UmweltArcelorMittal will kein Schmutzfink mehr sein

Umwelt / ArcelorMittal will kein Schmutzfink mehr sein
Michel Wurth Foto: Julien Garroy/Editpress

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Der größte Stahlkonzern der Welt, ArcelorMittal, hat sich vorgenommen, kein Schmutzfink mehr zu sein. Bis 2050 sollen die europäischen Werke des Unternehmens emissionsfrei sein. Das ist keine heiße Luft. Der Konzern aus Luxemburg arbeitet mit Wissenschaftlern und Ingenieuren zusammen an Lösungen und investiert viel Geld in das Stahlwerk der Zukunft.

In einem Stahlwerk bändigt der Mensch unglaubliche Kräfte, um Metall nach seinem Willen zu formen. Unter hohem Aufwand von Energie, sei es in Form von Strom oder Feuer, schmilzt das Eisen und wird von den Männern und Frauen in eine Form gebracht, mit der Schluchten überwunden, Gleise gelegt, Ozeanriesen gebaut und Türme errichtet werden.

Ein Stahlwerk ist ein Ort, an dem dem Erz das Eisen abgerungen wird und an dem tonnenschwere Träger geboren werden. Ein Stahlwerk, das ist „viel Schmutz und Dreck und Muskelschmerz. Viel heiße Glut aus Eisenherz“*.

Ein Stahlwerk braucht, um seinen Zweck zu erfüllen, Unmengen von Energie. Energie, die heute vor allem aus Kohlekraft und aus Atomkraft kommt. Auch das jahrtausendealte Verfahren, mit dem aus Eisenerz Eisen gewonnen wird, ist inhärent schmutzig. Damit soll in absehbarer Zukunft Schluss sein. Der Luxemburger Stahlgigant ArcelorMittal hat beschlossen, seine Werke binnen 30 Jahren klimaneutral zu machen.

„ArcelorMittal hat sich dem Pariser Abkommen verpflichtet“, hat Direktor Michel Wurth im Januar in Luxemburg erklärt. Der Weg, den der Stahlkonzern beschreiten will, ist klar vorgegeben: Bis 2030 werden 30 Prozent der CO2-Emissionen eingespart. Bis 2050 ist der Konzern klimaneutral. Ein Zaubermittel gibt es nicht. Der Betrieb innoviert. Drei große Veränderungen hat man ausgemacht, die dazu beitragen sollen, das ambitionierte Zwischenziel zu erreichen.

Wasserstoff

Um Eisen aus Erz zu gewinnen, braucht es eine gute Portion Chemie. Die Zutaten: Eisenoxid, Koks und Sauerstoff. Im Hochofen ordnen sich die Atome dieser Grundstoffe unter großer Hitze neu an. Das Resultat dieses Prozesses: nützliches Eisen – und das Abfallprodukt CO2. Aber es geht auch anders. Benutzt man nämlich Wasserstoff statt des fossilen Brennstoffs Koks, steht am Ende der chemischen Reaktionen im Hochofen neben Eisen lediglich Wasser.

Der Wasserstoff, der für diese neue Methode der Eisenherstellung verwendet wird, kommt derzeit noch aus einer unsauberen Quelle: Er wird vorerst noch von Erdgas abgespalten. Die Rede ist von „grauem Wasserstoff“. In Zukunft soll er allerdings mit grünem Strom – z.B. aus Windparks – durch Elektrolyse erzeugt werden.

Zweitens soll Stahl mit zirkulärem Kohlenstoff erzeugt werden. Dabei sollen Energiequellen wie Abfall-Biomasse verwendet werden, um den fossilen Energieträger Kohle zu ersetzen. Es würde also kein CO2 mehr freigesetzt werden, das Jahrmillionen unter der Erde eingelagert war und nicht zu den derzeitigen Lebensbedingungen auf der Erde passt.

Und drittens soll dort, wo die aktuelle Methode der Stahlerzeugung beibehalten wird, das CO2 abgefangen, gespeichert oder wiederverwendet werden, anstatt es weiterhin in die Atmosphäre zu blasen, wo es als Treibhausgas zum Klimawandel beiträgt.

Natürlich wäre auch Atomstrom emissionsfrei. Atomstrom hat aber andere Probleme, zum Beispiel die ungeklärte Frage nach der Lagerung des Atommülls. Diesen Weg will der Konzern nicht gehen.

Umweltbewusstsein

Die Hauptmotivation für den Konzern, „grünen Stahl“ produzieren zu wollen, ist der Druck der Kunden. Noch ist der nicht besonders hoch. Das wird sich aber ändern, davon ist das Unternehmen überzeugt. Die Menschen haben heute ein starkes Bewusstsein dafür, welche Folgen das menschliche Verhalten für die Umwelt hat.

Die gesamtgesellschaftliche Debatte hat längst die Politik erreicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im Dezember ihren „Green Deal“ vorgestellt. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Europäische Union bis 2050 klimaneutral zu machen.

Die Stahlbranche in Europa sieht sich einem Druck ausgesetzt, der die Margen sinken lässt. Zum einen brauchen Werke in Europa Emissionszertifikate, die zum Teil frei zugeteilt und darüber hinaus gekauft werden müssen. Die Kosten schlagen sich in höheren Stahlpreisen, oder, wenn diese Aufgrund der Konkurrenz nicht durchsetzbar sind, in sinkenden Margen nieder. Außereuropäische Stahlwerke müssen diese Zertifikate nicht haben. Die europäischen Stahlkocher monieren seit Jahren, dass dadurch mehr Stahl aus Übersee importiert wird. Durch den Transport würde wieder CO2 anfallen, was die ursprünglichen Bemühungen, Kohlenstoffdioxid zu verringern, wenigstens zum Teil wieder zunichtemacht. Hier will die EU nun mit „grünen Einfuhrzöllen“ Abhilfe schaffen. Auch US-Präsident Donald Trump (dessen Aussagen keine klare Position zum menschgemachten Klimawandel erkennen lassen) trägt mit seiner Position zu sinkenden Margen der europäischen Stahlkocher bei. Seine Einfuhrzölle auf ausländischen Stahl sorgen dafür, dass Produzenten aus China den europäischen Markt mit ihrem Stahl fluten.

Erwartungen an die EU

Stahlunternehmen wie ArcelorMittal erhoffen sich Hilfe von der EU, um „grüner“ werden zu können. Beispiele hierfür finden sich zum Beispiel im Nachhaltigkeitsbericht des Luxemburger Konzerns (Mai 2019). Dort heißt es, die EU müsse mehr Angebot an erneuerbarer Energie schaffen, damit sie hinreichend damit versorgt sei, und die EU müsse Forschungsprojekte, die dazu dienen, saubere Technologien zu entwickeln, weiterhin unterstützen. Wie andere Unternehmen auch erhält ArcelorMittal Subventionen für seine Forschung.

Von der Leyens Kommission hat vor, um des Klimas wegen Milliarden zu investieren. Dazu soll ein „Just Transition Mechanism“ bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) geschaffen werden. Die Bank mit Sitz in Luxemburg, die als Finanzarm der Europäischen Kommission dient, soll Finanzmittel der EU nutzen und zusätzliche Investoren locken, um insgesamt 100 Milliarden Euro einzusammeln, um u.a. saubere Technologien zu fördern, Arbeitern Fortbildungen zu ermöglichen und nachhalten öffentlichen Verkehr zu fördern.

ArcelorMittal investiert seinerseits Millionen in Forschungsprojekte, bei denen es mit Wissenschaftlern und Ingenieuren zusammenarbeitet. So zum Beispiel in Hamburg. Dort investiert ArcelorMittal 65 Millionen Euro, um einen neuen Schachtofen zu bauen, in dem erstmals die oben beschriebene Wasserstofftechnologie in einem industriellen Maßstab erprobt werden soll. Laut einem Imagefilm des Unternehmens soll die neue Demonstrationsanlage später 100.000 Tonnen Eisen produzieren. Der dort verwendete Wasserstoff soll zunächst aus dem Gichtgas der bestehenden Anlage abgetrennt werden. Die nötigen Vorbereitungen dazu haben 2019 begonnen. Hamburg ist keinesfalls ein kleines experimentelles Werk des Stahlriesen, sondern einer der vier großen Standorte in Deutschland. „Sobald es grünen Wasserstoff in ausreichender Menge und zu wirtschaftlichen Preisen gibt, soll die Anlage auf den Betrieb mit grünem Wasserstoff umgestellt werden“, heißt es in dem Imagefilm weiter.

Direktreduktionsanlage bei ArcelorMittal Hamburg. Am Standort soll ein neues Verfahren getestet werden.
Direktreduktionsanlage bei ArcelorMittal Hamburg. Am Standort soll ein neues Verfahren getestet werden. Foto: ArcelorMittal

Altholz

Ein anderes Beispiel ist Gent. Rund 40 Millionen Euro investiert ArcelorMittal in das Projekt „Torero“. Durch einen „Torrefizierung“ genannten Prozess wird Altholz in Biokohle umgewandelt, die fossile Kohle im Hochofen ersetzen soll. Solches Altholz stammt zum Beispiel aus abgerissenen Gebäuden. Diese torrefizierte Biomasse habe einen signifikant besseren Energieausstoß als das ursprüngliche Altholz, schreibt das Unternehmen. Die erste industrielle Demonstrationsanlage in Gent wird voraussichtlich Ende 2020 in Betrieb gehen. In einem ersten Schritt will das Unternehmen dort 120.000 Tonnen Altholz jährlich zu 50.000 Tonnen Biokohle verarbeiten. So kann das Altholz ein weiteres Mal verwendet werden. Wenn sich die Testanlage bewährt, so ArcelorMittal, wird der Konzern untersuchen, ob das Verfahren im großen Maßstab eingesetzt werden kann.

ArcelorMittal arbeitet nicht alleine an Torero. Hinter dem Projekt steht ein Konsortium aus Unternehmen, einer schwedischen Universität und einem österreichischen Forschungsinstitut. Die EU unterstützt das Projekt über das Horizon-2020-Programm mit 11,5 Millionen Euro.

Es scheint, als wolle ArcelorMittal die Zeiten hinter sich lassen, in denen sich der Konzern mit Greenpeace eine Schlacht lieferte wegen einer Stromtrasse nach Frankreich, durch den Atomstrom zu den Luxemburger Werken fließen sollte. Heute will der Konzern, wie er sagt, die „Stahlbranche in die Zukunft führen“.

*Textzeile aus dem Lied „Schmutzfabrik“ von „Die Krupps“

Felix
14. Februar 2020 - 18.37

Formidabel. Also daat ass 3 mol triple A

Zuzi
14. Februar 2020 - 10.09

100 Jahre Schmutzfink sein ist ja auch genug. Kriegen wir jetzt eine Entschädigung für unserer vergiftetes Gemüse?

en einfachen Aarbechter
14. Februar 2020 - 9.24

Klar, wenn man in Europa ein Werk nach dem anderen dicht macht, wird man 2050 ( in 30 Jahren ! ) emissionsfrei sein. Zumindest auf unserem Kontinent ist ArcelorMittal dann kein Schmutzfink mehr, zumindest in Sachen Umweltverschmutzung. Allerdings ist es dann längst zu spät. Der Vorzeigeschüler Wurth hat seine Lektion gut gelernt.

Le méchant z.Z London
14. Februar 2020 - 8.29

Und was macht Acelor-Mittal denn in Taranto....eine der grössten Dreckschleuder in der Welt...da sollte der Konzern mal anfangen, um zu zeigen dass es ihm ernst gemeint ist!.....