SozialhilfeDer Nationale Solidaritätsfonds unterstützt seit  60 Jahren Menschen in finanziellen Notlagen

Sozialhilfe / Der Nationale Solidaritätsfonds unterstützt seit  60 Jahren Menschen in finanziellen Notlagen
Beim Nationalen Solidaritätsfonds kann man vorsprechen, wenn man in materieller Not ist. Hilfsmöglichkeiten gibt es viele. Symbolbild: dpa

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Wenn alle Stricke reißen, hilft der Nationale Solidaritätsfonds. Er ist sozusagen das Netz und der doppelte Boden, um Menschen vor dem kompletten Absturz in die Misere zu bewahren. Die finanziellen Hilfen des 1960 gegründeten Fonds sind vielfältig und je nach Notlage und Bedürfnissen gestaffelt. 

Solidarität ist wichtig. Wichtig vor allem für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Solidarität ist auch die Grundlage des Nationalen Solidaritätsfonds. Gegründet wurde er vor 60 Jahren, per Gesetz vom 30. Juli 1960. Regierungschef war damals Pierre Werner.

In erster Linie wurde der Fonds ins Leben gerufen, um jenen Menschen zu helfen, die über keine oder nur eine kleine Rente verfügten, weil sie in ihrer aktiven Zeit nicht oder nicht ausreichend in die Rentenkasse eingezahlt hatten. Bauern, zum Beispiel, Winzer – Freiberufler im Allgemeinen – Handwerker, Leute mit einer Behinderung, aber auch Menschen, die nie gearbeitet hatten oder frühzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden mussten. Auch Witwen und Waisen fielen damals unter die Bestimmungen der sogenannten Solidaritätspension.

Die „Pension de solidarité“ wurde später u.a. auf Langzeitarbeitslose ausgeweitet, deren Recht auf Arbeitslosenunterstützung erschöpft war. Auch Alleinerziehende kamen damals in den Genuss dieser Unterstützung.

Solidarität verlangt Fairness

Im Rahmen des Ausbaus der Sozialgesetzgebung wurden auch die verschiedenen Pensionssysteme angepasst, sodass Notsituationen abnahmen. Der Fonds konnte sich zunehmend anderen Aufgaben zuwenden, wie Pierre Lammar, Präsident des Fonds sowie erster Regierungsrat im Familienministerium, und Patrick Bissener, Verwaltungsleiter des Fonds, erzählen.

1986 wurde das RMG („Revenu minimum garanti“) eingeführt. Das Mindesteinkommen wurde zu einem Grundrecht, das allerdings an eine Reihe von Bedingungen geknüpft ist. So muss man 30 Jahre alt sein (für behinderte Personen oder Alleinerziehende ist die Altersgrenze auf 18 Jahre festgesetzt), seit mindestens zehn Jahren in Luxemburg leben und bereit sein, eine Arbeitsstelle anzunehmen. Bei den über 60-Jährigen entfällt die letzte Auflage, ebenso bei Alleinerziehenden. „Es wurde etwas geschaffen, das jedem im Land zugutekommen konnte. Das war neu“, so Pierre Lammar.

1993 wurden einige Änderungen vorgenommen, was die im Gesetz von 1986 vorgesehenen Beschäftigungsmaßnahmen anbelangt. Wer in einer solchen Maßnahme arbeitete, bekam ab 1993 den gesetzlichen Mindestlohn, also mehr als das Mindesteinkommen, und war zudem pensionsversichert.
1999 folgte eine weitere Reform des RMG. Dazu gehörte, dass das Alter auf 25 Jahre festgelegt und die Residenzklausel auf fünf Jahre verkürzt wurde –  zudem wurden die letzten 20 Jahre in Betracht gezogen. 2004 schließlich wurde die Residenzklausel für Personen, die aus einem Mitgliedsstaat der EU stammen, ganz abgeschafft.

Im Juli 2018 wurde das RMG abgeschafft und durch das Revis („Revenu d’inclusion sociale“) ersetzt.
Wichtige Änderungen: Die Geldbeträge wurden angepasst und es gibt fortan mehr Unterstützung für Alleinerziehende und Familien, betonen Lammar und Bissener. Revis-Bezieher müssen sich auf dem Arbeitsamt melden. Entweder kommen sie auf die Liste jener, die auf dem „normalen“ Arbeitsmarkt unterkommen können, oder sie werden in eine Maßnahme des ONIS („Office national d’inclusion sociale“) vermittel. Wer aus gesundheitlichen Gründen keine Stelle finden kann, bekommt eine Dispens von der Meldepflicht beim Arbeitsamt.

Andere Hilfen des Fonds

Das Revis ist nicht die einzige Hilfe, die der Fonds anbieten kann. So gibt es noch das „RPGH“. Hierbei handelt es sich um ein Einkommen speziell für Personen mit einer Behinderung

Zudem gibt es eine Beihilfe für ältere Menschen, die sich mit eigenen Mitteln kein Altenheim leisten können oder je nach benötigten Leistungen einen Zuschuss brauchen.

Auch bei Unterhaltszahlungen kann es Unterstützung vom Fonds geben, erklären Lammar und Bissener, wenn nämlich derjenige, der bei einer Scheidung eigentlich für den Unterhalt aufkommen müsste, nicht zahlen kann oder nicht zahlen will. Hier hat der Fonds aber die Möglichkeit, die Gelder rückwirkend beim säumigen Schuldner einzufordern.

Eine weitere Hilfe ist der „Forfait d’éducation“, besser bekannt unter dem Namen „Mutterrente“. Sie darf als einzige der Leistungen des Fonds „exportiert“ werden. Das heißt Mütter erhalten die Rente auch dann, wenn sie ihren Wohnsitz im Ausland haben.

Dann gibt es noch die Teuerungszulage. Sie wird einmal im Jahr ausbezahlt und der Antrag wird normalerweise im Januar gestellt. Ursprünglich war diese Hilfe als Heizkostenzulage gedacht, heute können allgemein die Lebenskosten damit gedeckt werden. Die Zulage richtet sich natürlich an der Einkommenshöhe.

Außerdem gibt es einen Zuschuss für Schwerbehinderte, die keine oder noch keine Leistungen von der „Pflegeversicherung“ beziehen, aber auf Pflegepersonal angewiesen sind. Diese Maßnahme wurde aber mittlerweile aufgehoben und wird nur noch an Personen ausbezahlt, die bereits bei Einführung der „Assurance dépendance“ im Genuss dieser Leistung waren. 

Gespeist wird der Fonds vor allem durch den Staat (Steuerzahler) und zu einem kleinen Teil durch die „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“.

Seit seiner Gründung vor 60 Jahren hat sich der Fonds gewandelt und sich zum Beispiel der demografischen Entwicklung des Landes angepasst. Auch der zunehmenden Armut muss er Rechnung tragen. Rund 11.000 Revis-Bezieher gibt es aktuell in Luxemburg.

Der Solidaritätsgedanke

Es wäre schön, aber überflüssig wird der Fonds wohl nie werden. Im Gegenteil. Deshalb wird in Arbeitsgruppen im Ministerium stets darüber nachgedacht, wie die Hilfe des Fonds an die gesellschaftliche Entwicklung angepasst werden kann. Armut und Wohnungsnot spielen dabei eine große Rolle. 

Zudem wurde im Koalitionsvertrag festgehalten, die Wirkungen der Fonds-Maßnahmen zu überprüfen. Es geht beispielsweise um die Frage, ob jeder, der Anrecht auf Hilfe hätte, diese auch in Anspruch nimmt; das zählt unter anderem für die Teuerungszulage. Darüber hinaus soll die finanzielle Unterstützung, um in einem Altenheim aufgenommen zu werden, überarbeitet werden.

Egal in welche Richtung sich der Fonds in Zukunft entwickeln mag, Grundlage wird immer der Solidaritätsgedanke bleiben. Der Staat und die Steuerzahler helfen denjenigen, denen es nicht so gut geht. Diese Solidarität bedeutet aber auch Fairness und Anstand gegenüber denen, die den Fonds speisen. Schummeln gilt nicht. Deshalb bestehen weiterhin strenge Auflagen und Kontrollen, vor allem für das Revis. Wer in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, deren Einkommen über dem Revis liegt, hat kein Recht auf das Mindesteinkommen. Nur wenn die Wohnung des Revis-Beziehers eindeutig abgetrennt ist und der Konsum von beispielsweise Wasser, Gas, Strom nachprüfbar ist, kann man unter demselben Dach leben.

Es lohnt sich, sich im Detail über die Möglichkeiten und Auflagen des nationalen Solidaritätsfonds zu informieren. Man kann sich an den Fonds direkt wenden. Die Büros sind in der rue de la Fonderie in Luxemburg-Stadt. Im Prinzip aber sind es die Sozialbüros der Gemeinden, die als erster Ansprechpartner Auskunft darüber geben, was man wo und wie an Hilfen beantragen kann, also auch was den nationalen Solidaritätsfonds anbelangt.