Unfall-KniggeWie man sich nach einem Unfall richtig verhält

Unfall-Knigge / Wie man sich nach einem Unfall richtig verhält
Nicht immer muss bei einem Unfall auch die Polizei in den Einsatz. Bei Verletzten oder einer Verkehrsbehinderung sollten die Beteiligten aber den Polizeinotruf 113 verständigen.  Foto: Editpress/Isabella Finzi

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Nur kurz nicht aufgepasst, und schon ist es passiert: ein Autounfall. Doch was ist die richtige Vorgehensweise nach einem Straßenunglück? Sollte man sofort Verletzte versorgen oder zuerst die Unfallstelle absichern? Und wann muss die Polizei einbezogen werden? Das Tageblatt hat nachgefragt.

Mit einem Unfall muss sich fast jeder Fahrer mindestens ein Mal im Leben auseinandersetzen. Stress setzt ein. Etliche Fragen schießen einem durch den Kopf, Sorgen und Zweifel überwiegen. Als wäre der Schaden nicht schon ärgerlich genug, müssen Betroffene nach dem Zusammenstoß so einiges organisieren. Mit Panik, Ärger oder Aufregung ist demnach keinem geholfen. Vielmehr sollte in diesen Momenten Besonnenheit überwiegen.

Bei schlimmen Unfällen gilt der erste Gedanke rasch dem Notruf. Doch wie steht es mit der Polizei? Wann sollte man die Ordnungskräfte verständigen? „Wenn man sie benötigt“, lautet die einfache Antwort von André Schaack, Chefkommissar bei der „Direction des opérations et de la prévention“. Und das sei nicht immer der Fall. „Wenn es sich nur um einen Auffahrunfall handelt und niemand verletzt wurde, sollte man die Polizei eigentlich nicht einbeziehen“, so der für Präventionsarbeit zuständige Chefkommissar.

Entscheidend ist, ob bei dem Unfall Personen verletzt wurden und der Verkehr massiv behindert wird. Ist das nicht der Fall, wird die Polizei an der Unfallstelle eigentlich nur assistieren. „Zum Beispiel wenn sprachliche Barrieren bestehen oder die Beteiligten beim Ausfüllen des Unfallberichts nicht weiterwissen“, erklärt Schaack. „Was wir aber nicht tun, ist Richter spielen. Manche Menschen denken, die Polizei bestimme an Ort und Stelle, wer für den Unfall verantwortlich war. Das ist aber nicht der Fall.“ Einzige Ausnahme sei natürlich, wenn einer der Beteiligten ein Vergehen feststelle: „Etwa wenn ein Fahrer betrunken ist oder die Papiere nicht in Ordnung sind“, so Schaack. In dem Fall sollte man dann schon die Polizei verständigen.

Andernfalls gilt als oberste Maxime, den Unfallort zu räumen oder abzusichern. „Generell gilt die Regel: Wenn keine Polizei benötigt wird, sollte man auch keine verständigen“, betont der Beamte. Vielmehr sollte man, wenn möglich, die Unfallstelle räumen und die Formalitäten an einer sicheren Stelle erledigen. „Man sollte immer im Interesse der Sicherheit handeln.“

„Unfallstelle absichern!“

Auch der Ort des Unfalls spielt eine Rolle bei der korrekten Herangehensweise. Ereignete sich das Unglück auf einer Autobahn, sollten die Fahrer – eben im Interesse der Sicherheit, aber auch zur Wahrung des Verkehrsflusses – die Unfallstelle fotografieren und dann zusammen im Konvoi die nächste Ausfahrt nehmen und einen sicheren Ort ansteuern, um den Unfallbericht auszufüllen. „Vorausgesetzt, beide Wagen sind natürlich noch fahrtauglich“, erklärt Schaack. Das Foto helfe dann beim Zeichnen des Unfallhergangs auf dem „Constat“.

Ist eines der Fahrzeuge nicht mehr fahrtauglich, gilt: Sofort die Unfallstelle absichern! Der erste Griff sollte daher den Warnblinklichtern gelten. „Sind diese aber defekt, muss hundert Meter vor der Unfallstelle ein Warndreieck aufgestellt werden“, rät Schaack. „Doch aufgepasst: Man sollte keinesfalls über die Autobahn laufen, sondern vielmehr über die Leitplanken steigen“. Gleichzeitig sollten alle Insassen ebenfalls hinter die Leitplanken steigen. Denn: „Ein Fußgänger hat auf der Autobahn nichts verloren“, so der Beamte weiter. Einzige Ausnahme: „um sich auf direktem Wege in Sicherheit zu begeben“.

Sollte man dennoch aus welchen Gründen auch immer über die Autobahn laufen, muss der Betroffene eine Warnweste tragen. Das gilt übrigens auch für Menschen, die nachts oder bei schlechter Sicht auf Landstraßen unterwegs sind. Ob nach einem Unfall oder beim Spaziergehen mit dem Hund. Aus diesem Grund rät die Polizei, die Warnwesten nicht im Kofferraum zu verstauen, sondern stets griffbereit im Wageninnern zu halten. Auf Landstraßen gilt im Gegensatz zu Autobahnen übrigens eine Warndreieck-Pflicht zusätzlich zu den Warnblinklichtern, und das 30 Meter vor der Unfallstelle.

Auch hier gilt die Maxime: Unfallort absichern! „Wenn es geht, sollte man die Unfallwagen von der Straße steuern. Wenn nicht: Warnblinklichter, Warndreieck und raus aus der Gefahrenzone“, so Schaack, der daran erinnert, dass beim Nichtbeachten der Sicherheitsmaßnahmen eine Strafe von 49 Euro droht. Sind Westen und Dreieck überhaupt nicht im Wagen vorhanden, droht sogar ein Bußgeld von 74 Euro.

Erste Hilfe

Etwas komplexer wird die Angelegenheit, wenn beim Unfall auch Menschen zu Schaden kamen. In dem Fall sollte man nach der Sicherung der Unfallstelle natürlich Erste Hilfe leisten und den Notruf verständigen. „Vorausgesetzt, man kann Erste Hilfe!“, betont der Chefkommissar. „Andernfalls riskiert man, noch mehr Schaden anzurichten.“ Hat man gar keine Rettungskenntnisse, sollte man den Verletzten auf keinen Fall anfassen. Einzige Ausnahme: Der Verletzte befindet sich durch seine Lage in unmittelbarer Lebensgefahr, etwa wenn das Fahrzeug zu brennen oder explodieren droht.

Oft wissen auch Vorbeifahrer nicht, wie sie sich an einer Unfallstelle verhalten sollen. Generell sollte man als Fahrer aber immer die Augen und Ohren offen halten und im Zweifelsfall natürlich stehen bleiben. Es schade nie, kurz stehen zu bleiben und nachzufragen, ob Hilfe benötigt wird. „Aber auch hier sollte man aufpassen, dass die eigene Sicherheit gewährleistet ist und die Unfallstelle nicht zusätzlich gefährdet wird“, rät André Schaack. Fand der Unfall hinter einer Kurve statt, sollte man den eigenen Wagen mit Warnblinklichtern vor der Kurve abstellen.

Gleiches gilt für eine Hilfestellung auf der Autobahn. Außerdem sollte neben der Sicherheit der Unfallstelle auch der Verkehrsfluss berücksichtigt werden. „Es hilft niemandem, wenn man sich selbst auch noch in Gefahr begibt, indem man seinen Wagen schlecht abstellt“, betont André Schaack. „Ist die Unfallstelle bereits abgesichert, sind die Beteiligten versorgt und die Behörden verständigt, ist es besser, man fährt weiter“, so der Beamte weiter.

So verhält man sich richtig am Unfallort. Doch aufgepasst: Bewegen sollte man Verletzte nur, wenn sie sich durch ihre Lage in unmittelbarer Lebensgefahr befinden (Schritt 4). Etwa wenn das Auto brennt oder Explosionsgefahr droht. 
So verhält man sich richtig am Unfallort. Doch aufgepasst: Bewegen sollte man Verletzte nur, wenn sie sich durch ihre Lage in unmittelbarer Lebensgefahr befinden (Schritt 4). Etwa wenn das Auto brennt oder Explosionsgefahr droht.  Illustration: Police Lëtzebuerg

Zeugen von schweren Unfällen rät André Schaack hingegen, die Details des Unfallhergangs noch mal im Kopf durchzugehen oder gar aufzuschreiben. Der Grund: „Damit man sich später bei einem möglichen Prozess noch an alle Details erinnern kann.“ Auch bei harmlosen Auffahrunfällen kann es nicht schaden, sich den Beteiligten als Zeugen anzubieten, indem man Namen und Telefonnummer hinterlässt. „Vorausgesetzt die Sicherheitslage erlaubt es“, so Schaack.

Sogenannten Gaffern erteilt der Beamte indes eine klare Absage: „Die Straßenverkehrsordnung sieht strenge Strafen für Fahrer vor, die unnötig stehen bleiben oder ihre Geschwindigkeit unnötig verringern“, so André Schaack. Absolut kein Kavaliersdelikt übrigens sei die Fahrerflucht. Allein im letzten Jahr musste die Polizei in 3.300 solcher Fälle aktiv werden. Laut Gesetz muss der Fahrer nach einem Unfall an Ort und Stelle bleiben, um Informationen und Kontaktdaten auszutauschen.

Miller Yug
26. Januar 2020 - 9.58

Das sind alles Situationen, bei denen ein ganz normaler gesunder Menschenverstand gefragt ist. Traurig, dass heutzutage den Menschen gesagt werden muss, wie sie sich in solchen Fällen zu verhalten haben. Statt am Unfallort zu gaffen, untätig herumzustehen, mit dem Handy Fotos zu schiessen und den Rettungsdienst zusätzlich zu behindern, sollte man weiterfahren, wenn man nicht helfen kann. Aber die Sensationsgier ist stärker. Früher wussten die Leute, was sie tun und lassen sollten, ohne grosse Vorschriften. Man versuchte zumindest zu helfen.