Air France: Auf unbekanntem Kurs

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Zwei Wochen streikten die Piloten der Air France. Der Vorstandsvorsitzende der Holding trat zurück. Der Verwaltungsrat der Fluggesellschaft trat mehrfach zu Eilsitzungen zusammen. Geführt wird das Unternehmen nun von einer Frau und drei Männern. Eine „Übergangsführung“, heißt es. Geregelt ist damit nichts.

Und wenn das eigentliche Problem der französischen Fluggesellschaft die Staatsbeteiligung am Kapital wäre? Der französische Staat besitzt noch 14 Prozent am Kapital der Gesellschaft. Er verfügt überdies über ein doppeltes Stimmrecht und ist damit der ausschlaggebende Aktionär der Gesellschaft. Das hat dem Unternehmen nicht gutgetan. Jede der zehn (!) Gewerkschaften und Berufsgruppen des Unternehmens kann es jederzeit lahmlegen. Und jede der zehn Gruppen kann darauf vertrauen, dass irgendwann der Staat eingreift und den Konflikt – in der Regel zu ihren Gunsten – regelt. Im Bereich Cockpit führte das dazu, dass Air-France-Piloten im europäischen Rahmen die höchsten Gehälter haben und die wenigsten Stunden fliegen.

Die Erpressbarkeit des Unternehmens haben die Piloten der Air France mit einem 15-tägigen Streik überzogen. Ihre Forderung, die sie durchsetzen wollten, lag bei einer sofortigen Gehaltserhöhung von sechs Prozent. Das hätte den Gewinn der Gruppe zu zwei Dritteln aufgefressen. Die Forderung war nicht zu erfüllen. Auch ohne die Forderung der Piloten kann das Unternehmen seine nötigen Investitionen kaum tätigen.

Staat will finanziell nicht eingreifen

Der Vertreter des Hauptaktionärs, Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire, nahm in einem Fernsehinterview kein Blatt vor den Mund. Es sei vorstellbar, dass Air France vom Himmel verschwinde. Der Staat werde finanziell nicht eingreifen, die Forderungen der Piloten seien unbegründet und würden der Gesellschaft schaden. Besser kann man als Hauptaktionär seinem Unternehmen eigentlich nicht schaden. Warum soll man in einer Gesellschaft Flüge buchen, wenn man damit rechnen muss, dass sie vom Himmel verschwindet? Die Situation war zweifellos richtig eingeschätzt, aber musste ein französischer Wirtschaftsminister sie auch so ausdrücken?

Der Streik hat dem Unternehmen insgesamt erheblich geschadet. Der Aktienkurs brach um 13 Prozent ein, die Zahl der Buchungen ging im April um 7,8 Prozent zurück. Ob das aufgeholt werden kann, ist nicht sicher. Wer bucht schon einen Interkontinentalflug, wenn er nicht sicher sein kann, dass Air France auch fliegt? Hinzu kommen Erfahrungen von Passagieren, die zur Streikzeit in Marokko saßen und vergeblich auf ihre Air-France-Maschine warteten. Sie kamen mit Ryanair zurück.

„Man muss nicht mehr mit Air France fliegen“

Hier liegt der wirkliche Schaden des Pilotenstreiks über die derzeit 400 Millionen bilanzierten Euro hinaus. „Man muss nicht mehr mit Air France fliegen“, analysierte der Chefökonom des Fernsehsenders BFM TV. „Das Umfeld hat sich geändert und die Piloten haben es nicht gemerkt. Man kann heutzutage mit Ryanair, mit EasyJet oder mit Norwegian, um nur einige zu nennen, in modernen Maschinen ebenso gut fliegen“, begründete er. Neben den finanziellen Einbußen ist ein Schaden an der Marke Air France in einem Umfeld entstanden, das von scharfer Konkurrenz geprägt ist.

In Frankreich ist ein Ausstieg des Staates aus der nationalen Fluggesellschaft kein Tabuthema mehr. Die Regierung will Unternehmen privatisieren, um Geld aus der traditionellen Industrie in einen Zehn-Milliarden-Fonds für die Wirtschaft der Zukunft zu stecken. Von Air France will sich die Regierung allem Vernehmen nach aber nicht trennen. Sie kann es wirtschaftlich auch nicht. Seit Beginn des Jahres hat die Air-France-KLM-Aktie 46 Prozent ihres Wertes verloren.

Zunächst kein weiterer Streik angekündigt

Die Regierung bleibt auch Teil der Problemlösung. Nach dem Rücktritt des hoch angesehenen Vorstandsvorsitzenden Jean-Marc Janaillac, der das Unternehmen schockierte, beriet sich Wirtschaftsminister Le Maire mit ihm. Eigentlich wollte sich die Regierung aber gar nicht einmischen. Der Verwaltungsrat tagte in Sondersitzungen und präsentierte am Ende eine der üblichen Personallösungen. Anne-Marie Couderc, früher einmal Chefin der Pariser Metro, präsidiert den Verwaltungsrat, der Vorstandsvorsitzende der KLM und der Finanzchef von Air France bilden nun ein Triumvirat, das den Konzern übergangsweise leiten soll. Das ist eine Personallösung, aber keine Strategie für das Unternehmen, die Air France dringend benötigt.

Die Mitgliedschaft des Vorstandsvorsitzenden der KLM in der Übergangsführung zeigt eine andere Spannung in der Gruppe auf. Vor 14 Jahren schlossen sich KLM und Air France zusammen. Geführt werden beide Gesellschaften über eine Holding. Operativ arbeiten beide Gesellschaften eigenständig. Allerdings hat es Bereinigungen in den Destinationen gegeben, um Konkurrenzen zwischen beiden Gesellschaften zu vermeiden.

Produktivität soll um 30% niedriger liegen

Die kleinere KLM steuert innerhalb des Konzerns einen doppelt so hohen Gewinn bei wie im Vergleich Air France. In Paris wird dazu gerne darauf verwiesen, dass man um 25 Prozent höhere Kosten durch Steuern und Gebühren habe als andere europäische Gesellschaften. Aus den Niederlanden, aber auch aus Frankreich selbst wird dagegen argumentiert, dass die Produktivität bei Air France – nicht zuletzt nach Zugeständnissen aus Streiks – um 30 niedriger läge als bei anderen Fluggesellschaften. Le Maire – der sich nicht einmischen wollte – hält Air France das Beispiel der erfolgreichen Lufthansa vor Augen.

Die Diskussion um Air France hat sich nach außen hin beruhigt, auch, weil die Pilotengewerkschaft zunächst keinen weiteren Streik angekündigt hat. Die Konflikte aber bleiben. In den Niederlanden gibt es Stimmen, die eine Verbindung mit Delta Airlines befürworten. Eine unrealistische Annahme, weil KLM und Air France nach 14 Jahren gemeinsamer Arbeit zu verflochten sind.

Nicht auszuschließen, dass am Ende eine andere Firmenorganisation zur Lösung bei der aus einer anderen Zeit stammenden hierarchischen Firmenstruktur von Air France führt. Delta Airlines, einst am Rande des Konkurses stehend, ist heutzutage eine florierende Gesellschaft. Die Amerikaner, zusammen mit China Eastern jeweils zu 8,8 Prozent am Kapital von Air France beteiligt, haben die Piloten in den Unternehmenserfolg eingebunden. Das ist ein Modell, wie es auch Wirtschaftsminister Le Maire für die gesamte französische Wirtschaft vorschwebt.

KTG
20. Mai 2018 - 11.37

"Ihre Forderung, die sie durchsetzen wollten, lag bei einer sofortigen Gehaltserhöhung von sechs Prozent. Das hätte den Gewinn der Gruppe zu zwei Dritteln aufgefressen. Die Forderung war nicht zu erfüllen." So eine Frechheit. Für wen soll der Gewinn denn sonst gut sein? Faule Aktionäre? Nur neue Material-Anschaffungen bzw. Infrastrukturen können hier als Entschuldigung dienen. Jede Gesellschaft, die es nicht schafft, den Gewinn an ihre Mitarbeiter weiterzugeben, verdient es kaputtgestreikt zu werden. Asoziale Bosse müssen aufs Härteste bestraft werden. Diese Mentalität des "Alles für die Bosse und die Aktionäre" muss verschwinden. Ach und übrigens, die Lufthansa ist so erfolgreich auch nicht, siehe Streikserien der letzten Jahre. Auch dort hat man noch immer nichts von Gewinnbeteiligung gehört. Das soll übrigens keine Kritik am Service sein. Sowohl mit Air France als auch mit Lufthansa habe ich nur gute Erfahrungen gemacht.