„Alles interessiert mich“: Der Illustrator Dirk Kesseler über Neugier, Humor und Freiräume

„Alles interessiert mich“: Der Illustrator Dirk Kesseler über Neugier, Humor und Freiräume

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Er hat Wurzeln im Theater, hat sich mit freier Kunst und Kommunikationsdesign befasst. Doch erst in der Illustration scheint Dirk Kesseler seine Nische gefunden zu haben. Denn nur in diesem Bereich sieht er für sich die Möglichkeit, konsequent Praktisches und Weltanschauliches, Stilanspruch und Flachwitz miteinander zu verbinden.

Von Luc van den Bossche

„Es ist eine verwirrende Zeit für Kunst“, meint Dirk Kesseler, während er über die zunehmende „instagrammability“ von Installationen und Ausstellungen sinniert. Vielleicht habe er sich gerade deshalb für ein „traditionelles Handwerk“ wie Illustration entschieden, in dem, angesichts der fortschreitenden Digitalisierung, eine Rückbesinnung auf klassische Techniken wie Linolschnitt, Serigrafie und Letterpress stattfindet. Ein „back to basics“, wie in der Musikbranche mit der Renaissance der Schallplatte. Detailverliebtheit gegen Effekthascherei und Event-Charakter …

Dabei hat Dirk Kesseler eigentlich nie Illustration im Blick gehabt. Nach seinem Schulabschluss hatte er zwar „keinen Plan“, dachte aber eher an freie Kunst, Design oder Schauspiel – in seiner „Lycée“-Zeit war er Mitglied der Escher Schülertheatergruppen Namasté und Geoghelli. Doch all das passte nicht wirklich, engte ihn zu sehr ein. An der freien Kunst zum Beispiel stört ihn damals wie heute die ganze Ernsthaftigkeit: „Humor kann man sich da erst erlauben, wenn man bis bekannt genug ist, um sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, ernst genommen zu werden.“ Anders so in der Disziplin, in die er durch puren Zufall gestolpert ist. Hier sei alles möglich.

Vielseitiger Beruf

Zur Illustration kam er über das Portfolio, das er für den Stipendienwettbewerb der Design Akademie Berlin eingereicht hatte. Seine Arbeiten überzeugten die Juroren leider nicht. Diese meinten aber, er sei geeigneter für Illustration als für Kommunikationsdesign, das Fach, für das er sich eigentlich beworben hatte. Zwar hatte er bis dahin Illustration nie als ernsthafte Option erwägt, schickte dann doch eine Mappe ein. Und es klappte. „Anfangs dachte ich, das wären einfach nur so Comics.“ Wie sich für ihn später herausstellte, war es jedoch genau der Mittelweg zwischen Grafik und freier Kunst, nach dem er, vielleicht ohne es selbst zu ahnen, gesucht hatte. „Es ist ein schöner, vielseitiger Beruf“, wie der Illustrator anmerkt, „von Comics über Presseartikel bis hin zu T-Shirt-Motiven kann man mit so ziemlich allem arbeiten.“

Vor allem zur Arbeit im Pressebereich zieht es ihn hin, da diese sowohl Neugier als auch Recherchearbeit verlangt. „Man ist da immer auf der Suche nach spannenden Geschichten, man muss immer informiert sein. Die Arbeit hat einen großen intellektuellen Teil, der gut zu meinem Interesse für alles passt.“ Ein sehr praktischer Tätigkeitsbereich also, der aber gleichzeitig Raum lässt für eine eigene Bildsprache.

Dirk Kesseler nennt dazu die Beispiele Henning Wagenbreth, bei dem er ein Praktikum absolviert hat, und Felix Bork, in dessen Werken sein Instagram-Name Felix Megawhack Programm ist. Ersterer illustriert immer wieder Geschichtsbücher, in denen dann das Kriegsgerät so unrealistisch aussieht, dass niemand auf die Idee käme, es zu benutzen. In der Arbeit des Zweiteren hingegen schimmere immer ein „naiver, dummer Humor“ durch, den Kesseler als unglaublich erfrischend empfindet.

Die Welt mit Kinderaugen sehen

Seine eigenen Arbeiten sind ungemein vielseitig. Es ist schwer, sie auf den einen oder anderen Nenner festzulegen, immer wieder macht er stilistische Wandel durch. Dies liegt vor allem daran, dass er sich für fast alles interessiert, alles ausprobieren will, von flachem Humor über Reinterpretationen von Motiven aus dem Mittelalter, dem Altertum oder europäischer Volkskunst bis hin zu verträumten Motiven. Ein bunter Mix von Einflüssen, der ihm dabei hilft, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Bestenfalls mit denen eines Kindes. „Kinder kennen keine Regeln. Nicht für Gespräche, nicht für Bilder, nicht für Musik.“ Ihre Produktionen werden oft heruntergespielt, weil es ihnen an Technik mangelt. Das sei aber ein kolossaler Fehler. „Es ist das Schwierigste überhaupt, wie ein Kind zu malen.“ Und dabei trotzdem Qualitätsansprüchen gerecht zu werden.

Zwischen Kunst und Praxis

Neben der größeren künstlerischen Freiheit schätzt er an seinem Wahlmedium das Milieu. „Es gibt zwar Starillustratoren, aber keine Diven“, nicht diese „teilweise wahnsinnig arroganten fake Künstleridentitäten, wie man sie mitunter auf Instagram sieht“. Auf der Plattform, in der er Fluch und Segen zugleich sieht. Segen, da sie ein „nicht zu unterschätzendes Vernetzungswerkzeug“ darstellt, Fluch, da sie – ähnlich wie Spotify in der Populärmusik – einen großen Einfluss auf die Gestaltung von Werken nimmt, eine Vermarktbarkeit quasi aufdrängt.

„Mich beschleicht das Gefühl, dass die Instagrambarkeit ein immer aktiverer Faktor wird, dass es vielen mittlerweile vor allem darum geht, andere zu beeindrucken.“ Die Entwicklung an sich sieht er weder als gut noch als schlecht an. Solange Instagram-Erfolg nicht zum Hauptziel wird. „Man will ja irgendwie doch gut verdienen.“ Von der Kunst leben, im Spagat zwischen Erfolg und sell-out. Nur eine rote Linie gibt es dann doch für Dirk Kesseler: Für Parteien will er niemals arbeiten. Außer vielleicht Die Partei.


Zur Person  

Dirk Kesseler wurde 1995 geboren. 2014 schloss er seine „Première E“ im Escher „Lycée de garçons“ (LGE) ab. Eine Zeit lang konnte er sich nicht zwischen Kunst, Design und Schauspiel entscheiden, bis er schließlich 2015 ein Studium in Kunstgeschichte und Archäologie in Montpellier anfing. Dieses brach er jedoch nach einem Jahr wieder ab. 2016 verschlug es ihn dann über Umwege als Stipendiat an die Berliner Design Akademie. Dieses Jahr schloss er dort seinen Bachelor in Illustration ab. Im Herbst beginnt er ein Masterstudium an der UDK (Universität der Künste).

Seit 2015 hat er an mehreren Ausstellungen hierzulande mitgewirkt, darunter „Zaepert“ und „Uecht“ des Künstlerkollektivs Cueva. 2018 wurde er bei den Luxembourg Music Awards als „Best Upcoming Artwork Designer“ ausgezeichnet. Demnächst nimmt er an einer Ausstellung in Leudelingen teil. Vernissage-Termin ist am 13.9.