anheizt.

Und wie hat sich die Einlagensicherung in Luxemburg verändert?

2015 hat Luxemburg das nachfinanzierte System, wo die Banken nach einer Krise einzahlen, in ein vorfinanziertes System umgewandelt. Nach drei Jahren liegen bereits 250 Millionen Euro bei der neuen Luxemburger Einlagensicherung FGDL. Und jedes Jahr kommen weitere 80 Millionen hinzu.

Vor einiger Zeit herrschte am Fondsplatz große Aufregung. Es hieß, Frankreich habe es geschafft, Luxemburg auszubooten. Künftig müssten Luxemburger Gesellschaften bei einer Reihe Tätigkeiten erst eine Erlaubnis (von einer EU-Finanzaufsichtsbehörde) in Paris anfragen …Das wird alles nicht eintreffen. Die ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsicht) in Paris wird nicht, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, insgesamt mehr Macht erhalten. Auch die EBA (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), wo große Länder das Sagen haben, sollte umgebaut werden. Das findet aber in diesem Maße nicht statt. Die Vorschläge der EU-Kommission wurden nicht angenommen. Und das begrüßen wir auch, da wir der Meinung sind, dass die Aufsicht dort am effektivsten ist, wo das Geschäft getätigt wird. Bald wird eine neue Kommission mit neuen Vorschlägen kommen. Die werden wir uns genau ansehen und da, wo es Sinn macht, auch mittragen.

Auch wird hierzulande viel über Fintech geredet. Zentrum scheint in Europa trotzdem London zu sein …

… und wird auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Alles, was danach kommt, steht in den Sternen. Über Fintech wird in Luxemburg aber nicht nur geredet, es wird auch viel gemacht. In den Bereichen Payments, Cybersecurity, Fundtech, RegTech oder Cryptowährungen operieren namhafte Technologieunternehmen in Luxemburg oder als EU-Zentrale aus Luxemburg heraus. Die ABBL ihrerseits fördert Fintech auf unterschiedlichen Ebenen. Neben Arbeitsgruppen kooperieren wir auch mit der Uni und finanzieren Forschungsprojekte, u.a. im Blockchain-Bereich.

Die Laufzeit von Immobilienkrediten in Luxemburg wird immer länger. Geredet wird bereits über Immobilienkredite mit einer Laufzeit von 40 Jahren …

In Japan gibt es das bereits. Banken bieten langfristige Kredite von bis zu 100 Jahren. Für normale Wohnungen. Dann müssen drei Generationen zurückzahlen. Aber 40 Jahre ist doch eigentlich bereits zu lange. Die Banken sind jedoch auch an ihren Grenzen angekommen. Jedenfalls dürfen sie nicht mehr 100 Prozent einer Immobilie bezahlen. Der Kunde muss mindestens 20 Prozent der Finanzierung tragen. Wie schwierig das ist, wissen wir. Gerade in einem Umfeld von Negativzinsen. Wie soll man da etwas ansparen? Einfach die Zeit zu verlängern, ist keine Lösung. Klar ist, dass wir nicht so weitermachen können. Wir brauchen ein Umdenken. Ich stelle mir beispielsweise die Frage, warum auf Kirchberg kein Gebäude mehr als vier Stockwerke haben darf. Das ist Luxus. Wir verschwenden Land.

Als ABBL sind Sie auch in Schulen aktiv. Doch nicht jeder ist dafür …

Grundsätzlich halten wir es für sinnvoll, dass es ein Austausch zwischen Wirtschaft und Schule gibt. Ziel der Schule soll ja schließlich sein, Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, später einen Job zu finden. Viele begrüßen das, insbesondere Schüler und Schülerinnen, die einen Austausch mit Professionellen, die außerhalb der Schule arbeiten, als bereichernd empfinden. Im Bereich der Finanzbildung geht es uns aber nicht primär darum, in den Schulen präsent zu sein.

Unser vorrangiges Ziel ist es, dass jeder Schülerin und jedem Schüler eine ausreichende Finanzbildung zuteil wird. Wir möchten, dass Finanzbildung integraler Bestandteil des Lernplans wird. Nur so kann man helfen, dass Bürger informiert und verantwortungsbewusst ihre Entscheidung treffen, und dazu beitragen u.a. Überschuldung zu vermeiden.Um das Thema Finanzbildung oben auf der politischen Agenda zu halten, organisieren wir jedes Jahr die „Woch vun de Suen“, die sich an Primarschüler richtet. Spielerisch wird den Kindern vermittelt, wie man verantwortungsbewusst konsumiert und ein gewisses Verständnis für den Umgang mit Geld entwickelt.

Wird da Schleichwerbung für Banken betrieben?

Alle teilnehmenden Banken verpflichten sich schriftlich, auf Werbung zu verzichten. Gerade um diese Art von Vorwurf zu begegnen, ist strikte Neutralität geboten.

 

 

Hannert den Kulissen
13. Juni 2019 - 7.59

"Personalkosten haben um 3 Prozent zugelegt.".... warum wird in solchen Artikeln nicht von den Abfindungen gesprochen? Warum wird verschwiegen was die Direktion verdient? Wenn man schon von "Personalkosten" sprechen dann legen sie BITTE alles auf den Tisch. Wieviel Abfindung kriegt dann ein Direktor_In? Wer gewinnt am Gewinn dieser Banken?

Nëckel
7. Juni 2019 - 16.41

Die X Kontrollen werden von den Banken verlangt, um Steuerhinterziehung, Geldwäsche u.s.w. zu verhindern oder wenigstens zu begrenzen. Wenn dann schon die Banken diese Arbeit übernehmen sollen/müssen, dann sollen sie eigentlich auch finanzielle Entschädingungen bekommen. Wenn es dem Staat (den Steuerämtern) nicht gelingt, oder gelingen will, die genannten Delikte zu verhindern, und somit die Banken diese Rolle übernehmen müssen, dann gegen Zahlung bitte !

Le républicain zu London
6. Juni 2019 - 15.35

Na ja dann sollte man Mario in Frankfurt mal bitten wieder ordentliche Zinsen auf den Bankeinlagen zu zahlen, noch bevor er in Pension geht, oder zurück bei Goldman Sachs...