ParteienLSAP-Südkongress redet über Parteischwäche und Mobilität 

Parteien / LSAP-Südkongress redet über Parteischwäche und Mobilität 
Simone Asselborn-Bintz Foto: Editpress

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Unpolemisch, sachlich, ja fast bescheiden verlief am Samstagmorgen in Steinfort der Kongress des LSAP-Südbezirks. Das bei solchen Veranstaltungen übliche Bashing der Opposition blieb aus. Die Partei beschäftigte sich damit, wie sie dem Rückgang in der Wählergunst entgegenwirken

Den Ton hatte Bezirkspräsidentin, Sanemer Schöffin und neualte Abgeordnete Simone Asselborn-Bintz vorgegeben. „Steht der Untergang der LSAP bevor?“, griff sie die Frage auf, die ihr bei einem rezenten Interview gestellt worden war.  „Sieht uns die Gesellschaft tatsächlich so?“, fragte sie die 137 Delegierten im Centre Roudemer. Ihr Erklärungsversuch: Der Partei gelinge es nicht, ihre guten Konzepte und ihre Politik an die Leute zu bringen. Dazu  zählte sie den Erhalt des Systems der automatischen Anpassung der Löhne und Renten an die Preisentwicklung, die Erhöhung des Mindestlohns um 100 Euro, die Einführung eines zusätzlichen Feiertags, den Gratistransport ab März, das Glyphosat-Verbot als erstes EU-Land überhaupt. Alles Themenfelder, die von LSAP-Politikern mitgestaltet wurden.

Auch Parteipräsident Franz Fayot hebt die Rolle der LSAP in der Regierungsverantwortung hervorheben. „Wir müssen stolz auf unsere Arbeit sein“, sagte er. Es gehe den Leuten besser, weil die LSAP dabei sei. Nur: Man kommuniziere schlecht. Sein Aufruf in den Saal, in dem neben den Sektionsvertretern sozialistische Minister und Abgeordnete saßen: Selbstbewusster auftreten. Ihrer Politik will die Partei auch weiterhin treu bleiben, wobei  Fayot gleichzeitig betonte, dass etliche Fragen von sozialer Gerechtigkeit auf europäischem Plan angegangen werden müssten.

Fayots Tage als Parteipräsident sind gezählt. Am 4. Februar übernimmt er das Wirtschaftsministerium von Etienne Schneider. Die Steinforter Bühne nutzte er für eine erste Bilanz seiner Tätigkeit als Sozialistenchef, ein Amt, das er Anfang 2019 mit dem Anspruch angetreten hatte, die Partei zu modernisieren.  Die Ergebnisse: Eine neue Mannschaft im Generalsekretariat der Partei, dessen Umzug aus Gasperich in die hauptstädtische Louvigny-Straße, näher an die Parlamentsfraktion, um effizienter zusammenzuarbeiten, so Fayot. Eine neue Newsletter für alle Parteimitglieder soll ab kommender Woche Fakten und Argumente zu einzelnen Dossiers bereitstellen – für die Diskussionen mit den Bürgern. In „Cafés socialistes“ in den einzelnen Bezirken sollen Amtsträger mit den Bürgern diskutieren. Im September steht nach zweijähriger Pause erneut eine  „Summerakademie“ an. Parteigeschichte, Rhetorik und der Umgang mit sozialen Medien bilden die Schwerpunkte eines neuen Ausbildungsprogramms für die Sektionen.

Nachhilfe zum Thema Mobilität

Eine Form von Weiterbildung für die Sektionsvertreter stellte das sich dem Kongress anschließende Rundtischgespräch über urbane Mobilitätspläne dar. Als Modell diente der kürzlich von der Gemeinde Sanem erstellte Mobilitätsplan. Das Konzept eines „Sustainable Urban Mobility Plan“ (SUMP) für lokale und regionale Gebietskörperschaften geht auf einen von der EU-Kommission 2009 verabschiedeten Aktionsplan für städtische Mobilität zurück. „Ein Sustainable Urban Mobility Plan fordert eine ausgeglichene Entwicklung aller Verkehrsträger, während er gleichzeitig eine Verlagerung in Richtung nachhaltiger Verkehrsträger anregt. Der Plan legt ein integriertes Maßnahmenpaket vor, um die Leistungsfähigkeit und Kosteneffizienz im Hinblick auf die gesetzten Ziele und Vorgaben zu steigern,“ heißt es im Sanemer Masterplan 2030. Bisher seien stets lediglich einzelne Aspekte betrachtet worden, so etwa die Benutzung des Fahrrads. Ziel des Sump sei jedoch eine globale und langfristige Planung zusammen mit den Menschen, so Liza Bertinelli, Expertin in Mobilitätsplanung und nachhaltigem Städtebau.

Der Erstellung des Masterplans sei eine umfassende Bestandsaufnahme vorausgegangen, so Marco  Goelhausen, bis 2019 Mobilitätsschöffe von Sanem. Erfasst habe man, wie viele Verkehrsbewegungen von wo und wohin durch die Gemeinde stattfinden. Dabei habe man u. a. festgestellt, dass viele Grenzpendler die Ortschaft passierten, der Verkehr jedoch in großen Teilen auch von den Gemeindebewohnern selbst oder von Einwohnern der Nachbargemeinden verursacht werde.

Die  Mobilitätsprobleme seien auf die wirtschaftliche Attraktivität der Hauptstadt zurückzuführen. In letzter Zeit werde kaum noch von Dezentralisierung der Arbeitsstellen geredet, so der Abgeordnete Yves Cruchten und wies dabei auf den hauptstädtischen Kirchberg und das neu erschlossene Viertel Ban de Gasperich. Letzteres sei eine „landesplanerische Katastrophe“ so Cruchten, der dies als seine persönliche Meinung darstellte. Da entstünden neben Arbeitsplätzen auch Wohnungen, „die sich kein normaler Mensch leisten kann.“

Umfragen hätten ergeben, dass die Menschen sich sicherere Fahrradwege und gesicherte Stellplätze wünschten, um zur Arbeit, zum Einkaufen, zur Schule zu fahren, so  Goelhausen. Dazu müsse die notwendige Infrastruktur geschaffen werden, ergänzte Cruchten, der u. a. an Vorschläge zur Schaffung einer Fahrradpiste entlang der Autobahnen erinnerte. Die Frage sei, wie man die Menschen von außerhalb in Luxemburg-Stadt bekomme. Man werde wohl nie ganz vom Auto wegkommen, meinte Bertinelli einschränkend. Notwendig sei jedoch eine gesunde Mischung der verschiedenen Mobilitätsformen.

Laut Goelhausen müsse die Zahl der Autobewegungen in den Ortschaften reduziert werden. Die Benutzung des Autos sollte weniger attraktiv werden. So werde das 120 Hektar weite Quartier Belval lediglich 400 Parkplätze auf der Oberfläche haben. Die Busverbindungen zwischen den Ortschaften im Süden des Landes müssten u.a. durch eine höhere Taktfrequenz und zusätzliche Fahrten abends verbessert werden.

Mit seinem Sump ist Sanem Pionier in Sachen ganzheitliche Mobilitätsplanung. Auch andere Gemeinden sollten sich damit befassen, appellierte Goelhausen an die Parteikollegen im Centre Roudemer. Der Aufruf zu einem Umdenken in Sachen Mobilität ist hochaktuell. Fahrräder oder gar Minibusse für die kollektive Fortbewegung waren an diesem Samstagmorgen vor dem Kulturhaus in Steinfort keine zu sehen, ein bis auf den letzten Stellplatz besetzter Parkingplatz schon.