RaumnotIn Differdingen ist die Musikschule Opfer des eigenen Erfolgs

Raumnot / In Differdingen ist die Musikschule Opfer des eigenen Erfolgs
Rudi de Bouw, Direktor der Differdinger Musikschule Foto: Editpress/Julien Garroy

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Sie platzt aus allen Nähten: Rund 830 Schüler sind in der Differdinger Musikschule eingeschrieben, geplant war sie für 400. Ein neues Gebäude wird benötigt, vor allem wenn einmal der gratis Musikunterricht kommt, sagt der Direktor der Schule Rudi de Bouw.

Momentan werden die seit Herbst angebotenen Cembalo-Kurse auf einem gemieteten Instrument abgehalten. In ein paar Monaten erhält die Musikschule aber ihr eigenes. Am 13. Juni wird das von der Schule in Auftrag gegebene Tasteninstrument offiziell vorgestellt. Der Cembalo-Kurs ist eines der Angebote in der neuen Abteilung für alte Musik, die im vorigen Herbst gleichzeitig mit einer Ausbildung für Musiktheater ins Leben gerufen wurde. Und für diese Kurse gab es bereits im ersten Jahr mehr Einschreibungen, als freie Plätze vorhanden sind. 30 Musical-Interessierte hatten sich gemeldet, 20 von ihnen wurden nach einer Aufnahmeprüfung zugelassen. Das Angebot der Schule wächst, aber auch die Schüler stehen Schlange. Die Differdinger Musikschule scheint ein Opfer ihres eigenen Erfolges zu sein, denn es herrscht akuter Platzmangel.

„In den vorigen vier Jahren ist die Anzahl der Schüler um das Dreifache gestiegen“, sagt Rudi de Bouw. In seinem ersten Jahr als Direktor seien es 240 Schüler gewesen, heute seien es 830. Geplant war die Schule, die im „Ale Stadhaus“ untergebracht ist, für 400 Musikschüler. Für De Bouw ist der konstante Anstieg der Schülerzahlen allerdings nicht ungewöhnlich oder gar überraschend: „Der Boom der Musikschule ist parallel zu der Entwicklung der Einwohnerzahl zu sehen.“ Und da die Gemeinde für die kommenden Jahre 800 neue Wohneinheiten geplant habe, könne man davon ausgehen, dass auch dementsprechend mehr Kinder zum Musikunterricht wollen. „Und ich befürchte, dass die Internationale Schule in Differdingen die Nachfrage nach Musikunterricht noch weiter nach oben treibt“, sagt De Bouw.

Im Grunde freut das De Bouw, denn er ist der Ansicht, „ein Leben ohne Kultur ist kein Leben“. Doch man müsse realistisch sein, das Gebäude stoße an seine Grenzen. Für das aktuelle Schuljahr stehen noch 30 Schüler auf Wartelisten. Auch für das kommende Jahr gebe es bereits 70 Voreinschreibungen. Allerdings gebe es keine Garantie, dass diese Schüler auch einen Platz erhalten. Traditionsgemäß sind es die Klavier- und die Gitarrenstunden, die am schnellsten ausgebucht sind. 

Am liebsten ein altes Haus

Dass im Schöffenrat schon über das Problem diskutiert wurde, bestätigte die Bürgermeisterin Christiane Brassel-Rausch dem Tageblatt. Man sei dabei, über eine Lösung nachzudenken, Konkretes gebe es aber noch nicht. Der Schöffenrat sei aber definitiv an einer Lösung interessiert. Dass auf die Schnelle keine Schule herbeigezaubert werden kann, weiß auch Rudi de Bouw, und die Musikschule sei ja nicht der einzige Dienst der Gemeinde, der mehr Platz brauche. Aber Kultur sei genauso wichtig wie Sport, aber warum solle es Räumlichkeiten für den Sport, aber nicht für die Kultur geben. Er sei sich der Tatsache bewusst, dass Kultur teuer ist (der Haushalt der Musikschule beziffere sich ohne die Gebäudekosten auf 1,5 Millionen Euro), aber sie trage viel zur „visibilité“ einer Gemeinde bei, sie diene ihr als Vitrine.

15 Säle stehen der Schule im „Ale Stadhaus“ zu Verfügung, davon 11 für die Instrumentalklassen, drei für Theorie. Benötigt würde aber das Doppelte. Vor allem fehlen größere Räume für Ensembles sowie Kammermusik und Auditionen. Der große Konzertsaal im Gebäude, den die Schule regelmäßig benutzt, wird ihr allerdings nur vom „Stadhaus“ „geliehen“. Wenn es sich der Direktor aussuchen könnte, so würde er sich lieber ein altes Haus wünschen, das renoviert werde. „Musikinstrumente aus Holz brauchen eine Luftfeuchtigkeit von 50-60 Prozent, und das ist bei neuen Gebäuden mit AA-Energieeffizienz nicht möglich. Aus diesem Grund wurden bereits zwei Luftbefeuchter für einige Räume im neuen Teil des ‚Stadhaus‘ angeschafft, da dort die Luft zu trocken ist.“ Das Gespräch führten wir in einem kleinen Saal von etwa sechs Quadratmetern im alten Teil des Gebäudes, wo neben einem Klavier auch drei Kontrabässe untergebracht sind.

Warten auf den Bachelor in Musik

„Und es wäre gut, wenn sich eine zukünftige Schule in der Nähe einer ,Maison relais‘ befindet, sodass die Kinder zu Fuß zur Schule gehen können“, merkt De Bouw an. 80 Prozent der Schüler sind unter 18 Jahre; und die gesellschaftliche Entwicklung habe es eben mit sich gebracht, dass die Eltern weniger verfügbar seien. Die Kinder blieben also länger in einer „Maison relais“, aus diesem Grunde wäre es gut, wenn die Musikschule nicht zu weit von einer Kindertagesstätte entfernt sei. In zehn Jahren könnte die Schülerzahl bis auf 1.300 steigen, meint De Bouw, vor allem wenn, wie die Regierung es mal ankündigte, der Musikunterricht gratis werden soll. Einerseits findet er das sehr gut, andererseits wo sollen die Schüler untergebracht werden? 

Parallel zum Anstieg der Schülerzahlen mussten bereits zusätzliche Lehrer eingestellt werden, im vorigen Schuljahr kamen sechs neue hinzu, in diesem fünf. Auch im kommenden Jahr werden wohl ein oder zwei weitere eingestellt. Augenblicklich unterrichten 36 Musiklehrer in Differdingen. Ist es kein Problem, Schüler zu finden, so sei das bei den Lehrern nicht immer der Fall. Den oben erwähnten Cembalo-Kurs habe man erst organisieren können, als ein Lehrer, Alessandro Urbano, gefunden worden war. Auch in häufiger gebuchten Kurse, wie dem „Eveil musical“ für Kleinkinder, sei es schwierig, Unterrichtspersonal zu finden. Eine gute Nachricht in dieser Sache sei, dass bald ein Musikbachelor an der hiesigen Universität angeboten werde.