Architekt François Valentiny fordert: „Notre-Dame so aufbauen, wie sie war“

Architekt François Valentiny fordert: „Notre-Dame so aufbauen, wie sie war“

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Seit der Brandkatastrophe vom 15. April schicken Architekten aus aller Welt Entwürfe für den Wiederaufbau der Kathedrale von Notre-Dame de Paris ins Rennen. Doch wie lässt sich das kulturelle Erbe am besten wiederherstellen und bewahren? Im Interview hat der Luxemburger Architekt François Valentiny eine klare Meinung: Die Kathedrale dürfe nicht zweckentfremdet werden, sondern müsse so aufgebaut werden, wie sie war.

Von Marco Goetz

Tageblatt: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie die Bilder der brennenden Kathedrale gesehen haben?
François Valentiny: Ich war in China. Meine Tochter hat mich darüber informiert. Mein erster Gedanke, als ich den brennenden Vierungsturm gesehen habe, war, dass jetzt jene Dachaufbauten abbrennen, die im 19. Jahrhundert von Viollet-le-Duc neu interpretiert und dorthin gesetzt wurden. Der ursprüngliche Vierungsturm war schon im 14. Jahrhundert eingestürzt. Insgesamt haben die Bilder mich aber sehr traurig gestimmt.

Was bedeutet die NotreDame für Sie?
Sie ist neben dem Eiffelturm eines der Wahrzeichen von Paris, ein Referenzort. Sie steht für viele Jahrhunderte europäischer Geschichte. Die Notre-Dame ist ja nicht aus dem Nichts entstanden. An ihrer Stelle stand einst ein heidnischer Tempel. Die Römer haben darauf aufgebaut. Anschließend wurde es eine christliche Kirche und dann eine gotische Kathedrale – so, wie wir sie heute kennen.

Nun soll ein Architektenwettbewerb für die Rekonstruktion der Kathedrale ausgeschrieben werden. Was halten Sie davon?
Ich habe mich gefragt, was dieser Unfug soll. Warum will die Politik einen Architektenwettbewerb ausrufen? Da drängt sich doch sofort die Frage der Vereinnahmung eines Sinnbildes, einer „Marke“ auf. Zu allererst müsste doch definiert oder in Erinnerung gerufen werden, was diese Kathedrale für Paris und überhaupt für die europäische Geschichte bedeutet und was dort immer stattgefunden hat. Und was man gerne hätte, das später, nach der Rekonstruktion, dort stattfinden soll. Wenn ich die vorgeschlagenen Projekte betrachte, die wohl nichts mit der vorgesehenen Ausschreibung für Architekten zu tun haben, dann ist das ja irgendwie interessant und verlockend. Da sieht man zum Beispiel eine riesige Lichtfackel oder eine Glaskonstruktion mit Bäumen, und das Ganze auf dem begehbaren Dach der Notre-Dame, mit Blick auf Paris. Toll – aber geht es jetzt darum, einen Event-Ort zu schaffen?

Worum geht es dann?
Es geht um Respekt und Demut! Wenn man jetzt etwas anderes als Rekonstruktion vornimmt, dann ginge es ja eigentlich darum, die Notre-Dame so zu verändern, dass sie dem Geschmack der heutigen Event-Architektur entspricht. Das heißt, dass wir aus einer Kathedrale etwas anderes machen als das, wofür sie gedacht war. Ich kann das persönlich sehr schwer akzeptieren. Man kann natürlich unterschiedlicher Meinung sein, was die technische Umsetzung der Rekonstruktion anbelangt, äußerlich aber darf man meines Erachtens nach nichts verändern – also beispielsweise indem man etwas schafft, das vor diesem Brand so nicht da war und das ganze Gebäude zweckentfremden würde.

Es ist hier eben nicht eine Frage des Designs, sondern eine Frage, wie wir als Gesellschaft die Notre-Dame in die Geschichte einordnen. Die Spuren und die Zerstörungen der Französischen Revolution sind ja auch verschwunden und nicht sichtbar belassen worden. Der Brand der Notre-Dame war eine Katastrophe und ist auf einen Unfall zurückzuführen. Die Kirche ist weder zerfallen, noch wurde sie durch Krieg zerstört. Dann wäre die Frage der Rekonstruktion eine andere. Es ist zum Beispiel klar, dass man den symbolträchtigen Reichstag in Berlin nicht mehr genau so aufbauen durfte, wie er vor dem Krieg war.

Wie würden Sie die Rekonstruktion der Notre-Dame angehen?
Ich würde sie so aufbauen, wie sie vor dem Brand war. Architekten müssen hier nicht zeigen, wie kreativ sie sind. Ein Haus ist abgebrannt, es soll wiederaufgebaut werden – fertig. Ich habe letztens ein Gespräch mit Architekten-Kollegen geführt, und da waren wir alle einer Meinung; nämlich, dass man es in diesem Fall wirklich nicht nötig hat, etwas anderes vorzunehmen als die Wiederherstellung. Dabei ist es nicht wichtig, altes Holz zu finden, um den Dachstuhl originalgetreu zu errichten. Neues Holz bringt’s auch. Aber nur wenn man die Notre-Dame so errichtet, wie sie war, kann das Wissen der Vergangenheit gerettet und weitervermittelt werden. Vor allem Frankreich hat kompetente Architekten und Handwerker, die in Hinblick auf die Handwerkskunst der Vergangenheit ausgebildet wurden.

Es wäre ein Ausdruck von Nationalstolz, der auf Respekt basiert, die Kathedrale, wie Präsident Macron es verkündete, in fünf Jahren wiederaufzubauen. Und dies mit dem über Jahrhunderte gesammelten Wissen und den Kompetenzen der Fachleute von heute. Es wäre eigentlich ein Drama, wenn wir mit unseren Kompetenzen heute keine gotische Kathedrale mehr originalgetreu nachbauen könnten. Also bauen wir die Notre-Dame wieder so auf, wie sie war! Eigentlich könnte morgen schon damit begonnen werden.

Alles aufbauen – so wie das „Teatro La Fenice“ in Venedig oder das Schloss Windsor?
Genau. Oder wie die Frauenkirche in Dresden, wo die Frage der Identität im Vordergrund stand. Aufbauen nach historischem Vorbild, ein Zeichen setzen gegen den Wahn der Zweckmäßigkeit und zeigen, dass die Formgebung von Bauten etwas mehr ist als Design.

 

Jang
22. Mai 2019 - 17.37

Do huet den Herr Stararchitekt och recht, ëtt wonnert mech zwar déi doten Ausso.

Nomi
22. Mai 2019 - 14.05

Di Charpente muss net mat schwei'erem Eechenholz rem opgebaut ginn ! Et geet och mat Stohlprofiler, daat ass mei' liicht fir di Dro-Maueren !! Gut Beispill vun Cohabitatio'un vun All an Modern : D'Pyramid vum Louvre !