600 Euro Miete für vier Bretter und eine Matratze – monatlich

600 Euro Miete für vier Bretter und eine Matratze – monatlich
Unseriöse Schlafhändler vermieten möblierte Zimmer immer noch zu Wucherpreisen Foto: Tageblatt-Archiv

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Um Missstände bei Unterkünften, etwa für Arbeiter aus dem Ausland, zu beseitigten, wurde schon 1979 ein Gesetz beschlossen, das den Gemeinden weitgehende Rechte einräumt. Sie können beispielsweise Unterkünfte begutachten, deren Bereitstellung ohnehin im Vorfeld gemeldet werden muss. Doch all das hat unseriösen Schlafhändlern bis heute nicht das Handwerk legen können.

 

Pedro kommt von den Kapverden und arbeitet im Norden Luxemburgs auf dem Bau. Er heißt nicht wirklich so, will aber seinen wahren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen – da er um seine Bleibe fürchtet. Seit 13 Monaten arbeitet er bei einem Bauunternehmen im Norden des Landes und hat vor acht Monaten ein Zimmer über einem Café bezogen: Ganze 600 Euro gibt er dem Betreiber für den Raum, der nicht nur klein, sondern auch noch feucht sei, erklärt er dem Tageblatt beim Besuch vor Ort.

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Möblierte Zimmer oder kollektive Unterkünfte müssen vor Vermietung dem Bürgermeister einer Gemeinde gemeldet werden.

Die notwendigen Formulare gibt es hier als Download.

Eine Broschüre, die die Mindestanforderungen an Möblierte Zimmer auflistet, gibt es hier als PDF.

Solche Zustände sind kein Einzelfall: Massenhaft werden sozial schwache Mitglieder der Gesellschaft ausgebeutet, indem ihnen monatlich 500 bis 800 Euro für ein Bett abgeknöpft werden, wird uns aus verwaltungsnahen Kreisen bestätigt. Bei Kontrollen, die in vielen Gemeinden nur sehr sporadisch stattfinden, würden auch immer wieder Missstände festgestellt – etwa bei der Anzahl der Betten pro Raum, dem hygienischen Zustand der Sanitäranlagen, der Größe der Fenster oder bei der Sicherheit.

Oft fehlt aber schon der grobe Überblick: Auf Anfrage an mehrere Gemeindeväter aus dem Zentrum des Landes wird einhellig bestätigt, dass das Angebot an möblierten Zimmern kaum bekannt sei, da viele Vermieter die eigentlich verpflichtende Auskunft nicht abgeben – aus welchen Gründen auch immer. Und auch viele Mieter melden sich offensichtlich gar nicht erst an.

Bettenburg in Bettemburg

In vielen Gemeinderatssitzungen landauf, landab landet das Thema jedenfalls immer wieder auf den Tagesordnungen – auch in Bettemburg, wo sich die LSAP-Fraktion in der Opposition seit vielen Monaten mit den „Chambres à café“ an der Escher Straße beschäftigt.

In einem Gebäude, das einem früheren Geschäftsmann gehört, der 2011 auf der Liste der CSV für die Gemeindewahlen kandidierte, wurden 2014 neben zwei Geschäftslokalen auch neun möblierte Zimmer eingerichtet. Monatsmiete: 500 Euro pro Bett. Der Inhaber erhielt auch 2014 die entsprechende Baugenehmigung – für die der Antrag aber bereits ein Jahr zuvor eingereicht worden war. Dieser hatte in der zuständigen und beratenden Baukommission der Gemeinde viele Fragen aufgeworfen. Das führte dazu, dass die Kommission kein abschließendes Gutachten abgeben wollte.

Die Antworten ständen teilweise auch heute noch aus, sagt der LSAP-Rat Patrick Hutmacher gegenüber dem Tageblatt. Trotzdem habe Bürgermeister Laurent Zeimet (CSV) dem Antragsteller am 14. Juli 2014 grünes Licht für die Um- und Ausbauarbeiten gegeben.
Die Kritik der LSAP-Opposition betrifft eine ganze Reihe von Punkten: So habe die Baukommission nie ihr Gutachten abgegeben. Laut Zeichnungen, die vom Bürgermeister genehmigt wurden, seien in drei Zimmern die vom Gesetz her vorgeschriebenen Mindestmaße für die Fenster nicht berücksichtigt worden. Der Eigentümer wohne zudem selbst in einem der beiden Geschäftslokale – das auch noch ohne Genehmigung der Gemeinde in eine Wohnung umgebaut worden sei. Und sowieso habe der Vermieter bis jetzt keine Aufstellung über die Mieter oder die Mietzahlungen zukommen lassen.

Auf diese Punkte angesprochen, gab Laurent Zeimet dieser Tage gegenüber dem Tageblatt folgende Antworten: Die Baukommission habe Fragen zur Sicherheit aufgeworfen, die aber später durch einen Bericht nach einer Kontrolle des CGDIS beantwortet waren. Bei den Fenstermaßen gebe es vielleicht in dem einen oder anderen Zimmer einen kleinen Unterschied zu den vom Gesetz her vorgeschriebenen Mindestmaßen, doch ansonsten seien die Zimmer in einem sehr guten Zustand, was bei einer Kontrolle festgestellt worden sei. Zeimet bestätigte auch, dass der Eigentümer selbst in einem der Geschäftslokale wohne und dass die Wohnung ohne Genehmigung hergerichtet worden sei. Man habe den Eigentümer darauf aufmerksam gemacht, doch bis dato sei kein Antrag für eine Baugenehmigung eingegangen. Man werde aber nachhaken. Es sei ebenfalls zutreffend, dass bis heute keine Auflistung zu Mietern oder Einnahmen vorlägen, obschon die Gemeinde zur Einreichung ermahnt habe – aber: „Aufgrund dessen, was wir bereits anderenorts in unserer Gemeinde bei Besichtigungen von sogenannten möblierten Zimmern feststellen mussten, sind die erwähnten Räumlichkeiten an der Escher Straße als gut zu bezeichnen.“

Mietwucher kann – eigentlich – angezeigt werden

Im Internet findet man leicht unzählige Anzeigen für möblierte Zimmer, die an Studenten vermietet werden sollen – mit fragwürdigem Preis-Leistungs-Verhältnis: Nicht selten sollen für etwas mehr als 20 Quadratmeter große Dachgeschosswohnungen mehr als 1.000 Euro Miete bezahlt werden.

„Werden wir von einem Mieter über einen eventuellen Mietwucher informiert, geben wir das an die zuständige Mietkommission weiter“, so ein Bürgermeister im Gespräch mit dem Tageblatt Anfang der Woche. „Wir können auch noch Klage gegen den Vermieter führen, doch dann liegt das Dossier auf dem nächsten Schreibtisch … mehr möchte ich dazu nicht sagen.“

Doch sich überhaupt erst an die entsprechende Kommission der Gemeinde zu wenden, fällt vielen gebeutelten Mietern denkbar schwer – zum Beispiel Pedro, dem kapverdischen Bauarbeiter: Ein Kollege habe ihm kürzlich geraten, sich an die Mietkommission der betreffenden Gemeinde zu wenden, erzählt der Mann. Er weiß aber nicht, ob er es tun wird: „J’sais pas. J’ai peur.“

EXTRA: Das regelt das Gesetz

Der Artikel 34 des Gesetzes vom 25. Februar 1979 über die Wohnbeihilfe stellt klar, wie die Kommissionen für möblierte Zimmer diese kontrollieren können. „Ungeachtet der Zuständigkeiten und Aufgaben der medizinischen Inspektoren und der Polizei sind die Gemeindebehörden und die Einwanderungsbehörde für die Kontrolle der Unterkünfte zuständig“, heißt es. Und dass die Kontrolle der Unterkünfte nicht abgelehnt werden darf. Der Bürgermeister kann sogar die Schließung der Unterkünfte anordnen.

Angebotene Unterkünfte müssen unter anderem diese Merkmale aufweisen:

Sie müssen über Fenster verfügen, die sich öffnen lassen und wieder luftdicht verschlossen werden können. Sie müssen mindestens so groß sein wie ein Zehntel der Grundfläche.
Jedem Bewohner müssen mindestens neun Quadratmeter zur Verfügung stehen.
Der vermietete Raum darf nicht niedriger als 2,20 Meter sein.
Der Mieter muss freien Zugang zu Sanitäranlagen haben, die sich beheizt im Inneren des Gebäudes befinden müssen.
Ein Zimmer muss mindestens einen abschließbaren Schrank, einen Tisch und einen Stuhl aufweisen – und ein Einzelbett mit einer Matratze sowie einer Decke für den Sommer und zwei für den Winter.
Der Vermieter muss über die Mieter und deren Mietzahlungen Buch führen – was die Mieter per Unterschrift bestätigen müssen. 


Jugel
6. November 2019 - 15.04

De Bëschof bezilt 2500€ d'Joer fir eng ganz Kathedral.

Jugel
6. November 2019 - 15.03

"Wie dekadent sind unsere politischen Entscheidungsträger geworden? " Die Etscheidungsträger sind heute in der Opposition und haben nichts mehr zu entscheiden.

spëtzbouf
6. November 2019 - 14.49

De Paschtouer vun Ettelbreeck fillt mat! :)

de Koschter
6. November 2019 - 12.01

Da wohnt der Ettelbrücker Seelenhirt wesentlich billiger in dem gemeindeigenen Herrenhaus.

Jek Hyde
6. November 2019 - 11.29

Trotz Trennung vu Kirch a Staat bezillt de Paschtouer zu Ettelbréck 400 Euro de Mount Loyer vir e ganzt Haus vun +/- 240 m2. Dat ass zu Lëtzebg sozial Gerechtegkeet!! Nëmmen dee Gottesmann huet bestëmmt eng ganz kléng Pei an onendlech vill Dépensen. :-)

Wester Gust
6. November 2019 - 10.14

Wie dekadent sind unsere politischen Entscheidungsträger geworden? Ein sozial eingestellter Trottel wie ich, hatte 2 Wohnungen an finanzschwache Mitbürger weit unter der örtlich gefragten Miete vermietet, da wollte die Steuerverwaltung mir noch fiktive Mieteinnahmen hinzu versteuern. Aber einer bekannten Firma schenkte man 300 Millionen Euro. Das ist die Logik unseres heutigen Minister Gramenia.