KneipentourEin Besuch im „Café beim Kueb“ in Steinbrücken

Kneipentour / Ein Besuch im „Café beim Kueb“ in Steinbrücken
Seit 1908 ein Wirtshaus: Wer den ersten Besitzer mit „Kueb“ anredete, flog im hohen Bogen vor die Tür. Fotos: Editpress/Alain Rischard

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Seit 1908 ist das Wirtshaus im Besitz der Familie Neiertz. In einer etwas schnelllebigeren Zeit ist das zumindest bemerkenswert. Das „Café beim Kueb“ in Steinbrücken ist heute weit über die Grenzen des Südens hinaus bekannt. Das liegt nicht nur, aber auch an den Kegelbahnen. Deren gibt es jetzt drei.

Raus aus Esch. Keine weite Fahrt. Sie führt an einen Ort, an dem sich nicht mehr Raben aufhalten als anderswo. Trotzdem nennt sich das bestbekannte Wirtshaus in Steinbrücken „beim Kueb“. Mit Raben hat das Lokal in der Luxemburger Straße dann doch etwas zu tun. Nämlich mit einer alten Geschichte. 1908 kommt die Familie Neiertz-Neumann aus Pissingen nach Steinbrücken und kauft dort ein Haus. Es stammt vermutlich aus dem Jahr 1847, zumindest trägt ein alter Türstein in der Küche diese Jahreszahl.

Fortan führt die Familie hier im Süden des Landes einen Bauernhof mit Wirtsstube. Wie früher üblich haben die Dorfbewohner den Neuankömmlingen nach einiger Zeit einen „Rufnamen“ verpasst: nämlich „de Kueb“. Das geht zurück auf eine Geschichte, die in Pissingen spielte und die später auch von Marcel Reuland für ein Gedicht aufgegriffen wurde, und zwar handelt es sich um „Déi Pissenger an d’Kueben“. „Teilen wie die Pissinger mit den Raben“, diesen Spruch kennen wir heute noch. Es gilt als Beleidigung, weil es gleichbedeutend ist mit ungerechtem, unehrlichem Teilen, also mit Betrug.

Über diese Bezeichnung war Familienvater Jean Neiertz damals nicht froh. Er hielt darauf, ein ehrlicher Mensch zu sein, kein Betrüger, und wollte nichts mit dem Namen „De Kueb“ zu tun haben. Wie es heißt, ist er nicht gerade zimperlich mit jenen umgegangen, die sich einen Spaß daraus machten, ihn weiterhin „Kueb“ zu nennen, trotz des Schildes „Café Neiertz“ über dem Eingang. Ein Getränkehändler, der den wahren Namen nicht kannte und der besonders freundlich sein wollte, nannte den Besitzer „Mein lieber Herr Kueb“. Sie ahnen es, liebe-r Leser-in. Ja, auch er ist im hohen Bogen vor die Tür geflogen. Später hat er sich schriftlich entschuldigt und ist noch lange Jahre der Getränkelieferant des Wirtshauses geblieben.

Mit Fausti und Waltzing

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ist das Lokal noch einige Zeit geöffnet. Es läuft sogar gut, da die Straße vor der Haustür von der Wehrmacht benutzt wird. Doch deutsche Soldaten waren in Steinbrücken, wie wohl auch anderswo, nicht unbedingt gerne gesehen und so hat die Gaststätte ihre Tür geschlossen. Vorübergehend. 1945, nach Kriegsende, haben Jean Neiertz und sein Sohn Alphonse Neiertz schnell wieder eröffnet. Letzterer hatte nach Aussagen seines Sohnes Marcel Neiertz nichts mehr gegen den Namen „De Kueb“ einzuwenden. Trotzdem ist er erst später als Namensschild über der Tür angebracht worden.

Marcel Neiertz, der die Geschichte seine Familie erzählt, ist ein sympathischer Mensch. 1949 wird er im Haus in Steinbrücken geboren. Seit 50 Jahren arbeitet er im Betrieb. „Zu meinem Tagesritual gehört immer noch, dass ich um 11 Uhr das Lokal öffne und die Lieferanten empfange. Abschließen nach Feierabend erledigt heute aber einer meiner drei Söhne.“ Früher war aber auch das Marcels Aufgabe. „Das wurde dann oft ein langer Tag!“, sagt er. Doch auch heute noch verbringt Marcel viel Zeit im Lokal und schaut hie und da nach dem Rechten.

Wie war denn das eigentlich mit den Kunden früher? „Die Bauern aus dem Dorf und aus der direkten Nachbarschaft sind natürlich gekommen, aber auch Menschen von weiter entfernt“, erzählt Marcel. Da das Café auch damals bereits an einer verkehrsreichen Straße von Esch nach Luxemburg lag (die Autobahn gab es noch nicht), legten viele Kunden hier einen Zwischenstopp ein. „Es ist immer ein Ort gewesen, an dem Menschen sich begegneten und viel miteinander redeten.“

Nach einer Schlosserlehre bei der Arbed – „das hat der Vater so gewollt“ – steigt Marcel Anfang 1968 in den Betrieb ein und gibt Gas. Als Erstes hört er mit dem Bauernhof auf. Dann baut er um und kann nach anderthalb Jahren 1969 pünktlich zur Kirmes in Steinbrücken im November eröffnen. Mit einem großen Saal für Tanzabende und einer Kegelbahn, damals nichts Ungewöhnliches. „Um bei der Eröffnungsfeier für etwas Pep zu sorgen, wollte ich eine Musikband einladen, musste aber, um das durchzusetzen, viel Überzeugungsarbeit bei meiner Schwester leisten.“ Doch der Erfolg gibt ihm recht. Dem einen Abend folgten weitere. Alle drei Wochen. Später jede Woche. Immer samstags. Immer professioneller, betont Marcel, und dann auch samstags und sonntags. Während 13 Jahren herrschte reges Treiben an den Tanzabenden. Unter anderem Gast Waltzing und Fausti stehen im „Kueb“ auf der Bühne.

Verschollen im Bermudadreieck

„De Kueb“ in Steinbrücken, „Den Hollänner“ in Wickringen und „D’Klensch“ in Monnerich wurden damals das „Bermudadreieck“ genannt. In anderen Worten: untergehen und nie mehr gesehen. Bis 1982. Da baut „de Kueb“ um. Keine Tanzmusik mehr. Dafür aber eine zweite Kegelbahn, die 1983 eröffnet wurde. Zusätzlich gab es einen Saal, in dem Dartturniere veranstaltet wurden. 1983 dann die offizielle Namensänderung: Aus dem „Café Neiertz“ wird das „Café beim Kueb“.

2019 ist Schluss mit den kleinen Pfeilen. Ende vergangenen Jahres wurde die dritte Bahn eröffnet. Kostenpunkt 50.000 Euro. Während an vielen Stellen im Land Wirtshäuser ihre Kegelbahn abschaffen, gibt es „beim Kueb“ nun deren drei. Die Erklärung ist recht einfach: Während das Interesse am Dartsport abgenommen hat, nimmt die Nachfrage für Sport- und Freizeitkegeln zu, erzählt Marcel Neiertz. Mit drei Bahnen kann man dem Wunsch der Kunden nachkommen, in fröhlicher Runde zu kegeln und etwas zu essen. Gleichzeitig lassen sich so Training und Wettbewerbe der Sportkegler garantieren. Heute trainieren neun Meisterschaftsmannschaften „beim Kueb“. Die größte davon ist „Kueben um Dill“, 1971 gegründet. Landesweit dürfte es um die 250 Vereine geben.

Gerne erzählt Marcel die lustige Anekdote einer Gruppe von schon etwas älteren Freizeitkeglern. „Sie beharrten darauf, unbedingt auf jener Kegelbahn zu spielen, die man von außen nicht einsehen kann. Sie wollten sich beim Spielen nicht zusehen lassen. Allerdings waren tags drauf ihre Facebook-Seiten voller Fotos, auf denen man ihr ganzes kegeltechnisches Können bewundern konnte“, so Marcel Neiertz lachend.

Komplett barrierefrei

Heute ist das „Café beim Kueb“ nicht nur Wirtsstube mit Kegelbahnen, sondern auch Restaurant. Im Rahmen des jüngsten Ausbaus ist ein neuer großer Versammlungs- und Speiseraum entstanden – und zwar mit Blick auf den rund 100 Jahren alten Kastanienbaum vor dem Haus. Bald ist Eröffnung. Das ganze Gebäude ist übrigens barrierefrei. So kommen auch viele Gäste von der APEMH oder anderen Behindertenorganisationen zum Kegeln und Essen. Während unseres Gespräches läuft eine Katze durchs Lokal. Helles Fell. „Das ist Prinzessin“, sagt Marcel, sie heißt so – und so benimmt sie sich auch.

Um die Zukunft des „Kueb“ macht sich der 71-Jährige keine Sorgen. Seine Söhne, Gilles, Daniel und Jerry, haben seine Begeisterung für das Leben in und mit einer Gaststätte geerbt und machen weiter. Die neuen Bereiche, die jetzt entstanden sind, bieten ihnen die Plattform und die nötige Kraft, um nach vorne zu schauen. Die alten Möbel aus Urgroßvaters Zeiten hingegen werden sie nie vergessen lassen, von wo sie herkommen.