Vor Lampedusa ist ein weiteres Flüchtlingsschiff auf Konfrontationskurs mit Salvini

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Das deutsche Rettungsschiff «Alan Kurdi» mit 65 Migranten an Bord fährt auf die italienische Insel Lampedusa zu. Italiens Innenminister Salvini will den Kutter nicht anlegen lassen. Aber die Retter sehen das Recht auf ihrer Seite.

Deutschland hat der EU-Kommission angeboten, Migranten von zwei weiteren Rettungsschiffen im Mittelmeer aufzunehmen. „Auch im Fall der „Alan Kurdi“ und der „Alex“ sind wir im Rahmen einer europäisch-solidarischen Lösung bereit, einen Teil der aus Seenot Geretteten aufzunehmen“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Samstag. Dies habe er bereits am Freitag der EU-Kommission mitgeteilt und in Brüssel um Koordinierung gebeten.

Das unter deutscher Flagge fahrende Schiff „Alan Kurdi“ hatte nach Angaben der Regensburger Organisation Sea-Eye in internationalen Gewässern vor Libyen 65 Migranten von einem Schlauchboot gerettet. Die „Alex“ ist ein Schiff der italienischen Hilfsorganisation Mediterranea Saving Humans. Von 54 Geretteten waren am Samstag noch 41 an Bord. 13 Menschen, darunter mehrere Frauen und Kinder, wurden inzwischen auf die italienische Insel Lampedusa gebracht.

Post von Salvini

Im deutschen Bundesinnenministerium war am Freitagabend ein Brief von Italiens Innenminister Matteo Salvini eingegangen. Darin drängt Salvini Seehofer, Verantwortung für die „Alan Kurdi“ zu übernehmen. Italien verteidige in verantwortungsvoller Weise die europäische Außengrenze und wolle nicht länger „der einzige „Hotspot von Europa“ sein.

Deutschland lehnt das von Salvini verfochtene Prinzip ab, wonach der Flaggenstaat prinzipiell zuständig sein soll. Seehofer macht sich weiter für einen europäischen Verteilmechanismus für die Migranten stark. Ein Sprecher seines Ministeriums erklärte auf Anfrage: „Wer Menschen vor dem sicheren Ertrinken rettet, erfüllt seine humanitäre Pflicht.“ Deshalb habe die Bundesregierung in diesem Jahr bereits 228 Menschen aufgenommen – mehr als jeder andere EU-Staat.

Pro Asyl kritisiert Seehofers Angebot, nur einige der Flüchtlinge aufzunehmen, als „erbärmlich“. Damit gehe das Drama weiter, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Rettung aus Seenot und der Zugang zum Asylrecht seien „kein Gnadenakt, sondern gültiges Recht“. Zusammen mit der Organisation Seebrücke rief Pro Asyl dazu auf, am Samstag in deutschen Städten für sichere Häfen und die Einhaltung der Menschenrechte zu demonstrieren.

Sea-Eye hält sich „erstmal“ an Verbot

Die „Alan Kurdi“ wird vorerst nicht in italienische Hoheitsgewässer einfahren, wie Sea-Eye-Einsatzleiter Gorden Isler der Deutschen Presse-Agentur am Samstag am Telefon sagte. Der italienische Zoll habe der Besatzung am Morgen ein Dekret Salvinis ausgehändigt, mit dem die Einfahrt in die Hoheitsgewässer untersagt worden sei. „Wir beachten erstmal dieses Verbot“, versicherte Isler. Ohne triftigen Grund werde Sea-Eye nicht gegen das Dekret verstoßen. Auf dem Schiffspositionssystem Marinetraffic war im Internet am Samstagvormittag zu sehen, dass das Schiff Lampedusa nicht weiter ansteuerte, sondern vor der Zwölf-Meilen-Zone kreiste.

Eine Mail-Anfrage der „Alan Kurdi“ an die Behörden in Rom und Maltas Hauptstadt Valletta nach Zuweisung eines sicheren Hafens sei bis zum Vormittag ohne Antwort geblieben, sagte Isler.

Die Bundesregierung hatte sich in der Vergangenheit stets bereiterklärt, Schutzsuchende aufzunehmen – unter der Voraussetzung, dass auch andere Staaten einwilligen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte, Ziel der Regierung sei es, „eine schnelle Lösung zu finden“. Zunächst müsse ein sicherer Hafen gefunden und über die Verteilung der Geretteten auf die EU-Staaten gesprochen werden.

Für die „Alex“ haben Italien und Malta eine Übereinkunft erzielt. Die Regierung in Valletta will die Menschen von dem Segelboot aufnehmen, wenn Italien im Gegenzug 55 Migranten von Malta übernimmt. Die Organisation sieht ihr Boot jedoch nicht in der Lage, nach Malta zu fahren, und forderte von den Küstenwachen der Länder die Übernahme.

Vor der griechischen Halbinsel Peloponnes nahm ein Tanker 57 Migranten auf, die an Bord eines Bootes nach Italien zu gelangen versuchten. Die Menschen seien wohlauf und sollten in einen griechischen Hafen gebracht werden, meldete der staatliche Rundfunk (ERT) am Samstag in Athen unter Berufung auf die Küstenwache. Mit von Schleusern organisierten Überfahrten aus Griechenland oder der Türkei nach Italien versuchen Migranten, die weitgehend geschlossene Balkanroute zu umgehen und nach Westeuropa zu gelangen.

Vor einer Woche hatte die Kapitänin des deutschen Rettungsschiffes „Sea-Watch 3“, Carola Rackete, mit 50 Migranten an Bord ohne Erlaubnis Lampedusa angesteuert. Die 31-Jährige verteidigte ihr Vorgehen. „In der gleichen Situation würde ich sicherlich noch einmal das Gleiche tun“, sagte sie der Zeitung „La Repubblica“ (Samstag). „Aber ich hoffe, dass, wenn ein solcher Fall auftritt, die italienischen Behörden das nächste Mal viel früher reagieren und verhindern, dass dieser Fall eintritt.“ Auf die Frage, ob sie Salvini auf die „Sea-Watch 3“ einladen würde, antwortete sie mit einem klaren Nein. „Wir haben eine sehr strenge Regel: keine Rassisten an Bord.“