Amazon: Wie zwei Unternehmerinnen den Onlineversandhändler erlebt haben

Amazon: Wie zwei Unternehmerinnen den Onlineversandhändler erlebt haben

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Vor zwei Jahren begann für die Luxemburgerin Lynn Mallinger und die Spanierin Alba Garcia eine Reise in die digitale Marktwelt von heute. Mit ihrer Marke Naturastic haben sie den Sprung ins Unternehmertum gewagt und den Verkauf ihrer Ware bei Amazon gestartet. Rund 170 versandte Mikrofasertücher und Dutzende von gehörten Podcasts später blickt das Duo zurück auf die Anfänge seines kleinen Business und verrät, wie das Leben als Amazon-Verkäufer wirklich aussieht.

Von Laura Tomassini

Es ist fast so, als wolle man den breitesten Fluss der Welt überqueren: Wer als Verkäufer bei Amazon ans andere, finanziell rentable Ufer gelangen will, der muss Geduld mitbringen – und das nötige Kleingeld. Denn das größte Onlineversandportal der Welt besitzt nicht nur eine umfangreiche Auswahl an Waren, sondern entpuppt sich, insbesondere für Anbieter, wahrhaftig als virtueller Dschungel. Nur wer fast akribisch die Marktstrategien des Internetgiganten studiert, findet sich im digitalen Urwald wieder. Wem dies gelingt, der kann bei Amazon das ganz große Geld machen. Ein verlockendes Angebot, das auch Lynn Mallinger und Alba Garcia neugierig gemacht hat.

Das luxemburgisch-spanische Duo zählt sich selbst zur Generation „Wanderlust“ und verdient sein Geld seit einigen Jahren als sogenannte digitale Nomaden. „Wir haben damals nach einem Job gesucht, mit dem wir von überall in der Welt aus arbeiten können und für den wir eigentlich nur Wi-Fi benötigen“, erzählt Lynn Mallinger. Gefunden hat das Paar den riesigen Onlinemarkt von Amazon. „Der Start beim Verkaufsportal wirkt eigentlich auf den ersten Blick ganz leicht. Man benötigt kein Lager und muss nicht vor Ort sein, um seine Ware zu verkaufen, was für Reisende natürlich ideal ist. Außerdem muss man sich keine eigene Klientel aufbauen, da Amazon bereits ein riesiges Netzwerk an Kunden besitzt“, erklärt Alba Garcia.

Konkurrenzdruck

Die Entscheidung war demnach schnell getroffen – im Gegensatz zur Wahl der richtigen Ware. Wichtig war es dem Paar von Anfang an, ein Produkt zu finden, das gerade populär ist und ihren eigenen Lebensstil widerspiegelt. „Mikrofaserhandtücher sind für uns Reisende perfekt, da man oft schon um 10 Uhr aus Hotels auschecken muss und davor aber noch duschen möchte. Ein herkömmliches Handtuch braucht sehr lange, um zu trocknen. Bei unseren geht das viel schneller und mit dem Karabinerhaken oder der Schlaufe lässt sich das Tuch ganz einfach am Rucksack befestigen“, sagt Alba.

Die Tücher von Naturastic gibt es in vier unterschiedlichen Farben, pro Design wurden 120 Stück produziert, für ein Startkapital von 4.000 Euro. Verkauft werden die Produkte mittels der „Fulfilled by Amazon“-Methode. „Hierbei übernimmt Amazon die Lagerung, den Versand, die Rückgabe und den gesamten Kundenservice unserer Ware, was allerdings sehr kostspielig ist“, erklärt Mallinger. Demnach behält das Portal am Ende eines jeden Verkaufs rund ein Viertel des Produktpreises, eine weitere Hälfte wandert an den Hersteller in China. Das übrige Viertel sollte so eigentlich den Gewinn für die jungen Unternehmer darstellen, wäre da nicht ein klitzekleiner Haken: die Werbung.

Denn wer für Kunden sichtbar sein will, der muss im Amazon-internen Ranking ganz vorne mitspielen. „Es besteht ein sehr starker Konkurrenzdruck, man muss seine Preise konstant dem aktuellen Markt anpassen und als kleiner Unternehmer ist der finanzielle Spielraum natürlich viel enger als bei Großverkäufern“, merkt Garcia an.

Business mit gekauften Testern

Überlebenswichtig für die Anbieter sind daher positive Kundenrezensionen, welche die Platzierung der Ware auf den ersten Seiten des Portals sichern. „Viele Verkäufer bezahlen Kunden, um ihnen eine gute Kritik zu hinterlassen. Dafür gibt es ganze Gruppen auf Facebook, aber das ist uns zu riskant, da es gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon verstößt“, meint Lynn. Dennoch existiert ein regelrechtes Business mit solchen gekauften „Testern“, die sich über diverse Apps bei den Anbietern melden können, um gratis Produkte im Gegenzug für positive Rezensionen zu erhalten. „Niemand nimmt sich die Zeit, eine gute Kritik zu verfassen. Kommentiert wird nur von denen, die unzufrieden sind. Es ist also wirklich schwer, echte Bewertungen zu erhalten, daher greifen auch so viele Anbieter auf illegale Methoden zurück“, so die Luxemburgerin.

Auch Naturastic hat die Erfahrung gemacht, dass man als authentische Verkäufer oftmals im direkten Vergleich mit anderen auf der Strecke bleibt. „Viele positive Reviews bedeuten noch lange nicht, dass das Produkt auch überzeugt. Die Handtücher unseres Hauptkonkurrenten haben eine richtig schlechte Qualität und dennoch besitzt dieser Hunderte von positiven Bewertungen. Kunden sollten sich stets bewusst sein, dass Rezensionen eher eine Marketingstrategie sind als ehrliche Meinungen“, erklärt Garcia. Es gibt aber auch legale Wege, um den Erfolg bei Amazon anzukurbeln, wie die beiden erläutern: „Ein Beispiel sind gesponserte Produkte. Diese werden meist auf den ersten Seiten angezeigt, weil die Anbieter für die Position bezahlen.“

Eine weitere Alternative sind sogenannte Keywords. Hierbei handelt es sich um Suchbegriffe, die potenzielle Kunden zu den vereinzelten Produkten leiten. Klingt eigentlich ganz simpel, doch hinter der im Internet gängigen Methode steckt ein komplexes Zahlungssystem. „Verlinkt man als Verkäufer sein Produkt beispielsweise mit dem Suchbegriff ‚Mikrofaserhandtuch‘, bezahlt man pro Klick, der durch dieses Keyword zustande gekommen ist, etwa drei Euro“, erläutert Garcia. Viele Klicks erhöhen so zwar die Chance auf einen Verkauf, können dem Anbieter aber auch schnell ein Loch ins Portemonnaie reißen.

Schwieriger Weg

„Unsere Strategie ist es daher, sehr generelle Suchwörter zu vermeiden und lieber präzisere, sogenannte ‚Long Tail Keywords‘, zu verwenden“, erzählt die 33-Jährige. Auf diesem Weg vermeidet das Duo unnötige Klicks und erreicht eher Kunden, die nach einem ganz konkreten Produkt suchen – und dieses im besten Fall auch kaufen. Diese Methode hat ebenfalls den Vorteil, dass eine gewisse Relevanz des Produktes innerhalb des Portals entsteht und so das kostspielige Sponsoring ersetzen kann. „Man nennt dies organisches Ranking, was bedeutet, dass Amazon das Produkt auch ohne Bezahlung auf den ersten Seiten platziert, da es scheinbar für Kunden relevant ist“, ergänzt die Spanierin.

Generell gestalte sich der Weg zum Erfolg via Amazon für kleine Unternehmer eher als schwierig. „Amazon bietet zwar diverse Hilfe-Tools an, aber man muss sein Budget täglich festlegen und auch überprüfen, sonst verliert man schnell den Überblick. Und Geld, das nicht genutzt wurde, fließt nicht automatisch aufs eigene Konto zurück, sondern schwebt irgendwo herum, ohne dass man es wirklich kontrollieren kann.“ Dennoch bleibt Amazon für digitale Nomaden wie Lynn und Alba ein Markt, der interessant ist und den es weiterhin auszuschöpfen gilt. „Schließlich ist es passiv verdientes Geld. Du wachst vielleicht am Morgen auf und hast über Nacht zehn Handtücher verkauft. Das geht nur im Internet“, sagt Garcia.

Genau diese scheinbar unendlichen Möglichkeiten sind es, die immer mehr aufstrebende Unternehmer in den digitalen Verkaufsdschungel locken. Und auch wenn die Zahlen im Moment für Naturastic noch eine andere Sprache sprechen: Lynn und Alba haben bereits das nächste Produkt in petto, mit dem sie die Tücken von Amazon überwinden wollen.