Airbnb, Uber und die Taxifahrer

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Ob unter Freunden, innerhalb der Familie, unter Nachbarn oder sogar unter Fremden: Menschen helfen und unterstützen sich gegenseitig. „Der Trieb des Menschen zu gegenseitiger Hilfe hat einen so uralten Ursprung und ist so tief mit der ganzen vergangenen Entwicklung der Menschenrasse verbunden, dass er von dem Menschengeschlecht bis in unsere Zeit trotz allen Wechselfällen der Geschichte bewahrt worden ist“, schrieb der Anarchist und Autor Pjotre Kropotkin Anfang des 20. Jahrhunderts.

Kropotkin war der Meinung, dass dieses Verhalten ein wichtiger evolutionärer Faktor ist, der zum Überleben einer Spezies beiträgt. Seine Thesen stellte Kropotkin dem Sozialdarwinismus entgegen. Heute, mehr als hundert Jahre später, nutzen Menschen das Internet, um sich gegenseitig Hilfe anzubieten. Stichwort: Sharing Economy. Im französischen Sprachraum wird auch der Begriff „Economie collaborative“ benutzt.

Als die Gewerkschaft OGBL am Mittwochabend zu einer Konferenz mit dem Titel „Le modèle Uber et l’économie collaborative“ ins hauptstädtische „Casino syndical“ eingelud, stand bereits fest, dass es nicht um Nachbarschaftshilfe und Freundschaftsdienste gehen sollte.

Uber ist kein Robin Hood

Unter „Economie collaborative“ verstehe man heute alles Mögliche, meinte Redner Christophe Charlot. Alles werde in einen Topf geschmissen. Sowohl Plattformen wie Couchsurfing als auch solche wie Airbnb werden so bezeichnet. Der Unterschied: Auf Couchsurfing bieten Privatpersonen anderen Privatpersonen eine Unterkunft an, verbringen Zeit mit ihnen, kochen für sie und zeigen ihnen ihre Stadt, ohne Geld dafür zu verlangen. Auf Airbnb hingegen vermieten Privatpersonen gegen Entgelt ihre Wohnung. Was diese Angebote jedoch gemein haben, ist, dass beide von Privatpersonen angeboten werden und sich ebenso an Privatpersonen richten.

Bei Plattformen wie Uber lockt das Versprechen, Geld zu verdienen. Charlot hat sich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt. Der Journalist aus Belgien ist Autor des Buches „Uberize me“. In einem Selbstversuch hat er ergründet, ob es möglich ist, mit Internetplattformen der „Shared Economy“ seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Resultat: In einem Monat hat Charlot 2.124 Euro verdient. Ziel waren 2.500 Euro. Alle Kosten sind am Ende noch nicht verrechnet. Auch das ist eine Feststellung.

Das Versprechen (wenn es denn jemals gegeben wurde), dass diese Plattformen es wirtschaftlich abgehängten Personen erlauben, Geld zu verdienen, können sie nicht erfüllen. Wer per Uber für andere Menschen Taxidienste anbietet, braucht ein Auto. Wer seine Wohnung per Uber zur Verfügung stellt, braucht eine Wohnung. Wer für andere gegen ein Entgelt Gartenarbeiten erledigt – wie es Charlot gemacht hat –, benötigt Gartengeräte, und wer mit dem Fahrrad Essen ausliefert, muss auch ein Fahrrad besitzen.

Selbstversuch

Charlot hat bei seinem Selbstversuch die Plattformen Airbnb, Menu Next Door, ListMinut, Deliveroo und Take It Easy benutzt. Da Charlot von Hauptberuf Journalist ist, hat er diese Tätigkeiten als „Indépendant complémentaire“ ausgeübt und wurde dementsprechend besteuert – das sind weitere anfallende Kosten, die man berücksichtigen muss.

Die meisten Menschen, die er bei seinem Selbstversuch kennengelernt hat, wissen, dass sie ausgenutzt werden. Einige jedoch aber nicht, meint Charlot. Neben den Einzelschicksalen derer, die mit dem Rad durch Brüssel fahren und Essen vom Restaurant zum Kunden bringen, oder derer, die ihre eigene Wohnung Fremden überlassen, gibt es auch eine gesellschaftliche Dimension.

Unerhörte Idee

Zum einen zahlen diese Plattformen in Belgien, laut Charlots Recherchen, keine Steuern. Oder besser gesagt fast keine: 44.000 Euro insgesamt laut dem Journalisten. Zum anderen bilden sie eine Konkurrenz für etablierte Unternehmen. Die Kritik: Firmen wie Uber halten sich nicht an die üblichen Standards und Regeln ihres Sektors und verschaffen sich so einen Vorteil. Uber-Fahrer haben keine Lizenz wie reguläre Taxifahrer in Frankreich. Und keine Taxometer.

Für den CGT-Gewerkschaftler und Taxifahrer Karim Asnoun, der ebenfalls Redner bei der Konferenz war, ist die Idee, einer Arbeit nachzugehen, nicht anständig bezahlt zu werden und dann noch einen solchen Job machen zu müssen, unerhört. Begriffe wie „Economie de partage“ und „Economie collaborative“ findet Asnoun „missbräuchlich“.

Entwicklung nicht verhindern

Der größte Posten bei den Ausgaben dieser Firmen seien Werbung und Anwälte. Die Werbung sei aggressiv. Die Politik schaue im besten Fall weg, im schlimmsten Fall sei sie Komplize. Von einem Gerichtsprozess gegen Uber berichtete Asnoun wie von einem Mafiaprozess. Die geladenen Direktoren seien nur Strohmänner gewesen, die jede Verantwortung für Vorgänge im Unternehmen abgestritten hätten.

Eine Werbung für den Dienst UberPop wollten die Direktoren das erste Mal gehört haben, als sie ihnen vor Gericht vorgespielt worden ist. Dabei sei sie im Radio nicht zu überhören gewesen, erzählte Asnoun.

Vor einem Jahr wurde Uber vor einem Gericht in Frankreich schuldig gesprochen. Der Grund war das Betreiben eines illegalen Transportunternehmens.
Der Journalist Charlot betonte, dass es Steuervermeidung und Schwarzarbeit nicht nur bei Onlinefirmen gibt. Auch andere Multis vermeiden Steuern. Auch traditionelle Taxifahrer gehen Schwarzarbeit nach.

Neue Geschäftsmodelle

Wie man auf die Entwicklung reagieren kann? Bremsen kann man sie nicht. Den Kopf in den Sand stecken darf man auch nicht. Charlot verglich die „Shared Economy“-Plattformen mit Low-Cost-Carriern bei den Fluggesellschaften. Sie konnten ihren Marktanteil ergattern. Ein Markt für andere Gesellschaften ist geblieben. An einigen Orten begegnete man Uber, indem man die Fahrer zwang, dieselben Regeln einzuhalten wie traditionelle Taxifahrer.

Mittlerweile innovieren unter dem Druck aus dem Internet auch traditionelle Taxiunternehmen – so haben ihre eigenen Apps mit Ortsbestimmung. Technologiefeindlich will allerdings niemand sein – was zu einer gewissen Dissonanz bei der Beurteilung dieser Technologien führt. Mit gegenseitiger Hilfe haben Uber und Co. allerdings nicht viel zu tun. Vielmehr haben sie neue Geschäftsmodelle entwickelt und einen neuen Bereich des Lebens für Wirtschaftszwecke für sich erobert.

Koneczny
6. Oktober 2017 - 18.55

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