Aus dem Loch herausgearbeitet: Dirk Bockel über sein Leben nach dem Triathlon

Aus dem Loch herausgearbeitet: Dirk Bockel über sein Leben nach dem Triathlon

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Dirk Bockel war der erfolgreichste luxemburgische „Eisenmann“. Vor gut zwei Jahren hat er seine Karriere beendet. Anschließend musste er durch eine Scheidung hindurch und sich auch beruflich umorientieren.

Von unserem Korrespondenten Marc Biwer

Dirk Bockel ist nicht nur ein sympathischer Sportler, sondern war auch einer der besten Triathleten, die das Großherzogtum je hatte. Als Sportsoldat hielt kaum ein anderer Athlet die luxemburgische Fahne mit Stolz so hoch wie der gebürtige Waiblinger. Zunächst machte sich der heute 42-Jährige einen Namen auf der olympischen Distanz. Unvergessen bleibt sein Husarenritt bei den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking, die er als 25. beendete. Dann wechselte Bockel auf die langen Distanzen und zählte sieben Jahre lang zu den weltbesten Ironmen. Sein denkwürdigstes Ergebnis war der Sieg 2013 beim Challenge Roth, mit neuem Streckenrekord. Im Januar 2017 verabschiedete sich Dirk Bockel vom Leistungssport, er bleibt aber dem Triathlon verbunden.

Tageblatt: Es ist jetzt zweieinhalb Jahre her, dass Sie Ihre Triathlon-Karriere beendet haben. Bedauern Sie den Schritt im Nachhinein?

Dirk Bockel: Definitiv nicht, zumal der Rücktritt mehr oder weniger unfreiwillig geschah. Die Gesundheit spielte einfach nicht mehr mit. Das Leben lässt einem nicht immer die Wahl. Es gibt selbstverständlich Dinge, die ich sehr vermisse. Wie die vielen Länder, die ich durch den Sport bereisen konnte, und natürlich die große Triathlonfamilie. Auf der anderen Seite vermisse ich den Aufwand und die Anstrengungen, die man investieren musste, überhaupt nicht. Ich kann jetzt mein Leben genießen.

27 Jahre Triathlon zehren an der Gesundheit. Haben Sie heute immer noch Beschwerden?

Es läuft alles im grünen Bereich. Triathlon ist ein brutaler Sport, der die Muskeln überstrapaziert. Irgendwann muss man den Preis dafür bezahlen. Aber ich habe inzwischen gelernt, meinen Körper zu schonen, ich mache drei bis vier Mal Fitness pro Woche, so wie es Spaß macht. Ab und an denke ich, dass der lädierte Fuß Probleme bereitet, aber das kann auch Kopfsache sein. Ich habe etwas an Gewicht zugelegt, aber das ist normal. Der Körper reagiert ganz anders, ich bin halt keine 25 mehr.

Inwiefern hat sich der Rücktritt vom Leistungssport auf Ihr Privatleben ausgewirkt?

Es gab eine Zeit für mich, die nicht so toll lief. Zum Karriereende kam auch noch die Scheidung von meiner Frau hinzu. Das musste ich erst verarbeiten. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen, ich habe aber aus eigenen Stücken wieder herausgefunden. Viele ehemalige Profis schaffen es nicht, dieser Negativspirale zu entkommen. Ich habe mein Leben neu aufgebaut und viel Zeit in das Schreiben meiner Bücher gesteckt. Das hat mir geholfen. Ich hatte auch eine neue Beziehung und daraus entstand das Schönste, was einem im Leben passieren kann. Ich bin seit zehn Monaten Vater einer süßen Tochter. Auch wenn Luna leider nicht immer bei mir lebt, verbringen wir sehr viel Zeit miteinander.

Wie sieht Ihr Leben heute aus?

Der erste und schwerste Schritt war der Eintritt ins Berufsleben. Leider bekam ich dabei nicht die Hilfe, die ich mir erhofft hatte. Man gerät schnell in Vergessenheit. Aber ich habe jetzt Fuß gefasst und arbeite als „Educateur gradué“ im Centre socio-éducatif in Dreiborn. Ich bastele aber noch an einer anderen Karriere und hoffe, dass mir das gelingt. Ich wohne jetzt fest in Luxemburg, an der Mosel, und ich fühle mich sehr wohl dort. Ich liebe es, im Einklang mit der Natur zu leben. Parallel treibe ich Sport und ich habe einen straffen Zeitplan. Beschäftigung ist die beste Therapie.

Sie haben Ihr Buchprojekt bereits angesprochen. Wie ist es damit gelaufen?

Das Buch dreht sich nicht um Dirk Bockel, sondern um Triathlon mit meinen Erfahrungswerten. Es hat sich gut verkauft, bisher gingen rund 4.000 Exemplare über den Tisch. Ich habe das Buch nicht aus kommerziellen Gründen geschrieben, aus dem Erlös ging das meiste Geld an diverse Spendenaktionen. Mittlerweile ist es in verschiedenen Formen erhältlich, auch als Kindle oder E-Book. Ich bin in diesem Jahr wieder beim Challenge Roth engagiert und dort kann man das Buch bei einem Spiel gewinnen. Alle Athleten erhalten zudem 50 Prozent Rabatt.

2009 sind Sie vom Triathlon zum Ironman gewechselt, kennen also beide Facetten dieser Sportart. Wo sehen Sie den Unterschied?

Beide haben ihre Vorzüge. Auf der olympischen Distanz dominieren natürlich die WM-Läufe, die Weltcups und ganz besonders die Olympischen Spiele. Olympia gibt es auf den langen Distanzen noch nicht, aber ich finde dennoch, dass diese Rennen mehr Prestige besitzen und deutlich interessanter sind. Das können aber persönliche Eindrücke sein, weil ich auf der langen Strecke die größeren Erfolge feiern konnte. Für jeden Triathleten ist ein Start auf Hawaii ein Highlight. Beim Trainingsaufwand ist der Unterschied nicht so groß, man muss in beiden Disziplinen viel investieren, weil es ja drei Sportarten sind. Im Wettkampf ist der Unterschied deutlicher. Beim Ironman kommt es auf die Ausdauer und die richtige Taktik an. Die richtige Ernährung während des Rennens ist genauso wichtig wie die Zeiteinteilung. Ohne sie kommst du nicht ins Ziel.

Mittlerweile wird die olympische Distanz sogar halbiert. Wie sehen Sie das?

Der internationale Verband hat da einen Trend gesetzt, der nicht unbedingt förderlich ist. Keine Ahnung, was diese Sprints für einen Sinn machen. Aus meiner Sicht könnten zwei Beweggründe zur Entscheidung geführt haben: Zum einen sind die Athleten jünger geworden, sie sind schnell, haben aber nicht genügend Ausdauer. Zum anderen spielt das liebe Geld der ITU in die Karten. Sprints sind kurz und knackig, damit interessanter für die Zuschauer und bringen folglich mehr Einschaltquoten.

Wie sehen Sie den Ironman heute?

Auch hier dominiert das Geld. Es gibt viel mehr Events, als das früher der Fall war. An jedem Wochenende hat man die Qual der Wahl und kann sich Preisgelder einholen. Es werden auch immer mehr Wettbewerbe ins Leben gerufen, wie die Ironman- oder Challenge-Serien. Aber für mich übt der Ironman nach wie vor eine große Faszination aus.

Wie bewerten Sie den Remicher Ironman?

Ganz ehrlich, was die langen Distanzen betrifft, zählt dieser Ironman für mich zu den schönsten Rennen auf der Welt. Die Strecke hat eine riesige Vielfalt zu bieten, optisch und sportlich. Vom Niveau her steht das Event eher in der unteren Kategorie, weil die Preisgelder nicht sehr hoch sind. Damit ist die luxemburgische Veranstaltung nicht so interessant für die Superstars der Szene. Aber hin und wieder gehen Topleute in Remich an den Start. Für Luxemburg eine tolle Sache und für viele Triathleten eine gute Vorbereitung auf andere Aufgaben.

Persönlich finde ich es schade, dass nicht mehr Luxemburger in die Organisation eingebunden werden. Ich habe schon mehrfach meine Hilfe angeboten, aber man will sie nicht haben. Natürlich würde ich als Freiwilliger arbeiten.

Haben Sie noch Kontakte zur Triathlonszene, insbesondere der luxemburgischen?

In Luxemburg leider nicht so sehr. Jedenfalls nicht offiziell. Ich kenne viele Athleten, richtigen Kontakt gibt es aber nicht und ich dränge mich nicht auf. Die Trennung verlief bei meinem Karriereende nicht ganz harmonisch, das muss ich zugeben. Ab und an begegnet man sich. Ich habe eine gute Beziehung zu Bob Haller, mit dem ich schon gemeinsam ein Schwimmtraining absolviert habe und dem ich manchmal auf der Radstrecke begegne. Dann drehen wir gemeinsam ein paar Runden. Ein toller Kerl, dem ich die Olympia-Qualifikation zutraue.

International habe ich immer noch meine Beziehungen. Seit einigen Jahren bin ich beim Challenge Roth engagiert, mal als TV-Kommentator und mal als Kommentator für den Livestream. In diesem Jahr (7. Juli, die Red.) werde ich wieder den Livestream moderieren, auf Englisch. Ich setze aber nicht nur auf Triathlon, sondern suche mir auch andere Herausforderungen. So wie beispielsweise Skifahren auf einem Gletscher – ich habe das am Mont Blanc erfolgreich versucht.

Werden Sie sich den Ironman am Sonntag in Remich vor Ort anschauen?

Das hängt vom Wetter ab, das war in den letzten Jahren ja nicht immer toll. Aber wenn es nur irgendwie möglich ist, werde ich mit meiner Tochter das Rennen besuchen. Es ist wie gesagt ein tolles Rennen und bei Sonnenschein herrscht auch eine gute Stimmung. Ich bin gespannt, wie sich das Rennen in Zukunft entwickeln wird.

Zahlen
14. Juni 2019 - 16.06

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