Max-Ophüls-Festival „Sawah“ – ein Lied zwischen den Fronten

Max-Ophüls-Festival  / „Sawah“ – ein Lied zwischen den Fronten
In „Sawah“ dreht sich alles um Musik, Identität, Flucht und Verwechslung Foto: Ricardo Vaz Palma

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Die „Überraschung aus Luxemburg“, wie sie die Festivalleitung im Dezember angekündigt hatte, ist geglückt. Das Großherzogtum ist mit „Sawah“ auf dem Max-Ophüls-Festival vertreten. Der Spielfilm vereint DJ-Kultur mit den drängenden Fragen der Zeit und läuft außerhalb des Wettbewerbs. Er steht auf der „Watchlist“. Da kommt nur drauf, was eine Zukunft im Kino verspricht. 

Ein einziges Lied hat Ibrahim, Samirs Vater, in seinem Leben geschrieben. Danach wird er Apotheker in Kairo, um die Familie zu ernähren. „Sawah“ gammelt auf einer Kassette vergessen vor sich hin. Bis der angehende DJ Samir nach dem ultimativen Mix sucht. Damit will er den „DJ World Drop Beats“-Wettbewerb in Brüssel gewinnen. Dieser ist so etwas wie der „Eurovision Song Contest“ nur eben für DJs – und verspricht, der religiös verordneten Enge Ägyptens wenigstens zeitweise zu entfliehen. 

Die Zeiten in Samirs Heimat sind unruhig. Tausende Gleichaltrige demonstrieren auf den Straßen, bieten dem herrschenden Regime die Stirn. Während Freundin und Fotografin Amal mitten unter den Demonstranten den Arabischen Frühling dokumentiert, macht sich Samir auf nach Europa. „Politik ist nichts für mich“, wird er im Film sagen und spricht aus, was viele Landsleute fühlen, bis sie zwischen die Mühlen der Weltpolitik geraten. 

Abgestempelt und in den Händen der Polizei

Es kommt jedoch anders. Nach der Landung gerät der Ägypter über unglückliche Zufälle noch am Findel in die Hände der luxemburgischen Polizei. Sie vermutet einen illegal eingewanderten Flüchtling. Dabei will Samir gar nicht in Europa bleiben. Aber arabisch aussehend und Englisch sprechend passt er ins Bild. Daniel, mit dem ihn eine Zweckfreundschaft verbindet, geht es nicht besser. Farbig und aus dem Kongo stammend, kokettiert er damit, Jude zu sein. In seinem Foodtruck kocht er den besten Hummus der gesamten Großregion. Dass er daneben noch mit gefälschten Pässen handelt, verschweigt er, verspricht Samir aber, ihn nach Brüssel zu fahren. Die Odyssee beginnt … 

Der Film im Stil eines Roadmovies hat viele Ebenen. Da ist zunächst die Musik. Junge Menschen wollen feiern und tanzen – egal ob es die staatlich verordnete Haltung zulässt oder nicht. Unbarmherzig unterbanden damals die meisten Regimes Nordafrikas die „Palastrevolution“ der Straße. Das dokumentieren die im Film eingeblendeten Sequenzen privater Videoaufnahmen aus der Zeit. Wer flieht, landet bei oftmals überforderten Behörden. Sprachbarrieren und Geschichten, deren Überprüfung sich kompliziert gestaltet, prägen das gegenseitige Misstrauen. Mittendrin findet sich Samir wieder, der nur seine Karriere als DJ in Schwung bringen und nicht ins Foyer der damals noch „Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration“ (OLAI) heißenden Aufnahmestelle will. 

Ein Film mit vielen Ebenen

Die Themen Identität, Flucht und Integration ziehen sich wie rote Fäden durch das filmische Schaffen von Regisseur Adolf El Assal. Nach mehreren Kurzfilmen ist „Sawah“ sein zweites Werk in Spielfilmlänge und enthält viel Biografisches. Den Apotheker in Kairo spielt sein Vater, der es auch im echten Leben ist. Bei den Dreharbeiten in Kairo finden sie das Ladenlokal zufällig wieder. Und wie die Hauptfigur Samir im Film gerät Adolf im Laufe seines Lebens immer wieder zwischen die Fronten einer von Multikulti und Zuwanderung verunsicherten Gesellschaft. „Ich kann nur das erzählen, was ich kenne“, sagt der Regisseur. Das tut er mit erstaunlicher Leichtigkeit. 

Während Themen wie diese die Zuschauer normalerweise eher betroffen zurücklassen, gelingt dem Regisseur an vielen Stellen mitreißende Situationskomik. Die teilweise skurrilen Situationen, in die die Protagonisten durch die überraschenden Wendungen des Films geraten, bleiben in Erinnerung. Sehenswert. 

„Sawah“

Der Film ist bereits im April 2019 in Luxemburger Kinos angelaufen und seitdem auf Festival-Tournee. Bereits ausgezeichnet hat er beim Max-Ophüls-Wettbewerb in Saarbrücken keine Chance mehr. Der „Film Fund Luxembourg“ hat das Werk mit 2,8 Millionen Euro kofinanziert. Mit im Boot sitzt „Deal Productions“ von Désirée Nosbusch und Alexandra Hoesdorff. Das Max-Ophüls-Festival findet noch bis zum 26. Januar statt. Weitere Infos auf www.ffmop.de.