„Alles kann passieren!“ – Theaterstück bringt die Worte von Europas Rechtspopulisten auf die Bühne

„Alles kann passieren!“ – Theaterstück bringt die Worte von Europas Rechtspopulisten auf die Bühne

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Koblenz im Januar 2017. Die Rechten Europas rufen zur Internationalen der Nationalisten auf. Die damalige AfD-Hoffnungsträgerin Frauke Petry gibt die Hausherrin, Marine Le Pen ist der Star des Tages. Auch da sind der japanisch-tschechische Ausländerfeind Tomio Okamura und der bizarre Geert Wilders aus den Niederlanden, aus Österreich vertritt Harald Vilimsky seine FPÖ-Oberen Heinz-Christian-Strache und Norbert Hofer, die es vorzogen, in Washington in Reihe 80 bei der Trump-Inauguration Selfies zu machen. Auch da ist Matteo Salvini.

Die Reden werden mit Furor vorgetragen. Es wirkt, als sähen sich die Redner auf einer Mission. Europa gehört zerschlagen, der Euro abgeschafft. Der Islam? An allem schuld. Migranten und Flüchtlinge? Böse und faul. Die Linken sowieso. Der eigene Machtanspruch wird untermauert. Im Saal ist die Stimmung nicht nur prächtig, nicht nur kämpferisch, sie ist optimistisch.

Die Rechten träumen von Wahlsiegen in den Niederlanden und in Frankreich, von einem Durchbruch in Deutschland. In Österreich ist Wochen zuvor eine Präsidentenwahl nur knapp für den Grünen Alexander Van der Bellen ausgegangen. Große Teile des bürgerlichen Lagers hatten für den rechten Kandidaten Norbert Hofer gestimmt. In der Alpenrepublik riecht es entfernt nach vorgezogenen Neuwahlen. In Italien riecht es immer nach Neuwahlen.

Asselborns „Merde alors“ gab einen der Impulse

Die Kräfte hatten sich zu Beginn dieses schnell Superwahljahr getauften 2017 bereits verschoben. Blieb die Frage, wie weit sie sich verschieben würden.

Dass die Rechten Reden halten können, zeigte sich auch in Koblenz. Natürlich waren sie rassistisch. Aber sie balancierten um das Unsagbare herum, touchierten es bloß. Sie waren geschmeidig und schmissig. Nur einer scherte sich nicht um Tabubrüche. Matteo Salvini, der schon mal zur Säuberung von Italiens Städten aufgerufen hatte, war in Fahrt. „Es leben die Populisten, es leben die Nationalisten, es lebe dieser Saal!“, raunte der Italiener, der noch vor wenigen Jahren nur Lombarde sein wollte. Und: „Ein neues Europa ist möglich!“

Wien im November 2018. „Ein neues Europa ist möglich!“ Wieder erklingen diese Salvini-Sätze. Dieses Mal leise vorgetragen von vier Schauspielerinnen im Akademietheater. Was in Koblenz Versprechen war, ist hier Drohung. Das Polittheaterstück heißt „Alles kann passieren!“. Die Idee stammt von Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter. Geschrieben hat es Schriftsteller Doron Rabinovici. Sogar Jean Asselborn war extra angereist. Luxemburgs Außenminister hatte mit seiner „Merde alors“-Replik auf eine rassistische Aussage Matteo Salvinis bei einem EU-Treffen einen Impuls zu dem Stück gegeben. Der österreichische Altbundespräsident Heinz Fischer begleitete Asselborn ins ausverkaufte Akademietheater.

Gepolter mit Spannungsbogen

Orban, Strache, Kickl, Salvini, Kaczynski, Zeman. In Bierzelten Gepoltertes, in Interviews Gesagtes, im Internet Gepostetes, in Parlamenten Vorgetragenes dieser Männer hat Rabinovici in einen Spannungsbogen gesetzt. Die vier Schauspielerinnen Andrea Clausen, Stefanie Dvorak, Petra Morzé und Christiane von Poelnitz lesen es vor. So verschwinden Pathos und Hysterie. Was bleibt, sind die Worte. Florian Klenk nennt sie ein „Mosaik der Grausamkeit“. Rabinovici spricht von einem „Stimmenorkan gegen die offene Gesellschaft“. Klenk und Rabinovici wollten diese Worte nicht mehr ignorieren. Damit leistet das Stück auch Aufdeckung, Klenk nennt es investigativen Journalismus.

Was aufgedeckt wird, ist die Sprache der Populisten. Dazu gehören Orbans düstere Drohung „Alles kann passieren!“, die dem Stück den Namen gab, und sein Geschwafel vom „Weltungarntum“. Dazu gehört Straches empörtes „Wir sind die neuen Juden!“. Dazu gehören auch umschmeichelnde Worte, verführerische Versprechen. Dazu gehören Sätze, bei denen das Publikum kurz auflacht. Dazu gehört, dass man sich beim Zuhören manchmal schaurig wundert.

Das Pathos ist raus, der Schrecken freigelegt

Genau das hatte einer der österreichischen Rechten seinen Gegnern einmal mit auf den Weg gegeben. Auf die Frage eines Journalisten, was denn geschehe, sollte der damalige Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer die Wahl gewinnen, antwortete dieser: „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“ Das war wenige Wochen vor Koblenz im Januar 2017. In Wien im November 2018 ist Hofer seit bald einem Jahr Verkehrsminister. Es kann nicht nur alles passieren. Es ist schon viel passiert.

Eigentlich war nur eine Vorstellung geplant. Karin Bergmann, Direktorin des Burgtheaters, zu dem das Akademietheater gehört, wird das Stück im Januar an die viel größere Burg holen. Wegen seines Erfolgs, aber auch wegen der gesellschaftlichen Rolle, die Theater spielen kann. Es geht also weiter. Und wer weiß, vielleicht zeigt ja auch ein luxemburgisches Theater Interesse am Stück.

Das Buch zum Theaterstück

Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter, hatte die Idee. Schriftsteller Doron Rabinovici hat den Text zum Stück geschrieben. Oder besser gesagt: Rabiniovici hat Reden von Europas Rechtspopulisten und Rechtsextremen genommen und sie in einen Spannungsbogen gepresst. Literarisch hat er die Reden nicht bearbeitet. Sie wurden höchstens gekürzt. Herausgekommen ist ein „Mosaik der Grausamkeit“, wie Klenk es nennt. Rabinovici spricht von einem „Stimmenorkan gegen die offene Gesellschaft“. Das Theaterstück wurde am 21. November im Beisein von Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn und vom Altbundespräsidenten Österreichs Heinz Fischer am Wiener Akademietheater uraufgeführt. Karin Bergmann, Direktorin des Burgtheaters, von dem die Akademie eine Schaubühne ist, bringt „Alles kann passieren!“ im Januar auch an die viel größere Burg. Gelesen wurde das Stück von den vier Schauspielerinnen Andrea Clausen, Stefanie Dvorak, Petra Morzé und Christiane von Poelnitz. Zum Nachlesen gibt es das Stück auch als Buch zum Preis von 10 Euro im Zsolnay Verlag. Die ISBN-Nummer lautet 978-3-552-05943-6.

Eddes
30. November 2018 - 19.13

Jaques Zeyen,sie vergessen wie Bühnenreif bei uns die Politiker agieren,sobald der UN Vertrag unter Dach und Fach ist sehen wir weiter.

Jacques Zeyen
30. November 2018 - 15.10

Bühnenreif sind die Nummern dieser Schwachköpfe allemal. Koblenz war vielleicht nicht der richtige Ort. Wie wärs mit Dachau Frau Frauke?