50 Jahre Prager Frühling: Als der ganze „Knuedler“ schwieg

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Der 21. August 1968 ließ auch Luxemburg nicht kalt. In fast allen Ortschaften des Landes gingen Menschen aus Solidarität mit der Tschechoslowakei auf die Straße. Und einige waren sogar mittendrin, als die sowjetischen Panzer in Prag einrollten.

Chronologie der Ereignisse

Im August 1968 wird die sozialistische Reformbewegung des Prager Frühlings gewaltsam erstickt. Die wichtigsten Stationen einer dramatischen Entwicklung:

5. Januar 1968:
Alexander Dubcek (1921-1992) wird Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSC). Er steht für einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“.

5. April 1968:
Das KSC-Zentralkomitee beschließt ein Aktions- programm, das große Erwartungen hervorruft.
Es sieht gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen vor.

8. April 1968:
Ernennung der neuen Regierung unter Ministerpräsident Oldrich Cernik (1921-1994).

24. Juni 1968:
Aufhebung der staatlichen Pressezensur.

20. August 1968:
Als Flugzeuge der Aeroflot getarnte sowjetische Maschinen landen als Vorhut nach 21 Uhr auf den Flughäfen in Prag und Brünn (Brno). Ab 23 Uhr überschreiten die ersten Warschauer-Pakt-Truppen die Grenze zur Tschechoslowakei.

21. August 1968:
Die tschechoslowakische Armee bleibt in ihren Kasernen. Der Vormarsch dauert die ganze Nacht an. Gegen 8 Uhr morgens bringen die Besatzer die Straßen der Hauptstadt Prag unter ihre Kontrolle.

26. August 1968:
Die tschechoslowakische Führung unter Dubcek wird zur Unterzeichnung des sogenannten Moskauer Protokolls gezwungen. Es macht die Reformen weitgehend rückgängig.

17. April 1969:
Der moskautreue Hardliner Gustav Husak wird Nachfolger von Dubcek als Generalsekretär der KSC.

29. Mai 1969:
Der Slowake Husak wird neuer Staatspräsident. Die von den Machthabern als „Normalisierung“ bezeichnete Rückkehr zu den alten Strukturen erreicht ihren Höhepunkt.

17. November 1989:
Die blutige Niederschlagung einer Studentendemonstration wird zum Auslöser der Samtenen Revolution, der demokratischen Wende in der Tschechoslowakei.

29. Dezember 1989:
Der Dissident und Dramatiker Vaclav Havel (1936-2011) wird erster frei gewählter Präsident der Tschechoslowakei.

1. Januar 1993:
Teilung der Tschecho- slowakei in zwei Staaten, Tschechien und die Slowakei.

Vor dem Schweigen ergriff Robert Krieps noch einmal das Megafon. Es war der Donnerstag, 22. August 1968. Einen Tag zuvor waren Truppen der Länder des Warschauer Paktes in die damalige Tschechoslowakische Sozialistische Republik (CSSR) einmarschiert. Es war der Anfang vom Ende dessen, was einmal als „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Die Reaktion der Sowjetunion und ihrer Vasallenstaaten schockierte die Welt – darunter auch Luxemburg.

Vor dem Rathaus in Luxemburg-Stadt hatten sich um die 3.000 Menschen versammelt, um gegen diesen Schritt still zu demonstrieren. Den meisten sollte Krieps’ Rede in Erinnerung bleiben. Als „kurz, aber prägnant“ wurde sie damals im Tageblatt umrissen. Der LSAP-Abgeordnete sagte, gerade das kleine Luxemburg könne die Gefühle des tschechoslowakischen Volkes gut verstehen, das nichts gegen brutale Gewalt unternehmen könne. Dann wurde zwei Minuten lang geschwiegen. Auch die vorbeifahrenden Autofahrer brachten ihre Wagen zum Stehen.

Nicht viel anders sah es in Esch, Düdelingen, Differdingen, Beles, Petingen und Bettemburg aus. Auch in vielen kleineren Gemeinden wurde um Punkt 18.00 Uhr an diesem Tag geschwiegen – immer im Gedenken an und aus Sympathie mit den Bürgern der CSSR. Der Titel über dem Tageblatt-Artikel brachte die Stimmungslage im Land an diesem Augusttag im Jahr 1968 auf den Punkt: „Ganz Luxemburg bekundete Solidarität mit der CSSR.“

Zu den Schweigeversammlungen hatte am Tag zuvor das eiligst zusammengestellte Solidaritätskomitee aufgerufen, das sich aus Politikern und Mitgliedern der Zivilgesellschaft zusammensetzte – ein Aufruf, der auf breiten Zuspruch stieß, wie die Teilnehmerzahlen an den verschiedenen Demonstrationszügen belegen sollten.

Jedem seine Solidarität

Die freien Gewerkschaften OGBL und FNCTTFEL bedauerten, dass „durch diese Entwicklung das Streben des tschechoslowakischen Volkes nach einem auf demokratischeren und menschlicheren Grundlagen fußenden Sozialismus brutal abgestoppt wurde“. Auch die damalige Studentenvereinigung Assoss („Association générale des étudiants luxembourgeois“) wehrte sich in einer Stellungnahme, ebenso das damals aktive Vietnam-Luxemburg-Komitee.

Staatsminister Pierre Werner bedauerte, dass „der Drang nach Freiheit und mehr Gerechtigkeit eines kleinen Volkes, das uns geschichtlich besonders nahesteht, brutal gestoppt wurde“. Es sei bitter, festzustellen, so der CSV-Politiker, wie wenig das Recht auf eigene interne Bestimmung und nationale Souveränität der kleinen Länder respektiert würde.

Solidarität wurde den tschechoslowakischen Kommunisten ebenso von ihren Genossen, etwa aus Italien, Frankreich oder Dänemark, entgegengebracht. Auch die Führungen in Rumänien und Jugoslawien kritisierten den Einmarsch in die Tschechoslowakei. Der jugoslawische Staatspräsident Tito zeigte sich „zutiefst betroffen“. Die Souveränität eines sozialistischen Landes sei verletzt worden. „Den sozialistischen und progressistischen Kräften in der Welt wurde ein schwerer Schlag beigebracht“, urteilte der Marschall.

Doch nicht alle kommunistischen Parteien standen dem Eingreifen Moskaus so ablehnend gegenüber. Besonders die luxemburgische KP sympathisierte mit der sowjetischen Aggression (Auszug aus dem Leitartikel der Zeitung: „Die Truppen der Länder des Warschauer Paktes kommen als Freunde und Beschützer“), was im Tageblatt für heftige Gegenreaktionen sorgte. So bezeichnete der damalige Tageblatt-Journalist Robert Goebbels Luxemburgs Kommunisten als „bezahlte Hampelmänner“. Am 21. August, dem Tag des sowjetischen Einmarsches, hatten die Prager Kommunisten noch an „alle kommunistischen und Arbeiterparteien“ appelliert, ihnen zur Seite zu stehen. „Genossen, wir protestieren gegen diese beispiellose Verletzung des sozialistischen Internationalismus“, hieß es in ihrer Mitteilung, die um die Welt ging.

Als Escher in Prag

Für Aufsehen in Luxemburg sorgte in dieser Hinsicht auch ein am 23. August im Tageblatt veröffentlichter Text von Robert Krieps mit dem Titel „Brief an einen kommunistischen Freund“, der mit der KPL von damals abrechnet. Ein Auszug: „Der Donnerschlag der Prager Ereignisse des 21. August ist noch nicht verhallt und schon stellen alle Luxemburger fest, dass sie das traurige Privileg haben, die einzige KP in der freien Welt zu besitzen, die in der Invasion Prags einen Akt sozialistischer Solidarität sieht. (…) Alle progressistischen Kräfte werden durch den Akt russischer Machtpolitik geschädigt.“

Einen Augenzeugenbericht der besonderen Art gab es für die Tageblatt-Leser am 24. August 1968. Die Escher Familie Weber hatte in Prag den Einmarsch der sowjetischen Truppen mit verfolgen können – sie machte gerade Urlaub dort. Probleme bei der Ausreise hat die Familie keine bekommen, sie sei, so wird berichtet, von den Soldaten der Länder des Warschauer Paktes stets freundlich behandelt worden, wie es auch eine Anweisung aus Moskau vorgeschrieben hatte.

Was Herr Weber damals besonders bewunderte, war der Mut der Tschechen. „Sie sprangen auf Panzer und malten Hakenkreuze darauf, andere spuckten russischen Soldaten einfach ins Gesicht“, erzählte Familie Weber dem Tageblatt. In Luxemburg und anderswo wurde aus Solidarität geschwiegen.

jang_eli
21. August 2018 - 18.08

Opgepasst Här Back: 1968 gouf et nach keen OGBL, demols war daat den LAV