100 neue TGV für die SNCF

100 neue TGV für die SNCF
Ein deutscher ICE und ein französischer TGV an der Pariser "Gare de l'Est". Die Konstrukteure von Siemens und Alstom arbeiten jetzt zusammen. Foto: dpa

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Der französische TGV-Konstrukteur erhält eine Auftragsspritze: Die SNCF muss 100 Züge bestellen.

Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire lässt sich nicht bremsen. Zu gerne stellt er sich als der Chef der Wirtschaft seines Landes dar. Letzter Auftritt: Als der Vertrag zwischen Alstom und Siemens unterschrieben wurde und das Begleitgremium zur Verwirklichung des Joint Venture Alstom-Siemens getagt hatte, verkündete er, dass die französische Eisenbahn SNCF gleich 100 neue TGV bei Alstom in Auftrag geben werde.

Genau hier liegt der Patzer: Le Maire verkündet, aber die SNCF, die unter einem Schuldenberg, der so hoch wie der Mount Everest ist, stöhnt, muss formal bestellen und bezahlen. Der Verwaltungsrat der SNCF ist gehalten, die Verkündigung des Ministers durchzuführen.

Der Verwaltungsrat der französischen Eisenbahngesellschaft wird nun in seiner Sitzung im Mai oder im Juni beschließen müssen, wie viele Züge fest bestellt, wie viele Optionen genommen und in welchem Zeitraum sie geliefert werden.

TGV der neuen Generation

Die SNCF hat mit Alstom zusammen einen TGV der neuen Generation entwickelt. Der Zug soll mit einem Listenpreis von 25 Millionen Euro pro Einheit um 20 Prozent preiswerter sein. Die Wartungskosten sollen um 30 Prozent unter denen der augenblicklichen Zuggenerationen liegen. Die Doppelstockzüge können 700 statt derzeit 500 Passagiere befördern und haben somit eine höhere Rentabilität. Das Problem ist nur: Die SNCF braucht diese Züge im Prinzip nicht. Sie hat genügend Züge. Derzeit läuft ein Programm bei Alstom, mit dem die Züge der ersten Generation aus den 1980er Jahren ersetzt werden.

Die fahren noch auf einer der teuersten Strecken in Frankreich, zwischen Rennes (Bretagne) und Paris, auf der vorerst letzten Neubaustrecke. Das Ende des TGV-Programms hatte Staatspräsident Emmanuel Macron bei deren Einweihung in Rennes verkündet. Das aktuelle Programm bei Alstom läuft 2020 aus. Danach gibt es eine zweijährige Pause, in der die TGV-Fabriken in La Rochelle und in Belfort nicht ausgelastet sind. Die Züge der neuen Generation sollen ab 2022 gebaut und der erste 2023 ausgeliefert werden.

Politische Entscheidung

Kein Wunder, dass Le Maire den Kauf verkündete. Es handelt sich um eine strukturpolitische Entscheidung. Zwei Fabriken werden dadurch ausgelastet, die sonst keine Arbeit mehr gehabt hätten. Der Wirtschaftsminister sichert damit übergangsweise zwei Industriestandorte. Alstom geht es an sich gut. Das Unternehmen gewinnt international Ausschreibungen sowohl bei der Herstellung von Zügen als auch in der Signaltechnik. In Frankreich aber fehlt zunehmend die Arbeit an den Standorten, weil das Unternehmen von inländischen Aufträgen abhängt. Ausländische Aufträge bedingen in der Regel, dass auch im Ausland gebaut wird.

Das Unternehmen selbst ist dabei durchaus fortschrittsträchtig. Es hat in Deutschland die Wasserstofftechnik für Züge auf nicht-elektrifizierten Strecken zusammen mit dem Gase-Hersteller Linde entwickelt.

Zwischen Bremen und Cuxhaven fahren 14 solcher Züge. In Frankreich aber herrscht an solcher Technik kein Interesse. Bei gefüllten Kassen gibt es daher in Frankreich nur Arbeit, wenn der Staat seine defizitäre SNCF bewegt, TGV-Züge bauen zu lassen, die die SNCF nicht benötigt. Die SNCF nämlich streicht ihren TGV-Zugpark derzeit zusammen.

Macrons Regierung: „Wir werden uns nicht einmischen“

Die französische Regierung soll der deutschen Kanzlerin zwar zugesagt haben, sich nicht in die Angelegenheiten des Unternehmens Alstom-Siemens einzumischen, das wird aber erst ab seiner endgültigen Gründung erfolgen. Dem Siemens-Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser kommt die Bestellung von 100 TGV sichtlich gelegen. Sie sichert die Stimmung im Unternehmen in der Anfangsphase.

Siemens hat die Sicherheit der Arbeitsplätze für vier Jahre zugesagt. Das kommt dem Staatspräsidenten zugute, der möglicherweise 2022 für eine weitere Amtszeit kandidieren wird und bis dahin Ruhe hat. Kaeser wiederum hat zugesagt, dass Alstom-Siemens ein französisches Unternehmen sein wird. Der Sitz wird in Paris für die Zugsparte sein. Die Mobilitätssparte soll ihren Sitz in Berlin haben. Siemens verfügt über eine Kapitalmehrheit von 51 Prozent.

Der gesamte Mobilitätsbereich bei beiden Unternehmen wird zusammengeführt. Das ergibt Doppelungen. Schließungen von Standorten, Personalabbau und soziale Auseinandersetzungen bei der Zusammenführung zu einem französisch-deutschen Unternehmen sind heute schon vorprogrammiert.

duscholux
27. März 2018 - 18.41

Tageblatt: "Das Unternehmen selbst ist dabei durchaus fortschrittsträchtig. Es hat in Deutschland die Wasserstofftechnik für Züge auf nicht-elektrifizierten Strecken gemeinsam mit dem deutschen Technologiekonzern Linde entwickelt. Zwischen Bremen und Cuxhaven fahren 14 solcher Züge. " Deutsche Lokalpresse Anfang November 2017: Wasserstoff gilt als Energielieferant der Zukunft: Zwischen den Städten Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude werden ab 2021 14 Brennstoffzellen-Züge eingesetzt. Ein Prototyp wurde am Donnerstag in Wolfsburg vorgestellt. [...] Worum geht’s? Die ersten 14 Brennstoffzellen-Züge „Cordia iLint“ sollen ab 2021 zwischen Cuxhaven und Buxtehude herkömmliche Dieseltriebwagen im Linienverkehr auf der Schiene ersetzen.