OGBL-KongressArbeitsminister verlangt Sozialdialog

OGBL-Kongress / Arbeitsminister verlangt Sozialdialog
Arbeitsminister Dan Kersch spricht vor dem OGBL-Kongress Foto: Julien Garroy / Editpress

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Nachdem der erste Tag des 8. OGBL-Kongresses vor allem im Zeichen von Wahlen stand und die Delegierten der Gewerkschaft erstmals in der Geschichte eine Präsidentin gewählt hatten, hieß es demnach an Tag 2 im Hémicycle „Back to the future“. Der Samstag begann mit dem Grundsatzreferat von Nora Back, aber auch Arbeitsminister Dan Kersch und Energieminister Claude Turmes gaben sich die Ehre.

Kontinuität habe innerhalb des OGBL eine große Bedeutung, so die neue Präsidentin Nora Back. Diese sei im Zusammenhang mit den gewerkschaftlichen und menschlichen Werten der Organisation zu sehen, die allerdings als Bewegung auch in Bewegung bleiben müsse und sich den verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen müsse. Allerdings wolle die Organisation nicht auf Klatsch-und-Tratsch-Niveau sinken und mit Schlagwörtern operieren, sondern setze auch weiterhin auf Inhalte und eine qualitativ hochwertige Wissensvermittlung. Wie ihr Vorgänger André Roeltgen am Tag zuvor, ging sie auf die schrittweise Demontage der sozialen Rechte in Europa ein: Zurzeit lebten wir im „Europa der letzten Chance“. Statt zusammenzuwachsen, würden die Länder auseinanderdriften, physische, psychische und kulturelle Grenzen würden wieder eingeführt. Statt Brücken würden Mauern gebaut. 

Mauern statt Brücken

Back rief zu größerer Solidarität innerhalb der Union, aber auch mit dem Rest der Welt auf. Der europäische Integrationsprozess stehe seit Jahren im Zeichen des wirtschaftspolitischen Liberalismus, der ein profitorientiert sei; dies auf Kosten der Menschen und der Umwelt. Eine neue Politik, die zu anständigen Löhnen, Renten sowie Sozialleistungen führt und breite öffentliche Investitionsprogramme beinhaltet, würde jetzt gebraucht.

Doch auch die Erderwärmung, die wir aktuell erleben und deren Auswirkungen mittlerweile auch in Luxemburg spürbar sind, sei ein reales Problem, dem der OGBL mit Klimagerechtigkeit und sozialer Transition begegnen werde. Eine karbonfreie Gesellschaft müsse auf sozial gerechte Weise realisiert werden.

Das Thema der bestehenden und wachsenden Ungleichheiten nahm daneben breiten Raum in der programmatischen Rede der neuen Präsidentin ein mit Verweisen auf ungerechte Steuerpolitik, auf die Notwendigkeit eines höheren Mindestlohnes, auf nicht-indexierte Familienleistungen und schließlich auf die herrschende Wohnungsnot im Lande. Wohnen sei ein Grundrecht und die von der Gewerkschaft wiederholt präsentierten Forderungen auf dem Gebiet, die sich gegen Spekulanten richten und große öffentliche Investitionen in dem Bereich verlangen, müssten schnell umgesetzt werden. Eine entsprechende Kampagne werde in den kommenden Wochen und Monaten dafür eintreten.        

Sozialdialog in Verfassung

Der Sozialdialog müsse gestärkt werden, so Back; er sei das wichtigste Element zur Gestaltung der Wirtschaft und der Gesellschaft und gehöre in die Verfassung eingeschrieben. Das Salariat habe ein Recht auf Mitbestimmung, wir bräuchten mehr Demokratie in der Arbeitswelt, eine These, die der Arbeitsminister etwas später unterstützen sollte. „Ech weess, ech kann op Iech zielen, an Dir kënnt och op mech zielen. Vive den OGBL!“, so beendete die frisch gebackene Präsidentin ihre erste wichtige Ansprache vor dem Kongress und wurde mit stehenden Ovationen bedacht.

Arbeitsminister Dan Kersch unterstrich während seiner Gastrede, dass die Arbeitswelt vor großen Herausforderungen stehe. Neuregelungen seien auf vielen Gebieten, etwa bei der Interimsarbeit, bei der Arbeitsmedizin, bei den Reklassierungsprozeduren, beim Kollektivvertragsrecht sowie bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben notwendig. Die Regierung habe diesbezüglich ein klares Programm und er werde nicht als neutraler Beobachter auftreten, sondern versuchen, dieses Programm, das die anstehenden Herausforderungen angehen soll, umzusetzen.

Zug verpasst

Er warnte, ohne die UEL („Union des entreprises luxembourgeoises“) zu nennen, „jene, die die Konfrontation provoziert haben“, er werde „mit oder ohne sie“ den vorgesehenen konstruktiven Beitrag der Regierung zum Schutz der Betriebe und des Salariats durchsetzen. Es sei schon mehr als ein Zug ohne wichtige Fahrgäste in den Bahnhof eingefahren, wenn diese vergessen hatten einzusteigen, so Kersch unzweideutig.

Energieminister Claude Turmes brach während seiner kurzen Intervention eine Lanze für die zahlreichen Grenzgänger, die, da sie in Luxemburg Steuern zahlen, auch uneingeschränkt von den Sozialleistungen des Landes profitieren müssten. Beim Klimaschutz hätten wir 30 Jahre verloren, jetzt blieben noch höchstens zehn Jahre Zeit, um die notwendigen Gegenmaßnahmen umzusetzen. In Luxemburg werde dies mit sozialen Kompensationen geschehen; die Hälfte der CO2-Abgabe werde in solche Maßnahmen fließen.

Der Nachmittag des zweiten Kongresstages war dann der Vorstellung, Diskussion und Verabschiedung des Programms für die kommenden Jahre und einer Resolution vorbehalten. Frédéric Krier und Jean-Luc de Matheis präsentierten die ausführlichen Texte.

Das komplette Programm, das auf ogbl.lu eingesehen werden kann, zeigt die Forderungen der Gewerkschaft in allen Lebenslagen und in jedem Alter. Es reicht von der Kinderbetreuung, über das Schulwesen, den Eintritt in das Berufsleben und die Arbeitswelt, bis hin zu den Renten. Der rote Faden des Programms, das die Arbeit der Organisation während der kommenden Jahre vorgeben wird, ist ein starker Sozialstaat.