Annegret Kramp-Karrenbauer: „Ich stehe mit einem eigenen Profil vor den Mitgliedern“

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Annegret Kramp-Karrenbauer will den CDU-Vorsitz von Angela Merkel übernehmen. Im Tageblatt-Interview spricht sie über ihre Mitbewerber, ihr Verhältnis zu Angela Merkel und die große Frage Migration. 

Von Unserem Korrespondenten Werner Kolhoff

Keine künstliche Abgrenzung von Angela Merkel, aber durchaus eigene Positionen. So versucht Annegret Kramp-Karrenbauer, die frühere saarländische Ministerpräsidentin, die Mehrheit der CDU im Rennen um den Parteivorsitz zu gewinnen.

Was können Sie besser als Friedrich Merz?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Ich habe 18 Jahre Regierungserfahrung, ich habe Wahlen gewonnen und ich kenne die Partei in- und auswendig.

Was können Sie besser als Jens Spahn?

Das, was ich eben gesagt habe. Dazu die Fähigkeit, die Partei zusammenzuhalten. Ich habe ein gutes Gespür für die CDU.

Erst 18 Jahre Kohl, dann 18 Jahre Merkel – finden Sie, dass es der Partei guttut, wenn einer sie so lange führt?

Wenn das mit Regierungsverantwortung einhergeht, bleibt eine so lange Zeit nicht ohne Wirkung auf die Partei. Man merkt ja jetzt, wie groß der Wunsch nach stärkerer Beteiligung und Diskussion ist. Aber: Kein Vorsitzender wählt sich selbst, er wird jedes Mal gewählt.

Wie lange geben Sie sich denn selbst als Vorsitzende?

Das muss letztlich die Partei entscheiden. Für mich persönlich wäre wichtig, ob ich gemeinsam mit meinen Parteifreunden noch genug Dynamik entfalten kann, um die CDU nach vorne zu bringen.

Sie sprechen oft von Erneuerung der CDU. Dabei hat Angela Merkel die Partei inhaltlich doch schon modernisiert.

Das stimmt, und das hat uns auch in die Lage versetzt, mit den Veränderungen in der Gesellschaft mitzugehen. Ich meine mit Erneuerung vordringlich insbesondere die Art, wie wir Entscheidungen treffen, wie wir die Mitglieder mitnehmen, wie wir nach innen und außen kommunizieren. Konkret: Ich will Entscheidungsprozesse wieder umkehren. Und ich meine damit auch, dass wir unser Grundsatzprogramm auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen müssen.

Muss die CDU wieder konservativer werden, um AfD-Wähler zurückzugewinnen?

Ganz generell gibt es in der Gesellschaft einen Vertrauensverlust in die Politik, auch in die Politik der CDU. Das hat mit dem Eindruck zu tun, dass der Rechtsstaat nicht mehr durchsetzungsfähig genug ist. Hier muss man ansetzen. Das hat aber mit konservativ nichts zu tun, sondern ist die Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gemeinwesen überhaupt funktionieren kann.

Ist es für Sie nicht ein Problem, dass Sie Erneuerung sagen, aber für viele Mitglieder wirken wie eine zweite Angela Merkel?

Ich habe als Generalsekretärin eigene Akzente gesetzt. Etwa mit der Debatte um ein Gesellschaftsjahr, meinem klaren Standpunkt zum Erhalt des Werbeverbots für Abtreibungen oder der Forderung nach Entschädigung für Dieselfahrer. Es gibt vieles, was mich mit Angela Merkel verbindet, politisch und persönlich. Es gibt auch Punkte, die uns trennen. Aber ich werde mich auch nicht künstlich von ihr absetzen. Das ist für mich eine Haltungsfrage. Ich stehe mit einem eigenen Profil vor den Mitgliedern.

Bei den Regionalkonferenzen wird stark über das Migrationsthema diskutiert. Ist das tatsächlich die Mutter aller Probleme oder eine verzerrte Wahrnehmung?

Es ist ganz sicher nicht die Mutter aller Probleme. Bereits bei meiner Zuhör-Tour mit über 40 Terminen durch die Partei war Migration zwar überall ein Thema, aber eben nicht auf Platz eins oder gar ausschließlich. Aber ich möchte, dass wir in der CDU das Thema klären. Wir müssen aufarbeiten, was seit 2015 geschehen ist. Wir dürfen das nicht so lange mit uns mitschleppen wie die SPD das Thema Hartz IV. Deshalb müssen wir Bilanz ziehen: Wo stehen wir heute in der Flüchtlingspolitik, was müssen wir noch verbessern? Ich möchte dazu im Frühjahr ein Werkstattgespräch veranstalten.

Muss die Kommunikation der Regierung bei diesem schwierigen Thema besser werden?

Der UN-Migrationspakt ist ein klassisches Beispiel dafür, dass man in den Ministerien zu spät bemerkt hat, welche Ängste und Befürchtungen es gibt. Ganz unabhängig davon, ob das von Propaganda getrieben ist oder nicht. Wir müssen als Partei viel bessere Sensoren haben und viel früher in solche Debatten mit einsteigen. Ich habe deshalb kein Problem damit, dass wir darüber auf dem Parteitag diskutieren werden. Ich bin mir sicher, dass wir die Fragen beantworten können. Ich bin allerdings der Auffassung, dass man von denjenigen, die Führungsanspruch in unserer Partei erheben, erwarten kann, dass sie zu Beginn einer solchen Diskussion mal erklären, wo sie selbst stehen.

Sie meinen Jens Spahn?

Ich meine meinen Anspruch an mich selbst.

Wenn Sie CDU-Chefin werden, folgt dann irgendwann auch die Kanzlerschaft?

Man kann sich nicht um den CDU-Parteivorsitz bewerben, ohne die Möglichkeit zu akzeptieren, dass es einmal zu dieser Frage kommen kann. Ob es irgendwann wirklich dazu kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Im Moment stellt sich diese Frage aber nicht, weil wir eine Regierung und eine Kanzlerin haben. Und meine Aufgabe als Parteivorsitzende wird es sein, mit dafür zu sorgen, dass diese Regierung mit Angela Merkel bis zum Ende der Legislaturperiode ihre Arbeit machen kann.

Sie, Heiko Maas, Peter Altmaier, Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine, bis vor kurzem auch noch Grünen-Vorsitzende Simone Peter – alles Saarländer. Was hat das Saarland, was andere nicht haben?

Im Moment sicher eine ganze Reihe von anerkannten Persönlichkeiten in der Bundespolitik. Aber es gab auch schon Phasen, wo andere Länder mehr dominiert haben. All die von Ihnen Genannten haben die Aufgabe, neben der Vertretung der eigenen Positionen immer auch ein waches Auge auf das Saarland und sein Wohlergehen zu haben.